t.logemann schrieb:Karla beschreibt hier nichts anderes als den vorherrschenden Materialismus in der Wissenschaft; die einsitige Sicht auf das Materielle. Da hat sie, glaube ich, durchaus Recht.Natürlich hat sie damit recht.
Wissenschaft (genauer: Naturwissenschaft) funktioniert überhaupt nur auf Basis eines materialistischen Weltbildes: Alle materiell-physikalischen Zustände in der Welt sind Veränderungen, die gesetzmäßig aus vorhergehenden materiell-physikalischen Zuständen hervorgegangen sind - so etwa könnte man m.E. (etwas salopp natürlich) die weltanschauliche Haltung beschreiben, die den Naturwissenschaften zugrunde liegt.
Und die naturwissenschaftliche Erklärung eines Phänomens ist eben demzufolge entweder materialistisch - oder es ist keine Erklärung.
Dass man auf dieser Grundlage die Welt ganz und gar begreifen könne, ist aber nach meinem Empfnden eine Haltung, die ihren Zenit schon seit geraumer Zeit überschritten hat.
Die von Karla dargestellten Beispiele sind, soweit ich das einschätzen kann, entweder Schnee von gestern (Behaviourismus) oder aber eine Mischung aus - zugegebenermaßen - recht naivem Wissenschaftsverständnis einerseits und Reaktion auf bestimmte antiintellektuell-wissenschaftsfeindliche Strömungen aus religiösen Kreisen andererseits (Ein Buch wie den "Gotteswahn" von Richard Dawkins beispielsweise kann man nur verstehen, wenn man man sich ein bißchen mit der virulenten Wissenschaftsfeindlichkeit der religiösen Rechten in den USA beschäftigt hat).
Karla schrieb:Dann ist der Mensch nur noch ratio, gesteuert vom Gehirn oder den Manipulatoren, hat keine Autonomie mehr
Wenn man angesichts der - zugegebenermaßen bisweilen etwas aufdringlich wirkenden - Präsenz der Hirnforscher bei der Diskussion um unser aktuelles Menschenbild den Eindruck bekommt, der Mensch würde nun endgültig zur seelenlosen Maschine erklärt, dann übersieht man meiner Meinung nach, dass sich diese Diskussion mit einem Problem befasst, das gleichermaßen alt wie ungelöst ist: Wenn wir uns den "Geist" als eigenständige, nicht-materielle Kategorie von Phänomenen denken - wie haben wir uns dann eine Wirkung des Geistes auf die Materie vorzustellen, wenn doch allem Anschein und aller (naturwisenschaftlich geprägten) Erfahrung nach Materie immer nur von Materie verändert wird?
Das ist eine Frage, die schon seit Jahrhunderten als "Leib-Seele-Problem" diskutiert wird, nie abschließend beantwortet wurde und jetzt einfach nur zugespitzer und vor dem Hintergrund der neuesten Einsichten in den "Leib" sozusagen aktuell formuliert auf dem Tisch liegt.
Und weiter: Natürlich sind die Thesen einiger Hirnforscher recht unangenehm und auch bisweilen vielleicht etwas zu selbstsicher formuliert. Aber es sind nach wie vor Hypothesen, die zur Disposition stehen und sehr kontrovers diskutiert werden. Wenn man etwas genauer hinsieht, stellt man m.E. relativ schnell fest, dass die von Euch kritisierte, allzu vereinfachende "klotzmaterialistische" Haltung eigentlich schon länger kein Mainstream mehr ist und die Akzeptanz von nicht (oder zumindest nicht verlustfrei) reduzierbarer Komplexität (sprich: Vielfalt) in der Welt auch in nicht-religiösen Kreisen viel verbreiteter ist, als es vordergründig vieleicht den Anschein hat.
Karla schrieb:es wächst von naturwissenschaftlich geprägten Menschen der Vorwurf, dass religiöse Menschen einen Defekt im Gehirn habenDieser Vorwurf ist natürlich im Grunde völliger Blödsinn.
Aber mal ganz unter uns, Karla:
Wenn man so manches religiös motivierte Posting liest ... dann denkt man doch bisweilen, es könnte doch 'was dran sein ... oder ? :icon_wink:
Gruß
Sangus

