22-02-2010, 13:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22-02-2010, 14:03 von Hikikomori.)
(20-02-2010, 21:45)Gundi schrieb: Er hat gesagt dass wenn man die Bibel als moralische Grundlage nimmt, man heute noch steinigen dürfe. Damit greift er doch aber lediglich den Fundamentalismus an, welcher die Bibel so nimmt wie sie geschreiben steht.
Er geht also schon sehr einseitig vor.
Das Problem ist aber dass das Thema Religion nicht so einfach in einem Beitrag abgearbeitet werden kann und das ein Diskurs in diesem Zusammenhang unumgänglich ist.
Ich kenne Dawkins nur aus solchen Beiträgen. Und das was ich da höre weckt nicht gerade das Interesse bei mir, seine Bücher zu lesen einfach weil er viel zu sehr verallgemeinert.
Nein natürlich nicht. Aber ich habe bisher nie von ihm gehört, dass er bei seinen Überlegungen differenziert. Du hast recht, er geht lediglich den Kreationismus und Fanatismus an. Aber er bringt es so rüber als wäre der Kreationismus die einzige Form religiösen Glaubens und auf die stürzt er sich.
Das es eben auch Gläubige gibt, die die Evolutionstheorie anerkennen und den Naturwissenschaften vertrauen, kommt in seinen Beiträgen nie vor. Das fördert aber keine sinnvolle Diskussion über Religion.
Weil er sich, wenn er es nicht tut, nicht von den Ideen unterscheidet die er selbst angreift. Außerdem kann das auch nicht auf jeden Glauben bezogen werden.
Nein, da hat er recht. Aber wenn ich bei meinen Reden immer nur das Schlechte von Religion heranhole und niemals die guten Seiten, dann entwickle ich damit ein Bild welches nun mal so nicht für jeden Glauben stimmt.
Den Kritikpunkten die er am Fundamentalismus herausarbeitet stimme ich ja auch zu. Aber es wäre wünschenswert das Herr Dawkins nicht alle Religionen und Gläubigen in einen Topf wirft und differenzierter vorgeht. Das Thema Religion ist doch so komplex.
Wie gesagt, ich kenne ihn nur aus Beiträgen, aber bisher weckt er überhaupt nicht mein Interesse für seine Bücher. Zum einen, weil mein Glaube ein völlig anderer ist, als der den er angeht. Zum anderen weil ich denke dass er mir keine wirklich neuen Erkenntnisse bringen könnte. Wie seltsam der Fundamentalismus ist weiß ich auch so schon. Ich denke auch in seinen Büchern wird er lediglich den Fundamentalismus angreifen (was aber auch nicht wirklich schwer ist) es aber so darstellen als sei das für alle Religionen so, ohne innerhalb der Religionen zu differenzieren.
Du beschuldigst Dawkins nicht zu differenzieren, aber eigentlich tust Du genau das was Du ihm vorwirfst. Du sagst er würde "immer nur das Schlechte heranholen", er wäre "einseitig" und würde sich "nicht von Ideen unterscheiden die er angreift", womit Du wohl, mit "Ideen" auf den Fundamentalismus abzielst.
Du differenzierst kaum bis gar nicht, er tut das sehr wohl. Er sagt nur nicht in jedem Satz in dem er Religion als Konzept insgesamt kritisiert und seine Gefahren und Abgründe aufzeigt differenzierende "aber"s wie "aber natürlich gilt das nur für den Fundamentalismus", oder "aber natürlich gibt es auch Gläubige die von dieser Kritik kaum bis gar nicht betroffen sind", aber wenn man ihn liest oder genau zuhört anstatt nur einzelne Satzfetzen herauszugreifen wird einem sofort klar daß diese "abers" immer mit eingeschlossen sind.
Es wäre in der Tat in höchstem Maße sowohl rücksichtsvoll als auch redunant und gefährlich für die Botschaft so etwas andauernd von sich zu geben, der einzige Grund dafür wäre daß er ein sehr hohes Bedürfnis verspürt jederzeit klarzumachen, in jedem Satz und jeder Rede, daß gemäßigte, liberale, nachdenkliche und kritische Gläubige von seiner Kritik nicht direkt betroffen sind.
