22-09-2009, 11:50
(21-09-2009, 22:20)Ekkard schrieb: Ich hatte geschrieben: “Paulus äußert sich so, dass, wer glaubt, das Gesetz nicht mehr braucht, um gerecht vor Gott zu leben. Und konsequent warnt er davon, den Glauben als Vorwand für Gesetzesbruch (Übeltaten) zu nutzen.
Insofern sind beide Aussagen richtig:
1. Bürdet den (Heiden-)Christen nicht das (jüdische) Gesetz auf, sondern
2. sorgt durch rechte Verkündigung und Ermahnung dafür, dass sie das Rechte glauben.“
(06-09-2009, 18:59)luxdei schrieb: Und da sehe ich einen wenig geglückten Spagat. Denn das rechte zu glauben, führt das zwangsläufig zu rechtem Verhalten?Doch natürlich, denn ich brauche das Bürgerliche Gesetzbuch in den allermeisten Fällen nicht. Erst in den Grenzbereichen, wo ich Menschen um Lohn/Honorar angehen muss, wird die Gerechtigkeit schwierig.
(06-09-2009, 18:59)luxdei schrieb: Wenn ich eine Klammer dafür suchen sollte, würde ich im Gesetz / der Weisung der Nächsten- und Gottesliebe suchen. Aus jüdischer Sicht ist die Liebe die Mitte, die Essenz der Thora. Insofern ist die Erfüllung des Gesetzes ein Ausdruck der Liebe.Das sehe ich genauso. Gesetze regeln Grenzfälle, wo die großzügige Liebe an meine Substanz geht oder umgekehrt. Das Gesetz macht das Leben im Allgemeinen einfacher.
(06-09-2009, 18:59)luxdei schrieb: Aber meines Wissens nach hat Paulus so nicht argumentiert. Oder?Mir ist nicht bewusst, dass er Jesu Worte, das Gesetz erfüllen zu wollen, je in Abrede gestellt hätte. Wenn ich unsere Bibelarbeit um Paulus noch recht im Kopf habe, ging es ihm um einige jüdische Regeln, die außerhalb des Judentums gar keinen Sinn haben: Beschneidung, Essensvorschriften. Diese erzeugen keine besseren, keine gerechteren und keine liebevolleren Menschen! Im NT ist es häufig so, dass man bestimmte Abhandlungen nicht über das betreffende Thema hinaus verallgemeinern darf. Hier geht es nur um diese Äußerlichkeiten. Alles andere ist dem Apostel durchaus selbstverständlich (nicht stehlen, nicht morden, nicht lügen usw.). Ich erinnere nochmals an den ersten Satz!
Sie geben im Wesentlichen die Sicht des NT wieder, doch sehe ich in Ihrer Argumentation eine leichte Unschärfe. Denn nicht alles, was für den Nächsten und für mich gut ist, kann die “Liebe” aus sich heraus erkennen. Dafür braucht es eben kodifiziertes Recht.
Den Nächsten nicht zu belügen, nicht zu bestehlen, die Ehe zu achten, sind Verhaltensregeln, die im Menschen verankert sind. Nur hören eben viele nicht auf diese “innere Stimme”. Was aber das Gewissen uns nicht ohne Weiteres als verbindliche Regel erkennen lässt, sind z.B. - ich wiederhole mich - das Ruhetagsgebot und die Reinheitsvorschriften. Nun könnte man meinen, dass Paulus in seinem Brief an die Kolosser die Beachtung “jüdischer” Regeln geradezu verbot. Aber stimmt das? Kol. 2,16-17: “So lasst euch von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank und wegen eines bestimmten Feiertags, Neumondes oder Sabbats.
Das alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen; leibhaftig aber ist es in Christus.”
Zunächst: Das Wörtchen “nur” erscheint im Griechischen nicht. Und wenn es sich bei den hier genannten Feiertagen um “jüdische” handeln sollte - die Übersetzungen sind ziemlich unsicher - , dürften z.B. das Pessach- und Pfingstfest nicht gemeint sein. Denn diese beiden Feste symbolisieren nicht Zukünftiges, sondern Ereignisse der Vergangenheit von ungeheurer historischer Bedeutung. Was aber die übrigen Festtage angeht, die “ein Schatten des Zukünftigen” sind: Darüber lohnt es sich mal Gedanken zu machen. Denn wie nach Apk. 11 der Aufbau des Tempels symbolische Bedeutung für die Zukunft hat, haben dies auch die Feiertage. Denkbar aber ist, dass einige Gemeindemitglieder an den bei den Juden an solchen Feiertagen üblichen Ritualen teilnahmen, die entweder nicht mehr zu beachten waren oder auf menschliche Traditionen zurückgingen.
Kol. 2, 20-23: “Wenn ihr nun mit Christus den Mächten der Welt gestorben seid, was lasst ihr euch dann Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt:
Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren?
Das alles soll doch verbraucht und verzehrt werden. Es sind Gebote und Lehren von Menschen,
die zwar einen Schein von Weisheit haben durch selbstgewählte Frömmigkeit und Demut und dadurch, dass sie den Leib nicht schonen; sie sind aber nichts wert und befriedigen nur das Fleisch.”
Die Reinheitsgebote des AT können hier nicht gemeint sein. Denn gem. 3. Mose 11,1 sind diese Bestimmungen keineswegs auf menschliche Traditionen zurückzuführen: “Und der HERR redete mit Mose und Aaron und sprach zu ihnen:”. Diese kann Paulus also nicht gemeint haben, übrigens auch an keiner anderen Stelle seiner Schriften.
Worin sollte nun also die “Freiheit” bestehen, von der Paulus in seinem Brief an die Galater 2,4 spricht? Dass die Gemeindemitglieder heidnischer Herkunft anstelle eines Hähnchens einen Storch braten durften? Oder sich nicht an den wöchentlichen Ruhetag gebunden fühlen mussten, sich statt dessen an jedem beliebigen anderen Tag zusammen finden konnten? Wer dies bejaht, verkennt die Größe Paulus’.

