27-11-2024, 16:24
(26-11-2024, 22:42)Ulan schrieb:(26-11-2024, 21:38)subdil schrieb: Aus unserer Sicht macht das ja keinen Unterschied. Wenn das große Ganze gar nicht erklärt werden kann, weil es gar kein großes Ganzes gibt, sondern letztlich doch nur Chaos...
Das muss nicht unbedingt Chaos sein. Was ich aber fuer einen typisch menschlichen Fehlschluss halte, ist, dass es auf die "ganz grossen Fragen" unbedingt "ganz grosse Antworten" geben muss. Das ist so bisschen wie bei einem Film, wo man mit dem Protagonisten eine Beziehung aufbaut, wie dieser versucht, aus einer verzwickten Situation herauszukommen, und dann rutscht er ploetzlich in der Dusche aus und bricht sich das Genick. Das waere halt in hoechstem Masse unbefriedigend. Und so ist es dann auch mit der Frage nach "dem Leben, dem Universum und allem"; ein "Meh" wollen wir da nicht akzeptieren. Mich schreckt das aber nicht mehr.
Also meines Erachtens gibt die Wissenschaft ja durchaus eine Antwort auf das große Ganze, aber es ist eben eine Antwort, die dem menschlichen Streben nach Sinn und Bedeutung völlig widerstrebt. Das definierende Element, der Kernvorgang im Universum, ist doch meinem Verständnis nach laut Wissenschaft die Entropie. Was sind denn die klassischen großen Fragen:
- Woher kommen wir? Das Universum begann in einem Zustand außergewöhnlicher Ordnung und entwickelt sich hin zu größerer Unordnung. Der Umweg über hochgeordnete Systeme wie Lebewesen ergibt sich einfach aus der Entropie selbst, denn durch den Überlebenskampf der Lebewesen und die dadurch aufgebrachte Energie geht die Entropierechnung dann am Schluss trotzdem so auf, dass mehr Unordnung entsteht. Die Zivilisation als hochgeordnete Struktur erzeugt dafür eine riesige Menge an Erwärmung - was zur Klimaerwärmung und dadurch zu chaotischeren Wetterereignissen führt. Mit der Entropie kann man sogar den Klimawandel ganz exakt erklären, so wie so ziemlich alles andere auch.
- Wohin gehen wir? Eben in einen Zustand größerer Unordnung, und irgendwann wird die Entropie selber das Leben unmöglich machen, welches sie doch selbst hervorgebracht hat.
- Was ist der Sinn des Lebens? Die Erhöhung der Unordnung in der Welt, paradoxerweise durch das Erhalten von hochgeordneten Strukturen wie Lebewesen.
Es gibt übrigens sogar eine "Metaphysik der Entropie" - diese wurde geschrieben von dem deutschen Philosophen Phillip Mainländer. Bis heute ist nicht ganz klar, ob Mainländer die Entropiegesetze kannte oder nicht, weil sich deren Entdeckung und die Entwicklung seiner Philosophie zeitlich überschnitten haben. Aber bemerkenswert ist es schon. Nur ist Mainländers Philosophie der Erlösung natürlich durchzogen von einem tiefen Weltpessimismus. Denn sie beschreibt, so wie ich es oben zusammengefasst habe, die Antworten auf die großen Fragen des Daseins - aber eben in einer Art und Weise, die dem menschlichen Suchen nach "höherem" Sinn widerstrebt.

