28-12-2007, 17:24
t.logemann schrieb:Wir können als geschaffenes Geschöpf das Wesen eines Schöpfers nicht begreifen und definieren dieses Unbegreifliche als "Heilig".Das glaube ich Dir nicht. Wenn ich einem Kind beibringe, dass das Buch der eigenen Religion heilig, das Buch der anderen Religion unheilig ist, dann hat das vor allem etwas mit dem Trieb zu tun, sich in einer überlegenen Wahrheit zu fühlen.
Was ist denn an den alten Sagen so unfassbar? Das wird nur nachträglich hineininterpretiert, weil der Mensch das Bedürfnis hat, sein Gehirn zu opfern. Die Edda-Sagen stammen auch aus alten Zeiten. Unsere Märchen sind auch alt. Altsein ist keine Tugend.
Zitat:Und dort, wo uns das Unbegreifliche begegnet, in Geschichten, in Gleichnissen, in Beschreibungen, dort setzen wir den Begriff "Heilig".Das streite ich ab. Als "heilig" wird angesehen, was schon als "heilig" überliefert wurde. Dass da etwas Unbegreifliches drin zu suchen sei - auf die Idee würde niemand kommen, der nicht schon gelernt hätte, dass da Gott persönlich drin geredet hätte.
Es ist ähnlich wie früher mit dem Familienvater. Es wurde einem das "Gefühl" vermittelt, dass er in einem gewissen Sinn heilig sei, dass er in Notzeiten gut essen müsse, während die Kinder das nicht mussten und zusehen durften.
Seit der Aufklärung, wo das sapere aude (Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen) entdeckt wurde, gibt es immer wieder Rückschläge, immer wieder Versuche, das Gehirn zu vernebeln mit undurchsichtigen Geschichten. In den biblischen Sagen ist nicht mehr Geheimnis als in jedem neugeborenen Baby, dessen plötzliche Existenz einem den Atem rauben kann. Aber das Pochen auf Heiligkeit in selbsternannten Texten kann ich nicht anders als Ergebnis des Machttriebs sehen.
Zitat:So gesehen sind in allen bedeutenden, d.h. in den die Menschheit voranbringenden Texten Fragmente der Heiligkeit -Und wer bestimmt, was die Menschheit "vorangebracht" hat? Haben nicht die Religionen die Menschen in Abgründe gestürzt wie sonst gar nichts? Und das will man dadurch, dass man den Begriff "heilig" nicht loslassen will, immer so weiterführen?
Zitat:sondern auch Begebenheiten die wir mit unserem Wissen nicht erfassen können - und denen wir das Atrribut "Heilig" zumessen.Wer ist jetzt "wir"? Ich tu das bestimmt nicht, und dass die Kirchen zugeben, dass ihre eigenen Grundbücher auf der gleichen Stufe stehen wie die anderer Religionen, habe ich bisher noch nicht erlebt.
Dieses vereinnahmende "wir" will doch genau dies wieder in Nebel tauchen, was der entscheidende Punkt ist: das das, "was wir mit unserem Wissen nicht erfassen können", ans helle Tageslicht muss, damit es nicht finster-brüterisch Menschen in Angst und Schrecken jagen kann.
Ich kann mit meinem Wissen auch nicht erfassen, wie es möglich ist, dass ein Mensch einen anderen foltert. Ist darum die Folter heilig? Spricht man darum von der "Heiligen Inquisition"? Finster, finster, das alles.