04-05-2025, 17:04
(04-05-2025, 16:20)Sinai schrieb: Das erinnert mich an Till Eulenspiegel. Als er auf der Wanderschaft war, jammerte und ächzte er beim bergab gehen. Auf die Frage, warum er beim angenehmen bergabgehen jammere, antwortete er, weil er daran denken müsse, dass er dann später wieder bergaufgehen müsse . . .![]()
Dass jedes Leben zu Ende geht, wissen wir alle. Auch ein Kinofilm geht zu Ende. Warum soll man dann mitten während des Filmes jammern und davonlaufen ?
Du redest wie ein simples Gemüt, das fast nur die Sonnenseite des Lebens kennt. Schau dir mal Dokus an über die Leute, die auf der Straße leben, vor allem in den USA grassiert seit Jahren eine Welle der Obdachlosigkeit und des Drogenkonsums. Aus deiner Sicht sind diese Leute wahrscheinlich alle "selber schuld". Genau so vermutlich die unzähligen Menschen, die heutzutage an psychischen Krankheiten leiden. Und so gibt es viele weitere Beispiele...
Wahrscheinlich muss man aber selber manche Dinge erlebt haben, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das irdische Leben voller Risiken und Gefahren steckt. Einer meiner besten Freunde ist mit ca. 30 Jahren elendig an Krebs gestorben. Ein anderer ist mit ca. 50 gestorben, der litt sein Leben lang unter Schizophrenie. Ein anderer ist mit Mitte 30 bei einem Verkehrsunfall gestorben, hinterließ Frau und zwei kleine Kinder. Und das sind nur die heftigsten Beispiele. Ich selber habe, was psychische und spirituelle Krisen betrifft, auch schon genug durch.
Du gibst dich doch hier immer als Christ. Lies mal ganz konzentriert das Buch Hiob, mein Lieblingsbuch der Bibel. Manche Menschen werden auf Erden schwer geprüft und man sollte deren Aussagen dann nicht als Gejammer abtun, was nämlich von einer niederen Gesinnung und Menschenverachtung zeugt.
Dennoch: Im Kontext der globalen Perspektive gehöre auch ich zu den Glückspilzen. Jeder, der hier schreibt gehört dazu. Wir leben hier in Mitteleuropa auf einer Insel der Seligen - wenngleich auch der materielle Wohlstand durch die Hintertür das psychische Leiden herbeiführt, weil plötzlich klar wird, dass für viele Menschen eben materieller Wohlstand überhaupt nicht ausreicht, um glücklich zu sein. Daher schwebt auch eine dunkle Wolke über dieser Insel der Seligen - ein echtes Paradies kann es nämlich im Diesseits nicht geben.
Der Buddhismus befasst sich explizit mit der Schattenseite des Daseins, aber auch im Christentum wird doch Welt als ein Jammertal dargestellt, als eine gefallene Version der eigentlichen Schöpfung. Insofern sollten doch auch dir solche Gedanken nicht ganz fremd sein.
Im Übrigen sind solche Gedanken auch keine Undankbarkeit gegenüber dem Schöpfer, wie du es dargestellt hast. Jedenfalls nicht solange man trotz all dem Leiden noch daran glaubt, dass überhaupt eine geistige Welt und geistige Wesenheiten existieren, die all dem einen höheren Sinn verleihen. Auch hierzu empfehle ich dir eine gründliche Lektüre des Buchs Hiob. Hiob sagt auch einige üble Dinge, fällt aber nie ganz vom Glauben ab. Das ist meines Erachtens das Entscheidende, dass man trotzdem spirituell am Ball bleibt, auch und gerade wenn es schwer fällt.