02-09-2024, 11:59
(01-09-2024, 16:12)subdil schrieb: Die Bibel, und insbesondere das Neue Testament, ist für mich praktisch unlesbar, weil dort alle paar Seiten, mal subtil, mal offensichtlich, mit der Hölle gedroht wird. Ich habe eine seltene Phobie namens Hadephobie. Das bedeutet, dass Anspielungen auf die Hölle das Potential haben in mir einen Angstzustand auszulösen. Deshalb kann ich mich mit religiösen Themen auch nur dann befassen, wenn ich psychisch stabil und seelisch einigermaßen in meiner Mitte bin.
@ subdil,
es gibt in der Bibel dazu mehrere, ganz einfache Ratschläge: "Fürchtet euch nicht...." (z.B. Mt 10, 31)
In der Bibel gibt es an die 200 mal die Aufforderung, keine Angst zu haben! Diese vielen Ermutigungen sollten also jedem als Richtschnur dienen, und nicht die von den Bibelautoren eingeklinkten Drohungen mit der Hölle!
Die literarischen Quellen solch ermutigender Aufforderungen sind vielfältig. Sie werden mal Gott, mal den Engeln und auch Jesus "zugeschrieben".
Eine Hadephonie, als "Kinderschreck", sollte also deswegen keinerlei Wirkung erzielen können, somit auch ausgedient haben!
Da sind die Werkzeuge der Diktatoren, die weltweite Umweltverschmutzung, atomare Bedrohung, Gewalt und Hass im Alltag die "Hölle", welche uns weitaus realer bedroht!
Als man mal einen deutschen Politiker fragte, was denn für ihn die "Hölle" sei, was er unter diesem Wort verstehe, so nannte er u.a. die KZ-Vernichtungslager der Nazis! - Und für viele US-Soldaten war es z.B. der grausame Dschungelkrieg in Vietnam, mit all seinen Varianten des Tötens im Gefecht, sowie die bei Gefangenen angewandten Folter-Qualen! Diese hätte sich selbst der Teufel auch nicht gemeiner ausdenken können!

Jean-Paul Sartre meinte auf seine Weise: > Die Hölle, das sind die anderen...<
>> In dem Kapitel "Der Blick" aus Sartres "Das Sein und das Nichts" gibt er eine mögliche Antwort auf die Frage, weshalb die Anderen für uns zur Hölle werden können: Es sind die Blicke der Anderen, die uns in eine Höllensituation bringen können. Warum? Die Ursache dafür sieht Sartre in mehreren Punkten. An erster Stelle das menschliche Schamgefühl und die scheinbar sinnlose Existenz aller Dinge in der Welt, was Sartre bereits 1935 in seinem Roman "Der Ekel" geschildert hatte. Der Blick des Menschen ist eine objektive Sichtweise. Alles was wir in unserer Umwelt wahrnehmen, begreifen wir zunächst als Objekt, so auch die anderen Menschen.
Unser Schamgefühl bezeichnet Sartre als das begreifen dessen, das man von Anderen gesehen wird und so zum Objekt des Betrachters gemacht wird. Das Höllische daran ist nun, laut Sartre, dass wir nicht imstande sind den uns Betrachtenden unsere Subjektheit, unser eigenes Wesen zu vermitteln. "Insofern bilden die andren zunächst eine Hölle, weil sie uns dazu verdammen, etwas zu sein, was wir nicht sind, und uns damit unserer Freiheit berauben, uns zu dem zu machen, was wir wirklich sind." Das bedeutet, dass der Betrachter nicht in der Lage ist unser inneres Wesen zu erfassen.
Der erste Eindruck, bleibt immer ein äußerlicher, den man durch Gestik, Mimik und Aussagen des Gegenübers erfährt. So verhält es sich auch mit den Figuren des Dramas "Geschlossene Gesellschaft". Drei Charaktere treffen hier aufeinander, von denen je einer den Blicken und Meinungen der zwei Anderen ausgesetzt ist und bleibt. Auch der Zuschauer wird niemals in die Situation gelangen, dass wahre Wesen eines der Charaktere zu erfassen.
Es ist und bleibt der Blick, der das Schamgefühl, als ein ich werde gesehen in uns wach ruft und damit den Anderen zum Feind macht, der nicht unser Wesen, sondern unsere Existenz als ein Objekt unter Objekten erfährt. "Der Andere wird zunächst als die Hölle erfahren, als der Feind, der einen durch seinen Blick im weitesten Sinne tötet, weil er festlegt, versteinert, zu einem Objekt, zu einem Ding macht , das ihm passiv ausgesetzt ist." <<
(Ralf Beckendorf, Autor)
Angemerkt: Manche der oben aufgeführten Zeilen treffen auch auf den Umgang unter den usern dieses Forums zu!

Gruß von Reklov