05-05-2007, 13:50
WiTaimre schrieb:Vielleicht verstehst Du nun besser, was vielleicht in ganz anderen Heimaten der Hintergrund mancher Urteile sein kann - ich sage kann - die in unsern Augen sehr eigenartig wirken, und was den Islam angeht, wird das doch schon lange nicht mehr von allen Muslimen zugleich so getan, so empfunden oder so gewuenscht. Es ist nur eben in einigen Regionen noch ein verankertes Rechtsgefuehl, dieser geschilderten erweiterten Art, sodass sie im Hinblick auf dieses dort solche Urteile noch faellen muessten und wuerden, um vom Volk nicht in die Wueste gejagt oder auf den Mond geschossen zu werden.
Es ist heute eben in manchen Ecken der Welt auf saekularem Wege ein Nachrichtennetz da, das z.B.Dir aus egal-woher alles meldet, was Du hier gegen den Islam zusammengetragen vortrugst, und die Datentechnik erlaubt es, das je Gewuenschte rasch anzureichern.
Die oben geschilderten Verhaeltnisse achteten doch aber auch auf soziale Werte, die es wert sind, wert sein koennen oder sollten, seit Beginn der Menschheit, Harmonie und Wuerde einer gesellschaftlichen Entitaet rein zu halten von diffusem Verdacht, und jene zu belohnen, die eine "Schuld" auf sich nehmen, soweit an die Ereignisse angepasst, dass sie die ja auch mit etwas verknuepfen, was wir ueber den Umweg der Tiefenpsychologie doch auch kennen: das jemand anderen dazu veranlasst haben, eine Tat zu begehen, die schadet, indem sie es so herum konkret ahnden, wenn jemand den andern das Leben mit ihm so erwscherte, durch "unueberwindlichen" Jaehzorn, Stolz, Traegheit, Neid, Gier, Geiz, Hass, Rachsucht, Leichtsinn etc, was der katholische Beichtspiegel als die "7 Todsuenden" zusammenstellt.
Du weißt hoffentlich, dass du dich mit dieser Argumentation auf sehr, sehr dünnes Eis begibst. Denn im Grunde sagst du nichts weiter, als dass Gesellschaften sich ihre Gesetze selbst geben und danach leben und dies für uns manchmal befremdlich, aber zu akzeptieren sei.
Damit stellst du u.a. die Menschenrechte per se in Frage, in denen jedem Menschen ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zugesichert wird.
Nehmen wir dein Beispiel des äthiopischen Stammes, der für einen unbewiesenen Vorwurf einen Schuldigen zur Verurteilung stellen muss. Das ist nichts weiter als Sippenhaft.
Nehmen wir die Frauen, die vergewaltigt wurden und dafür als Ehebrecherinnen von Gericht gestanden haben und zur Auspeitschung verurteilt wurden. Das ist nicht nur rechtlich fraglich, sondern auch ein Verstoß gegen die körperliche Unversehrtheit.
Du sagst aber, wir müssten diese - wodurch auch immer begründeten - Unterschiede akzeptieren, weil sie in diesen Gesellschaften (sei es ein Stamm, ein Volk oder ein Staat) Gesetz ist. Ein Gesetz ist aber nichts weiter als eine Verhaltensregel aufgrund eines allgemeinen Konsens, gegossen in Worten und zu Papier gebracht.
Mit dieser Argumentation wird die Tür geöffnet für Sippenhaft, Sklaverei, Rassismus und Genozid. Denn wenn ein Gesetz existiert, das bestimmten Menschen Rechte abspricht, dann ist das ja zu akzeptieren. In Südafrika gab es jahrzehntelang die gesetzlich festgelegte Apartheid: Was Weiße durften, war Schwarzen noch lange nicht erlaubt. Gesetze legten es fest. Ist das deshalb zu akzeptieren?
In Deutschland gab es vor gar nicht allzu langer Zeit Gesetze, die genau regelten, was mit eine Juden geschah, der sexuelle Kontakte zu einer "Arierin" unterhielt. Da dies behördlich geregelt war, wären die rechtlichen Folgen also akzeptabel? Die Massenvernichtung der Juden in Europa war durch behördlich genehmigte Protokolle (Stichwort: Wannsee-Protokoll) abgesegnet - also ist der Holocaust zu akzeptieren?
Wenn im Sudan die Bevölkerung von Darfur vertrieben oder ausgerottet wird, weil die Regierung in Khartoum das so befiehlt, dann müssen wir tatenlos zuschauen und das akzeptieren, weil das eben zur Kultur der dortigen Bevölkerung gehört?
Wenn in der Türkei drei Christen ermordet werden, weil sie angeblich missionarisch tätig gewesen sind und das gemäß der dortigen Mehrheitsreligion ein todeswürdiges Verbrechen ist, dann haben wir das zu akzeptieren eben ob des dortigen moralischen Konsenses?
Also, ich habe da ernsthafte Zweifel.
Grüße
Moski
Ich bin gegen Religion weil sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen (Richard Dawkins)

