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Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte
#60
(02-01-2011, 23:52)anna4 schrieb: Soweit ich nachlesen kann, gibt es in der islamischen Koranexegese (das ist natürlich, wie schon zugestanden, was anderes als westliche Islamwissenschaft) eine besondere Gattung (asbab an-nuzul), die die historischen Gründe der Offenbarungen beleuchtet.

Die Offenbarungsveranlassungen (asbāb an-nuzūl) sind Aufzeichnungen, die nach Angaben früher Muslime gemacht wurden. Sie sind vornehmlich Hadith-Sammlungen und biographischen Schriften über Mohammed entnommen und füllen viele Bücher.

Anna4 schrieb:Mich würde auch wundern, wenn die Sira und Maghazi-Literatur nicht auch in Bezug auf deren koranische Hintergründe nur in Ankara diskutiert und studiert wird.

Natürlich werden die "Offenbarungsveranlassungen" überall in der islamischen Welt diskutiert. Aber historisch-kritisch werden die koranischen Texte, soweit mir bekannt ist, nur an westlichen Universitäten und an der Universität Ankara untersucht.

Auch die Texte zum Leben Mohammeds werden diskutiert, allerdings auch nicht in einer, der modernen Geschichtsforschung adäquaten Art und Weise.

Vier Werke sind es, denen die wichtigsten biographischen Angaben über Mohammed zu entnehmen sind: die Sīra (Biographie) des Propheten von Ibn-Hišām (eine Überarbeitung des Werks von Ibn Ishāq), das Kitab al magāzī (Geschichte der Kriegszüge) von al-Wāqidī, die Tabaqāt (Generationen) von Ibn Sa'd und das Ta'rīkh (Annalen), at-Tabarīs umfassende Weltgeschichte.

Diese Werke wurden über die Jahrhunderte (und in den meisten muslimischen Lehranstalten heute noch) mit exegetisch-dogmatischem (und nicht mit historischem) Interesse gelesen und besprochen. Die Sīra ist keine selbständige historische Quelle, sondern vornehmlich biographisch aneinandergereihtes Hadith-Material. Die Einzelhadithe aber sind entweder exegetische Ausgestaltungen der koranischen Rede oder dogmatisch-juristische Erfindungen, die in späterer Zeit anlassbezogen entstanden sind.


Anna4 schrieb:
Bion schrieb:Den Muslimen war bekannt, dass die Verse nur Geltung hatten, solange gegen Ungläubige des eigenen Stammes zum Zweck der Wiedergewinnung der Kaaba als Kultstätte Krieg geführt wurde.

Dazu schrieb ich:

Die These allerdings, daß sie dadurch ihr für die Normative exemplarischer Charakter aufgehoben sei, kann ob des völligen Fehlens einer Begründung und der Außerachtlassung anderer überlieferter (auch koranischer) Verlautbarungen Mohammeds zur Krieg und Kriegsführung nur völlig absurd erscheinen.

Bitte berichtige mich, wenn ich das - wie eben wiederholt - falsch verstanden habe.

Alle Offenbarungen zu Kriegshandlungen waren anlassbezogene "göttliche" Weisungen, wie sich der Gläubige "in der angesprochenen Sache" zu verhalten habe. Den Gefährten und der Generation nach Mohammed waren diese Bezüge noch in Erinnerung.

Durch die Rechtsschulen wurde solche Offenbarungen über den Anlassfall hinaus verbindliche Norm.

Anna4 schrieb:
Bion schrieb:Deine ersten Gegenargumente waren: "Eine Hirnverschlingung zu viel", was ich als Unfreundlichkeit empfunden habe,

Tut mir wirklich sehr leid, das war ganz bestimmt nicht so gemeint - im hiesigen Berliner Idiom ist das zwar keck bis vorlaut, aber bestimmt nicht unfreundlich. Es war kein Gegenargument, sondern als Herausforderung gedacht, eine Begründung nachzureichen.

In Ordnung!

Anna4 schrieb:Wieso sollten die Muslime dieser und späterer Generationen (über den bestreitbaren Anlaß hinaus) das ausschließlich in Bezug auf Mekka gesehen haben, wenn doch vorher (gegen die Juden und arabischen Stämme um Medina), wie nachher (bis nach Tabuk) der Prophet das selbst ziemlich generell vorexerziert hat

Als die Verse 2,190-193 offenbart wurden, hatten Vertreibung und Massaker an den jüdischen Stämmen noch nicht stattgefunden.

Zum Vorgehen Mohammeds gegen die jüdischen Stämme in Medina (auch zu Tabuk) wäre es nötig, ein separates Thema zu eröffnen.

Anna4 schrieb:Wer den Islam nicht annimmt, hat mit Krieg oder Erpressung zu rechnen. Suren 22, 48 und 9.

Auch darüber können wir diskutieren, wenn Du es wünscht.

Anna4 schrieb:Ich würde es bedauern, wenn wir die möglichen Mißverständnisse zwischen uns nicht bereinigen könnten.

Ich denke, dass wir es schaffen werden, ein kultiviertes Gespräch zu führen.
MfG B.
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RE: Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte - von agnostik - 29-12-2010, 15:26
RE: Der Koran als Quelle frühislamischer Geschichte - von Bion - 03-01-2011, 16:09

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