21-01-2024, 09:45
(10-01-2024, 19:39)petronius schrieb: "das böse" gibt es eigentlich nicht, also nicht im sinne einer vom beobachter (menschen) unabhängigen existenz. "böse" gibt es nur als kategorie des menschen, der nun mal gewohnt ist, alles in "gut" und "böse", schwarz und weiß einzuteilen. "das böse" ist also in doppelter hinsicht menschengemacht (als benenner wie als verursacher), ebenso wie auch alle "götter", denen man allein "das gute" in die schuhe schieben und sie vom "bösen" mit den fadenscheinigsten bis fantasievollsten ausreden und intellektuellen verrenkungen freisprechen will
Lieber Petronius,
was hier so vermeintlich klug daherkommt, allerdings mit 'eigentlich' als massive Einschränkung, das trifft doch auf alle Adjektive zu. Weder schnell, noch leicht, noch grün noch bedenklich .... gibt es alles eigentlich nicht, also im Sinne einer vom Beobachter (Menschen) unabhängigen Existenz.
In Bezug auf die Frage der Theodizee bringt diese Aussage rein gar nichts - ob wir von der bösen Tat oder stellvertretend vom Bösen sprechen, macht eigentlich keinen Unterschied.
Schon Blaise Pascal (1623-1662) griff dieses Thema auf und riskierte damit die Exskommunikation, wenn nicht gar den Scheiterhaufen! Er vertrat die Ansicht, der Mensch sei "offensichtlich verirrt und aus seinem wahren Heimatort herausgefallen. Seither suche er ihn überall, in Unruhe und ohne Erfolg, in undurchdringlichen Finsternissen." Er folgert daraus, dass wir Menschen einst "auf einer Stufe der Vollkommenheit waren, von der wir unglücklicherweise herabgefallen sind." Den ungefallenen Zustand des Menschen nannte er die "erste Natur" - die zweite Natur erhielt er erst durch die Menschwerdung. (Reclam - Gedanken - 1980)
Der Theologe Wilfried Härle (*1941), Professor in Marburg und Heidelberg, hält die Beantwortung der Frage der Thodizee jetzt noch nicht für möglich. Und Hans Küng (*1928) bekennt, dass es (seiner Ansicht nach) eine Antwort auf die Frage der Theodizee nicht gibt! Keiner der grossen Geister der Menschheit, die ich studierte, sagte er, weder Augustinus noch Thomas, noch Calvin, noch Leibnitz, noch Hege, noch Karl Barth - haben das Urproblem gelöst! "So ist es denn meine über die Jahrzehnte gewachsene Einsicht, zu der ich bisher keine überzeugende Alternative gefunden habe, die: übergrosses Leid, unverschuldetes, sinnloses Leid - individuelles wie kollektives - lässt sich nicht theoretisch verstehen, sondern bestenfalls praktisch bestehen. (Pieper, 2009)
Du bist also in guter Gesellschaft! Du hast es doch gar nicht nötig, mit Wortklaubereien den Eindruck zu erwecken, die Frage stelle sich doch gar nicht!
Doch! Die Frage stellt sich und gehört zu den wichtigsten Fragen.