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Die Energieblindheit der Menschheit und die Zukunft der Zivilisation
(18-11-2024, 18:26)Ulan schrieb:
(18-11-2024, 18:08)subdil schrieb: Der verweichlichte, verwöhnte Mensch der Moderne sieht in technologischem Rückschritt nur Nachteile. Ich kann da durchaus auch Vorteile erkennen. Die Welt würde in diesem Szenario wieder simpler, einfacher, natürlicher werden.

Das halte ich fuer eine - entschuldige den Ausdruck - naive Utopie. 


Nun, es muss ja gar nicht unbedingt eine Utopie sein. Vielleicht ist es ja eher sogar eine Dystopie, aber eine Rückkehr zur Natur wäre jedenfalls das ultimative Kontrastprogramm zum derzeitigen Lebensstil in der zivilisierten Welt. 

Habt ihr schon mal darauf geachtet, wie viel Energie wir zivilisierten Menschen nur dahinein investieren müssen, unseren Lebensstandard zu halten? Das Gehalt am Ende des Monats muss erarbeitet werden, Einkäufe müssen erledigt, Termine und Fristen eingehalten werden. Der Haushalt muss immer up to date sein, hier und da muss etwas renoviert werden, wer ein Fahrzeug hat, muss dieses unterhalten und bei Bedarf reparieren lassen, die Körperpflege und medizinische Angelegenheiten sind auch nicht zu vernachlässigen usw... . Und all das letztlich wofür? Um ein kleines Zahnrad im Getriebe des kapitalistischen Systems zu sein.

Wieso werden denn trotz unseres materiellen Wohlstandes und unserer funktionierenden Demokratie die politischen Ränder immer stärker? Wieso ist eine eindeutig destruktive Kraft wie die AfD mittlerweile die stärkste Kraft in manchem Umfragen? Es ist vielleicht eine gewagte These, aber ich sage, dass sich darin das unbewusste Sehnen der Bevölkerung nach einer Befreiung vom zivilisierten Leben Ausdruck verschafft. Und ich sage nicht, dass dies in irgendeiner Weise rational oder vernünftig wäre - ganz im Gegenteil - es ist natürlich ein irrationales und unvernünftiges Sehnen. Aber eben genau dieses Gegengewicht zur alles dominierenden Ratio ("ich muss meinen Lebensunterhalt sichern, meine Termine einhalten, mein Auto instand halten" usw...) brodelt im kollektiven Unterbewusstsein schon seit Jahrzehnten dahin und kommt langsam an die Oberfläche. Nochmal: Ich sage nicht, dass das gut ist. Ich beschreibe nur, was ich sehe. Es ist einfach ein Phänomen unserer Zeit, dass sehr viele Leute einfach genug haben vom westlichen Lebensstil als solchem und das zeigt sich dann eben an gewissen Phänomenen im gesellschaftlichen Gesamtbild. 


(11-05-2025, 19:51)Sinai schrieb: Was stellst Du Dir unter "Rückkehr zur Natur" vor ?
Dass die Kindersterblichkeit wieder steigt, dass Menschen nicht mehr alt werden, dass es im Winter wieder kalte Wohnungen gibt und die Menschen in den Wohnungen frieren, eine Lungenentzündung bekommen und Platz frei machen ("survival of the fittest and the youngest") ?

Welche "spirituellen Chancen" sollte das bringen ?


Naja, das mit den spirituellen Chancen war vielleicht etwas zu positiv formuliert. Und es ist auch schwierig zu beschreiben, was ich damit meinte. Da ist die Textform nicht das richtige Mittel. Der Kultfilm Fight Club von David Fincher hat dies ziemlich gut beschrieben. 

Ein kanadischer YouTuber hat es außerdem einmal so formuliert: "People are satisfied, but unhappy". Also die Menschen im kapitalistischen System sind befriedigt, aber unglücklich. Ich denke, das trifft es ganz gut. Ob sie in dem von dir beschriebenen harten Leben in der Natur wohl glücklicher wären? Vielleicht geht es gar nicht darum. Vielleicht sehnen sich die Menschen sogar danach, wieder echte existentielle Probleme anstatt zivilisatorische First World Problems zu haben. 

Auch dieses Sehnen ist natürlich irrational und unvernünftig - aber wie schon oben in meiner Antwort an Ulan gilt auch hier wieder: Gerade das Irrationale, Unvernünftige und Unbewusste ist es ja, was hier gegen die dominierende Ratio ankämpft. Und ich füge nochmals hinzu: Ich sage nicht, dass das gut oder richtig ist, ich beschreibe nur, was ich wahrnehme. 

Selbstverständlich würden sich die meisten Menschen schon nach kurzer Zeit das zivilisierte Leben wieder herbeiwünschen. Aber das bedeutet nicht, dass das Unbewusste, dieses verdeckte apokalyptische Sehnen deshalb im objektiven Sinne falsch lag. Vielmehr sollte man sich von solchen Begrifflichkeiten lösen, wenn man die Tiefenpsychologie der Menschheit analysiert. 

Wohlstandsverwahrlosung, Depression und die sogenannte Anhedonie, also die Unfähigkeit Freude, Vergnügen und Lust zu empfinden, sind reale Größen im modernen Leben und sollten nicht unterschätzt werden. Dies kann helfen, viele ansonsten nicht zu erklärenden Verhaltensweisen der Menschen in unserer Gesellschaft zu verstehen.
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RE: Die Energieblindheit der Menschheit und die Zukunft der Zivilisation - von subdil - 18-05-2025, 17:18

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