09-07-2009, 23:24
Zitat:Ich denke, hier liegt ein grundsätzliches, gegenseitigen Missverstehen der Kontrahenten vor.
Da hast du wohl Recht.
Zitat:Der eine Standpunkt ist die Textkritik, die den Text liest, und eine Bewertung vornimmt. Messlatte ist die heutige Ethik.
Ich denke nicht, dass die damalige Ethik manches, wovon im AT berichtet wird, guthieß.
Zitat:Von diesem Standpunkt ausgehend, erscheint der alttestamentliche Gott ein strafender, ein rächender, ja kriegerischer Gott.
Nicht nur als ein solcher, aber den Eindruck könnte man leicht bekommen.
Aber du sagst also auch, dass mit meiner Lesart des AT diese Deutung zulässig ist und ich mich wegen meiner Lesart nicht als Antisemit beschimpfen lassen muss?
Zitat:Der andere Standpunkt ist in extremer Weise anders!
In sehr extremer Weise.
Zitat:Er geht bewusst oder unbewusst vom Glauben, d. h. von dem in der Gefühlswelt verankerten Heiligen aus, das jeder Mensch in sich trägt. Wird diese innerste Schale angerührt, tut's weh, weil es die Selbstwahrnehmung und das Selbstbild direkt zu verändern trachtet.
Ich denke, jam ist mit einem Glauben "gesegnet", der stark genug ist, über alle Widersprüche und Gewalttaten hinwegzusehen. Somit dürfte seine innere Schale kaum Schaden nehmen.
Zitat:Bei dieser inneren Schale handelt sich um das bekannte Phänomen der Wiedergeburt "im Glauben". Darin steht der Glaubende betend in einem Liebesverhältnis zum heiligen Gegenüber, zu Gott.
Das kann ich nicht nachvollziehen, da ich in keinem Liebesverhältnis mit Gott stehe. Ich kann mir das auch nicht richtig bei anderen vorstellen und möchte mich nicht damit befassen, da dies wirklich ein Phänomen zu sein scheint, dass mir nicht vertraut ist. Ich btrachte Gott lediglich als höhere Instanz, damit der Mensch sich noch vor irgendjemandem zu verantworten hat.
Zitat:Eine im Herzen gefühlsmäßig verankerte Persönlichkeit, Gott, als kalt, berechnend, strafend, kriegerisch (lügnerisch, rächend) aus den längst verarbeiteten und ad acta gelegten Schriften heraus zu lesen, entspricht einem sehr schmerzhaften, aggressiven Erleben,
Das ist meine Lesart der Schriften und diese ist extrem aber die jams ohne Zweifel auch.
Zitat:das wir anderen nicht einfach ignorieren dürfen.
Was willst du damit sagen?
Zitat:Ich kann das teilweise mitvollziehen. Man steht den einfachen Textinterpretationen fassungslos gegenüber. Das dort gezeichnete Gottesbild ist nicht unser Gott, unser Heiligstes. Dieses Bild haben wir hinter uns gelassen. Ich persönlich glaube sogar, dass wir in direkter Opposition zu solchen (Sprach-)Bildern glauben.
Das ist jetzt ein bisschen einseitig, da du wie jam das AT sehr ernst nimmst und auch sonst strikter als ich glaubst (stimmt doch, oder?)
Daher könnt ihr meinen Standpunkt auch nicht so wirklich nachvollziehen, oder?
Zitat:Noch eins kommt hinzu: Glaube ist nur dann von Wert, wenn mein Handeln diesem entspricht. Und deshalb bitte ich alle um Verzeihung, denen ich gelegentlich auf die Füße trete. Es ist alles: Meiner Meinung nach ...
Dasselbe gilt hiermit auch für mich.
Zitat:Verlangen kannst du viel. Doch wenn Beiträge dir weh tun, dann schreit auch dein Innerstes nach Äußerung
Mein Innerstes schreit dann nach Äußerung. Von was? Ich verstehe es an dieser Stelle nicht ganz.
Zitat:Doch, sie fühlt sich angegriffen, weil ihre Seele deine Beschreibung Gottes als Beschreibung ihres Innersten empfindet.
Genau, sie fühlt sich angegriffen, wird es von mir aber nicht.
Ich kann nicht bei jedem Beitrag darauf achten, ob sich irgendjemand möglicherweise mehr oder weniger in irgendeiner komischen Form angegriffen fühlt.
Und solange sich eine Person, die mich als Antisemiten bezeichnet, sich angegriffen fühlt, dann ist mir das noch gleichgültiger als es mir sonst schon wäre.
Zitat: Für sie ist Gott keine äußere Entität, sondern etwas sehr Persönliches.
Ich weiß nicht, was es für sie ist. Sie könnte es gerne schreiben, aber stattdessen fühlt sie sich immer nur angegriffen und befasst sich inhaltlich kaum mit der Thematik.
Zitat:Kierkegaard hat es einmal sinngemäß so gesagt: Glaube ist, was uns unmittelbar persönlich angeht. Und Gott ist zutiefst Glaube
Sehr schöner Spruch. Für mich ist Gott auch zutiefst Glaube; deswegen lasse ich mir auch nicht gerne die Drohung "das Gericht wird kommen"entgegenschleudern.
Zitat:Nun - es geht um gegenseitiges Verstehen von Standpunkten, die extremer kaum sein können: Innen / Außen, subjektiv / objektiv.
Ein schönes friedlicheres Wort zum Schluss.
Dein Beitrag war ausführlich und hat mir sehr dabei geholfen, dass Ganze eher als ein Missverständnis zu sehen. Leider war ich jetzt etwas zu müde um zu ausführliche Antworten zu geben. Und so hat dein Beitrag jetzt eigentlich noch nicht die Würdigung erfahren, die er vielleicht verdient hätte.
Aber das Wichtigste hast du geschafft: Mich zum Nachdenken gebracht, ob wir das hier alles nicht ein bisschen zu ernst nehmen und ob ich mich immer richtig verhalten habe. Ich hoffe, bei gewissen anderen hat dieser gute Beitrag ähnlichen effekt erzielt.
In diesem Sinne, Gute Nacht...