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Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV?
#31
"Irgendwo" habt Ihr ja alle Recht...

Ich habe mal eine ganze Zeit "nebenbei" als Verfahrensbevollmächtigter gemäss § 14 VwVfG gearbeitet - zu mir kamen erst Sozialhilfeempfänger/innen, später von Hartz IV-Betroffene, die sich schlichtweg keinen Anwalt leisten konnten. Zwar gibt`s in Deutschland üblicherweise Prozesskostenhilfe - aber auch nur, wenn das über die Prozesskostenhilfe entscheidende Gericht der Meinung ist, eine Klage hätte Aussicht auf Erfolg - und wenn der Mensch ggf. bis zum BVerfG klagen muss, um nachzuweisen dass eine Verwaltungsanordnung, eine Teilbereich eines Gesetzes oder ein Gesetz in seinen Ausführungsbestimmungen verfassungswidrig ist - dann hat der Mensch ein finanzielles Problem. Denn nach dem deutschen Recht musste erstmal alle dre Instanzen (Amtgericht, Landgericht, Oberlandesgericht) durchlaufen, bevor Du Dich an das Bundes(sozial)gericht und das BundesVerfassungsgericht wenden kannst. Und wenn das Amtsgericht nun sagt: "Pustekuchen, in den ersten drei Instanzen keine Aussicht auf Erfolg" - dann bleibts bei der Rechtswidrigkeit eines Gesetzes oder eine Ausführungsbestimmung. Eingaben beim BVerfG dauern Jahre, Jahrzehnte - bis die Erfolg haben, ist der Hartz-IV-Empfänger verhungert... Ich kenne mich also mit der Materie aus, ich habe übrigends auch schon 2 Jahre lang Hartz IV beziehen müssen...

Das mit dem "sozialen Netz" Lhiannon, ist ja ne schöne Sache....: In Berlin bekommt ein Hartz IV-Empfänger eine "Sozial-Monatskarte" für die BVG und die S-Bahn. Die kostet 35.- € im Monat - im Regelsatz des Hartz-IV sind aber nur 19,93 € für Verkehrsleistungen vorgesehen...(die Abonnementkarte kostet für Normalverdiener 60.- €/mtl.). Berlin hat eine Ost-West-Ausdehnung von 80km, eine Nord-Süd-Ausdehnung von 45km... zu Fuss oder nur mit dem Fahrrad biste da bei Wind und Wetter bald aufgeschmissen. D.h.: 15,07 € gehen von Deinem Essen, Deinem Kleidungsbedarf ab - für die BVG. Ebenso wie in anderen Städten auch hat Berlin für Hartz IV-Empfänger eine Strompauschale im ALG II: 16.- € mtl. Die billigsten Anbieter (wakker-strom, Flexstrom und Yellow-Strom) verlangen aber zwischen 28.- € und 32.- € mtl. Abschläge. Die zusätzlichen 12.- € bis 16.- € gehen also vom Essen, von der Kleidung ab....Besonders erschwerend für Hartz IV-Empfänger kommt hier hinzu, das im Ost- wie im Westteils Berlins die billigsten Wohnungen Altbauten sind - und diese haben meistenteils eine über Durchlauferhitzer "geregelte" Warmwasserversorgung. Das heist für den Hartz IV-Empfänger: Strom ist sauteuer - also ist nix mit jeden morgen duschen - alle 4 Tage muss reichen....