Aber es würde auch die Gefahr schüren daß sich Gläubige und Religionen die sich für gemäßigter, liberaler, nachdenklicher und kritischer sich selbst gegenüber halten als sie es auch tatsächlich sind -und seien wir ehrlich von diesen Heuchlern gibt es eine Menge- sich zurücklehnen können und sich selbst von der Kritik ausnehmen. Es würde ebenso die Gefahr bestehen daß Menschen die nicht wirklich wissen was religiöser Fundamentalismus wirklich ist, zum Beispiel hier in Europa wo kaum jemand glaubt es gäbe Fundamentalisten jenseits von Haßpredigern in Moscheen und Schläferzellen, die Kritik als nicht auf das hier und jetzt sondern vielmehr auf das früher und woanders bezogen wahrnehmen.
Sieh Dir doch den Thread von Witch of Hope an in dem Sie von Ihrer Nachbarin erzählt die scheinbar eine solche religiös und sozial induzierte Abscheu vor Homosexuellen und Andersgläubigen hat daß sie es kaum erträgt in ihrer Nähe zu sein und diese Abscheu durch Missionierungsversuche und Meidung auch, vielleicht mehr unbewußt, ungeniert ausdrückt.
Das ist Fundamentalismus. Viele Menschen assoziieren mit dem Begriff lediglich den latent oder offen gewaltbereiten islamischen Fundamentalismus, oder generell(er) den gewaltbereiten Fundamentalismus jedweder Religion, oder dem aktiv in politische Einflußnahme ausgedrückten fundamentalistischen Verhalten mancher radikaler Gruppierungen, beispielsweise die evangelikalen "Megachurches" in den USA die versuchen eine Gesetzgebung gegen Homosexuelle, Nichtchristen und des von ihnen als falsch empfunden Gebotes der Trennung von Staat und Religion durchzubringen.
Fundamentalismus fängt aber nicht erst mit Gewalt oder mit versuchter Einflußnahme im großen Maßstab an, noch nicht einmal in Maßnahmen gegen einzelne wie einen homosexuellen Sohn.
Fundamentalismus liegt dann vor wenn gewisse Überzeugungen unverrückbar, undiskutierbar, unveränderbar oder grundlegend für alle oder viele Entscheidungen werden, vor allem sobald diese Überzeugungen potentiell zu Lasten von Mitmenschen gehen.
Laß mich ein weiteres Beispiel bringen, und vorrausschicken daß ich weiß daß diese Analogie zu einem recht hohen Grad unfair gegenüber liberalen Gläubigen ist.
Niemand erwartet von Menschen daß sie jedesmal wenn sie Nationalsozialismus oder Stalinismus kritisieren auch zwanghaft nach den guten Seiten suchen, die beide Konzepte in der Theorie und vielleicht auch in der Praxis sicherlich auch gehabt haben. Es wird im Gegenteil sogar als ein deutliches Signal für Revisionismus und heimlichen oder unterbewußten Antisemitismus gesehen wenn jemand versucht gute Seiten an diesen Gesellschaftskonzepten zu finden.
Mir ist klar daß, vor allem heutzutage in Europa, die Religion viel mehr gute Seiten hat als beispielsweise der Nationalsozialismus selbst in der wohlwollensten noch halbwegs als objektiv bezeichenbaren Sicht auch nur theoretisch für sich reklamieren kann.
Aber als Konzept muß sich Religion zuallererst, genauso wie der Nationalsozialismus, in ihrer Gesamtheit sowohl in historischer als auch in der Gesamtheit der unterschiedlich manifestierten Ausprägungen ihrer selbst kritisieren lassen. Es ist nicht die Aufgabe eines Religionskritikers andauernd zu sagen "...aber natürlich...", es ist eigentlich die Aufgabe -oder sollte zumindest sehr stark in ihrem Interesse liegen- von liberalen Gläubigen Dinge zu sagen wie "...ja da und da und da hat er Recht, dies und das sind die Gefahren, davor müssen wir uns hüten, diese und jene Werte sollte Religion vermitteln wenn sie sich dessen nicht schuldig und der Kritik würdig machen will, arbeiten wir daran daß mehr und mehr Gläubige als nur wir hier sich dessen bewußt sind, hier und da trifft seine Kritik auf uns gar nicht zu..."
Ich denke Dawkins hat öfter differenziert als er umgekehrt differenziert betrachtet wurde, er hat öfter gesagt "...aber natürlich..." als ich von Gläubigen über seine Arbeit Aussagen gehört habe wie sie die Satzwurst im oberen Absatz einige enthält.
Lieber werden aus einem ablehnenden Schutzreflex heraus Dinge gesagt wie "Dawkins ist ein Zündler der nicht differenziert und den ich nicht lesen werde."
Wie differenziert kann man da denn sein?