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Der Unterschied zwischen christlichem Glauben und Religion
#21
(30-10-2009, 10:39)melek schrieb: Ich meine es genau so, wie ich es geschrieben habe, und es gilt auch für Atheisten.

Über diese Religionsdefinition kann man sicherlich streiten, aber ich finde sie sehr sinnvoll.

ich nicht

der ständige gebrauch von dem allgemeinen sprachverständnis widersprechenden privatdefinitionen ist für eine konstruktive diskussion imho nicht zielführend

Versuch einer

Definition von Religion

Eine Religion ist

ein Symbolsystem von sakralen (heiligen) Überzeugungen und Praktiken (Riten, Kult),
die vom Alltäglichen (Profanen) abgesondert sind,
von ausgewählten Amtsträgern (Priestern, Schamanen) an heiligen Stätten (Tempeln, Kirchen, Moscheen, Wallfahrtsorten usw.) vermittelt bzw. durchgeführt werden und
die Menschen zu einer Gemeinschaft (christlich: 'Kirche', islamisch: 'Umma', usw.) zusammenführen und zusammenhalten.
Dieses Symbolsystem zielt darauf ab, starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen (Staunen, Faszination und Ehr-Furcht) und Motivationen in den Menschen zu schaffen,
indem es unhinterfragbare Vorstellungen einer allgemeinen, verpflichtenden Seinsordnung sowie Verbote (Tabus) formuliert und Übertretungen mit Sanktionen (Strafen) bedroht,
damit das Chaos bändigt , und die Moral (das richtige Verhalten) festigt und
das Unkontrollierbare (Angst auslösende!) in eine Art von Kontrolle überführt, aber letzlich doch auch wieder unkontrollierbar beläßt.
Sie umgibt diese Vorstellungen mit einer solchen Aura (Ausstrahlung) von Faktizität (Tatsächlichkeit), daß
die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen, so daß
sie von den Menschen als ebenso wahr angenommen werden (Glauben), wie im Alltag nachprüfbare Erfahrungen.

In dieser Definition [Begriffserklärung] habe ich versucht, die wesentlichen Aspekte von Religion zusammen zu fassen, wie sie von verschiedenen Religionswissenschaftlern des 20. Jahrhunderts (Emile Durkheim, Clifford Geertz, Fritz Stolz, Rudolf Otto) formuliert worden sind. Es erscheint mir dabei gerade wesentlich, sowohl substanzielle (d.h. das 'Wesen' der Religion beschreibende) wie auch funktionale (d.h. an den 'Auswirkungen' der Religion auf die Gesellschaft interessierte) Elemente miteinander zu kombinieren

...

Ich lasse hier die wichtigsten verwendeten Definitionen im originalen Wortlaut folgen:

Clifford Geertz
"Eine Religion ist
(1) ein Symbolsystem, das darauf zielt
(2) starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen in den Menschen zu schaffen,
(3) indem es Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und
(4) diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, daß
(5) die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen."
(Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, 1983).

Emile Durkheim
"Eine Religion ist ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige, d.h. abgesonderte und verbotene Dinge, Überzeugungen und Praktiken beziehen, die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft, die man Kirche nennt, alle vereinen, die ihr angehören. Das zweite Element, das in unserer Religion auftaucht, ist nicht weniger wichtig als das erste; denn wenn man zeigt, dass die Idee der Religion von der Idee der Kirche nicht zu trennen ist, dann kann man ahnen, dass die Religion eine im wesentlichen kollektive Angelegenheit ist."
(Emile Durkheim, Die elementaren Formen des religiösen Lebens, (franz. 1912), Frankfurt: Suhrkamp 1994, S. 75)
(Klassische funktionale Definition von Religion)

Fritz Stolz (Zürich, 1942)
"Überall steht der Mensch vor der Aufgabe, seine Welt, die offen und nicht festgelegt ist, zu ordnen und zu kontrollieren; überall ist er mit Mächten konfrontiert, die sich dieser Kontrolle entziehen (seien es nun Mächte der Natur, einer entgegengesetzten politischen Ordnung, des unkontrollierbaren kontingenten (zufälligen) geschichtlichen Ablaufs oder auch innerpsychischer Erfahrung); an dieser Stelle sind die religiösen Probleme angesiedelt. Es geht darum, dem Bereich des Unkontrollierbaren eine Form zu geben, mit der sich umgehen lässt. Dabei wird einerseits Unkontrollierbares in die Kontrolle überführt, andererseits aber auch wieder belassen; Religion leistet also eine gleichzeitige Darstellung der unkontrollierbaren lebensbestimmenden Mächte und der kontrollierbaren Lebensordnung, die darin gründet. Dadurch ergibt sich eine grundlegende und umfassende Orientierung des Menschen - eine Orientierung, derer er als 'Mängelwesen' bedarf. Religion gehört also zum Wesen des Menschen."
(Grundzüge der Religionswissenschaft, 1988, S. 32-33)


http://religion.geschichte-schweiz.ch/religion.html
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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RE: Der Unterschied zwischen christlichem Glauben und Religion - von petronius - 30-10-2009, 10:47

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