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zweck und notwendigkeit der kreuzigung
#10
(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: ich lese das so (bitte mich zu korrigieren, wenn ich es falsch verstanden habe):

1) die menschen sind seit dem sündenfall "verloren", also zur postmortalen verdammnis verurteilt

Das ist prinzipiell korrekt. Die Beziehung Gott Mensch und Sünde ist dabei allerdings noch nicht richtig wiedergegeben.

Es ist christlicher Glaube, dass das Böse ist nicht geschaffen, sondern geworden ist! Denn der Schöpfungsbreicht schildert uns erst die Schaffung des Kosmos, des Himmels und der Erde, als "sehr gut" (Gen1, 25) und dann den Sündenfall. Und letzerer ist die allegorische Darstellung der Ursünde, als personale Entscheidung des Menschen für das Böse und damit gegen Gott. Den Verlust der unschuldhaften Beziehung des Menschen zu Gott bezeichnen wir als Erbschuld, die keine, wie oft fälschlich angenommen, persönliche Sünde eines jeden Menschen ist.

Auf eine umfangreiche Darstellung der Metaphern und Allegorien der beiden Schöpfungsberichte sei hier verzichtet, damit könnte man Seiten füllen.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 2) gott kann dem menschen diese verdammnis ersparen, indem er ihm verzeiht

Das ist nur bedingt richtig. Die "Verdammnis" ist biblisch gesehen, natürlich teils in dramatischen Bildreden umschrieben, nichts anderes als ein Leben ohne Gott jetzt und nach dem Tod. Folglich ist Erlösung die wiedererlangte Gemeinschaft mit Gott. Diese Erlösung geht in erster Linie von Gott aus, benötigt aber die personale Zustimmung des Menschen. So wie grundsätzlich jede Verzeihung auch der Annahme bedarf.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 3) das macht gott (obwohl er doch alle menschen so sehr liebt) aus gründen deer selbstachtung nicht einfach so

Was wäre denn einfach so? So das es keiner merkt? Oder das wir am Ende alle mit der Verzeihung überrascht werden? Wenn man die biblische Heilsgeschichte kennt und ihre Verheißungen, dann versteht man zumindest ansatzweise, dass Gottes Handeln ein Handeln an und mit dem Menschen ist. Von der Erschaffung der Welt über seine Selbstoffenbarung zur Erlösung bishin zur Vollendung der Welt.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 4) voraussetzung für dieses verzeihen ist erstens, daß gottes sohn am kreuz zu tode gefoltert wurde, und zweitens,


Das kann man so nur bedingt sagen, auch wenn viele Evangelikale es so darstellen. Ehrlicher Weise muss man nämlich sagen, dass für das Erlösungshandeln Christi nicht nur sein Tod von Bedeutung ist, sondern sein ganzes Leben, beginnend bei seiner Menschwerdung. Die Scholastik des Mittelalter gibt der Incarnation sogar einen höheren soteriologischen Stellenwert als der Kreuzigung. Ihr Argument: ohne die Menschwerdung Christi, wäre sein Tod am Kreuz gar nicht möglich. Und die Annahme des Menschen und seiner Sünden geschehe vor allem in seiner Menschwerdung. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Scholastik die Kreuzigung für belanglos hält. Aber die Kreuzigung wird viel mehr im Zusammenhang des gesamten Pascha-Mysteriums gesehen, nämlich dem letzten Abendmahl, der Kreuzigung und seiner Auferstehung. Insgesamt muss man daher sagen ist die Kreuzigung nur ein Teil dieses Erlösungsgeschehen.

Die Christen waren sich übrigens von Beginn an der Kreuzesproblematik bewusst. Die Antike kennt für die Hinrichtung am Kreuz und das damit einhergehende Verrecken nur einen Ausdruck: mors turpissima (Der schändlichste Tod)! Dazu kommt, dass auch in christlichen Kreisen, das Kreuz zu allererst ein Zeichen der Demütigung war, wenn gleich auch ein Zeichen der Hoffnung.

"Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit." (1 Kor 1, 23f)

Ändern wird sich diese Sicht auf das Kreuz erst in konstantinischer Zeit. In der das Kreuz bzw. das Christusmonogramm im Labarum erstmals zum Siegeszeichen wird. Der Wendepunkt bildet schlussendlich die sogenannte Kreuzauffindung durch Kaiserin Helena. Erst im 4. Jh. wird man also das Kreuz als das eigentliche Siegeszeichen das Christentums bezeichnen.

Damit ist aber die Frage nur bedingt geklärt, warum der Kreuzestod. Die verschiedenen Generationen von Theologen haben darauf unterschiedliche Antworten gegeben. Anselm von Canterbury z.B. wagte die Deutung mittels der sogenannten Satisfaktionslehre, wonach die Schuld des Menschen nicht durch einen Menschen getilgt werden könne, sondern Gott sich für den Menschen aufopfern musste. Von einem notwendiger Weise stattfindenden Kreuzestod spricht auch er nicht. Die heutige Theologie knüpft eher wieder an die alte Bedeutung an, nämlich den Kreuzestod im Gesamtzusammenhang des Lebens Jesu zu sehen. Wenn Gott in seiner Menschwerdung das Menschsein angenommen hat, dann wollte er offenbar bis in die tiefesten Abgründe menschlichen Leids (Kreuzestod als schändlichster Tod) gehen, damit er alles Leid mit sich versöhne. Das Leiden Jesu ist also Mitleid(en) mit dem Menschen. Sogar bis zum Punkt der gefühlten Gottverlassenheit, die wir Menschen so oft kennen.

"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mt 27,46, Mk 15, 34)

Auch das ist keine vollständige Darstellung, sondern nur eine kurzer Erklärungsversuch.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 5) daß sich der mensch, dem verziehen werden soll, zu gottes sohn bekennt

Richtig. Der Glaube an Gott und im besonderen an sein Erlösungshandeln ist die Annahme jener Versöhnung die er erwirkt hat. Als Glaube ist diese daher im besten Sinne freiwillig, weil Glaube nicht erzwungen kann, auch wenn es leider immer wieder den geschichtliche Versuchung zu Zwangsbekehrung gab.

In diesem Sinne ist für mich sehr bezeichnend was Papst Benedikt in seiner Regensburger Rede deutlich machte als er Kaiser Manuel II. Palaiologos zitierte:

"Aber der Kaiser kannte natuerlich auch die im Koran niedergelegten - spaeter entstandenen - Bestimmungen ueber den heiligen Krieg. [...] Der Kaiser begruendete dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. 'Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemaesses Handeln ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Koerpers. Wer also jemanden zum Glauben fuehren will, braucht die Faehigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung... Um eine vernuenftige Seele zu ueberzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann...'.

Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemaesses Handeln ist dem Wesen Gottes zuwider."

(Regensburger Rede von Benedikt XVI.)

Soweit eine knappe Darstellung
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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