16-06-2009, 15:15
Hallo huephab!
Ich habe jetzt eine Weile über diese Frage nachgedacht.
Zum einen komme ich mit den Widerspruch in Deiner Frage nicht klar. Wenn man die Heiligkeit nicht auf eine Schrift projiziert, dann ist es ja keine heilige Schrift mehr. Und dann "glaubt" man auch nicht an sie.
Es gibt moderne Anwendungen des Begriffes "heilig", wo jemand sagt: "Nietzsche ist mir heilig" oder so etwas Ähnliches.
Damit meint man in der Regel nicht, seine Aussagen seien speziell göttlicher Natur, sondern nur:
er hat mir viel gegeben. Gegen ihn lasse ich nichts kommen.
Das kann allerdings sehr leicht umkippen in die Richtung, dass man seine Schwächen nicht mehr wahrnehmen will.
Von einer anderen Perspektive aus zu Deiner Frage:
Das Bedürfnis des Menschen nach fragloser Unterordnung und Gehorsam ist mindestens so verbreitet und vorhanden wie das Bedürfnis nach Macht.
Das Heiligsprechen von Dingen oder Büchern kommt diesem Trieb entgegen, ist vielleicht sogar aus ihm entstanden.
Es ist - in meinen Augen - das uralte Bedürfnis nach Magie. Man meint, manche Dinge verwandeln einen mehr als andere, verschaffen mehr Heil als andere.
Für mich ist das ein Zeichen grundlegender Entfremdung des Menschen von sich selbst.
Nicht umsonst gibt es "heilige Kriege", ein "heiliges deutsches Volk" und Ähnliches.
Raffinierte Menschenkenner appellieren an diesen Instinkt, sich blind irgendwelchen Objekten zu unterwerfen und nennen diese dann "heilig". Viele Menschen reagieren darauf wie der Pawlowsche Hund.
Insofern, huephab, sehe ich nichts als Bedürfnis nach Macht über andere und den Verzicht auf eigene Macht in der Attributzuteilung "heilig" bei Büchern.
Sie sind nicht heilig, sie haben keine Macht. Aber weil der Mensch darauf nicht verzichten mag, beschwört er immer wieder neu die menschlichen Katastrophen der Vergangenheit und schafft die Voraussetzungen dafür, dass sie sich wiederholen.
Und hallo qilin!
Ja, eben genau in diese Richtung denke ich auch. Darauf wollte ich letztlich auch hinaus in dem von mir eröffneten Thread "Religion/"Religiosität". Was genau ist das Gemeinsame, was steckt hinter den äußeren Worten. Was genau denn haben alle diese Menschen begriffen, die von etwas "ergriffen" wurden.
Dass die Mystiker der verschiedenen Religionen sich mühelos untereinander verständigen, ist ja gerade ein Zeichen dafür, dass die Alltagssprache keineswegs das einzig mögliche Kommunikationsmittel ist.
(16-06-2009, 04:29)huephap schrieb: Denkst du dass es heilsmer wäre wenn man zwar an die "heiligen" Schriften glaubt, in sie aber nicht mehr die "Heiligkeit" hereinprojeziert, sondern sie als Richtlinien sehen kann die aber eben nicht das "Ultimative" darstellen?
Ich habe jetzt eine Weile über diese Frage nachgedacht.
Zum einen komme ich mit den Widerspruch in Deiner Frage nicht klar. Wenn man die Heiligkeit nicht auf eine Schrift projiziert, dann ist es ja keine heilige Schrift mehr. Und dann "glaubt" man auch nicht an sie.
Es gibt moderne Anwendungen des Begriffes "heilig", wo jemand sagt: "Nietzsche ist mir heilig" oder so etwas Ähnliches.
Damit meint man in der Regel nicht, seine Aussagen seien speziell göttlicher Natur, sondern nur:
er hat mir viel gegeben. Gegen ihn lasse ich nichts kommen.
Das kann allerdings sehr leicht umkippen in die Richtung, dass man seine Schwächen nicht mehr wahrnehmen will.
Von einer anderen Perspektive aus zu Deiner Frage:
Das Bedürfnis des Menschen nach fragloser Unterordnung und Gehorsam ist mindestens so verbreitet und vorhanden wie das Bedürfnis nach Macht.
Das Heiligsprechen von Dingen oder Büchern kommt diesem Trieb entgegen, ist vielleicht sogar aus ihm entstanden.
Es ist - in meinen Augen - das uralte Bedürfnis nach Magie. Man meint, manche Dinge verwandeln einen mehr als andere, verschaffen mehr Heil als andere.
Für mich ist das ein Zeichen grundlegender Entfremdung des Menschen von sich selbst.
Nicht umsonst gibt es "heilige Kriege", ein "heiliges deutsches Volk" und Ähnliches.
Raffinierte Menschenkenner appellieren an diesen Instinkt, sich blind irgendwelchen Objekten zu unterwerfen und nennen diese dann "heilig". Viele Menschen reagieren darauf wie der Pawlowsche Hund.
Insofern, huephab, sehe ich nichts als Bedürfnis nach Macht über andere und den Verzicht auf eigene Macht in der Attributzuteilung "heilig" bei Büchern.
Sie sind nicht heilig, sie haben keine Macht. Aber weil der Mensch darauf nicht verzichten mag, beschwört er immer wieder neu die menschlichen Katastrophen der Vergangenheit und schafft die Voraussetzungen dafür, dass sie sich wiederholen.
Und hallo qilin!
(16-06-2009, 14:13)qilin schrieb: Hallo Saldo,
Zitat:Das, was in solchen Momenten "zündet" - davon bin ich eigentlich überzeugt -, ist nicht etwas, was nur in der Bibel oder "sonstwo nur" zu finden ist. Es ist etwas, was unabhängig von jeder Religion zünden kann - weil es zu dem Menschen gehört.
...
Das wäre dann fast nur der Unterschied, dass die einen zu dem Ding, auf dem ich gerade sitze, "Stuhl" sagen, andere "chair".
Das wird ja auch von den Mystikern der div. Religionen immer wieder betont, dass
'das Benennbare' eben nicht 'das Wesentliche' ist, so wie in dieser Sufi-Geschichte: [...]
Ja, eben genau in diese Richtung denke ich auch. Darauf wollte ich letztlich auch hinaus in dem von mir eröffneten Thread "Religion/"Religiosität". Was genau ist das Gemeinsame, was steckt hinter den äußeren Worten. Was genau denn haben alle diese Menschen begriffen, die von etwas "ergriffen" wurden.
Dass die Mystiker der verschiedenen Religionen sich mühelos untereinander verständigen, ist ja gerade ein Zeichen dafür, dass die Alltagssprache keineswegs das einzig mögliche Kommunikationsmittel ist.