Es-Bundeskanzler Schröder hat den Spruch vom "Fordern und fördern" geprägt: "Fordern" heisst hier: 1. Der Hartz-IV-Empfänger hat jeden Monat mindestens 20 Adressen vorzulegen, bei denen er sich um einen Job bemüht hat. Die Mehrzahl der Firmen, die in den Anzeigenblättern inserieren, haben Kontakttelfonnummern, die mit "01805..." anfangen. Im Klartext heisst das: 2 Minuten Warteschleife, die Minute zu 60 Cent bis hoch 1,80 Cent... Da nutzt eine Telefon-und Internetflatrate von max 29.- € mtl auch nix...die Flatrate deckt keine 01805-Nummern ab... mir einem Prepaid-Handy kann man sowas gleich vergessen und Internetcafe`s sind für 01805 und 0900 Nummern gesperrt. Berrlin hat eine Arbeitslosenquote von etwa 18%, in Leipzig sind es 20%, im Landkreis Bitterfeld 22%, im Ruhrpott bis zu 24% - das produzierende Gewerbe stirbt in Deutschland langsam aus... Hier die Leute mit "Meldezettel zur Jobvorsprache" loszuschicken ist eine reine Verarschung.... Also geht man dazu über, den Leuten eine "Fördermassnahme" zu verpassen - wer über 50 ist, muss dem europäischen "Computerführerschein" machen....Nun gibt`s sicherlich Menschen, die keine Ahnung von IE 5,6,7 haben, die keinen Firefox, kein Mozilla, kein outlook, kein Pegasus kennen. Es gibt sicherlich Leute, die nicht wissen wie sie Debian oder Windows installieren, wie man eine Webside baut, wie man Open-Office, Open Calc, aber auch MS-Office, MS-Excel oder TM/BM/PM bedient. Das alleine zu wissen schafft aber noch lange keinen Arbeitsplatz im Büro... - für`s Jobcenter egal - Hauptsache man hat die Leute drei Monate in einer "Weiterbildungsmassnahme" untergebracht. Und für die angegliederten Agenturen - auch egal, die kriegen ihr garantiertes Monatsgeld anhand der Teilnehmeranzahl zu unsinnigen Kursen... und was danach passiert, interessiert die nicht. Letztlich bleibt der berühmte "ein-€-Job" übrig.... eigentlich für "zusätzliche gemeinnüztzige Arbeit" reserviert. Faktisch jedoch werden die Menschen da als Büroboten in der Verwaltung eingesetzt - und die vorher eigentlich zu besetzenden Planstellen für Arbeiter werden gestrichen - ein-€-Jobber sind billiger...
Hat dann jemand Glüch und bekommt eine "befristete Massnahme" (früher ABM genannt), dann ist die auf 11 Monate beschränkt - bei 12 Monaten hätte man wieder Anspruch auf ALG 1 und das ist zu vermeiden; ALG 2 ist ja für die Bundesagentur letztlich "billiger"....

Und wenn einmal Arbeitsabgebote vermittelöt werden - müssen die spätesten beim dritten Vermittlungsangebot angenommen werden - mit fatalen Folgen: Der Industriemeister Maschinenbau muss als Hilfsschlosser arbeiten und in Kauf nehmen, mit 700.- € netto nach Hause zu gehen (und bekommt dann noch 150 € vom Arbeitslosenamt dazu... obwohl er eine Qualifikation hat, die alle seine Kollegen in den Schatten stellt). In Hamburg haben die von einem Gehbinderten verlagt, zu seiner Arbeit HINZULAUFEN, nur damit sie den Mann aus der ALG-II Statistik `rauskriegen. In Mannheim haben die verlangt, das eine Frau ihren Job kündigen muss und sich einen bessder bezahlten Job suchen muss - damit die Zuzahlung für den kranken Ehemann nicht mehr vom Arbeitsamt geleistet werden muss....(die Frau war 57, der Mann 62...).

So ist im groben die Situation - und da sollen die Leute noch die Kraft haben, ein soziales Netz aufzubauen? Von den pekunären Voraussetzungen für ein solches Netzwerk mal ganz zu schweigen...

Die Resignation, die Lea da angesprochen hat, ist nachvollziehbar. Und ohne dass sich dessen die Menschen bewusst sind: Hartz IV im Alter kannste nur noch durch den Suff ertragen - dann giltste nämlich als "alkoholkrank" und bist weder für Fortbildungen, noch für ein-€-Jobs zu gebrauchen.... Ausserdem stirbste früher und hast das Elend hinter Dir...

Ich weiss ja nicht wie es bei den ökumenischen Gemeinden ist - was aber freie Verbände und Vereine angeht, die nicht kirchlich gehalten oder organisiert sind - da stimm`ich Fritz zu: meistenteils selbstzufriedene Organisationen die erstmal darauf achten, das eigene Schäfchen in trockene Tücher zu packen... (gilt leider übrigends auch für "meine" Baha´i). Die wenigen, die tatsächlich was machen - Treberhilfe, "warmer Otto", aber auch "Arche", die Tafeln, Suppenküche der Franziskaner, Synanon (Selbsthilfeinitiative gegen Drogen und Alkohol in Berlin) kämpfen um jeden viertel Cent, um jeden Tropfen Sprit für ihre Fahrzeuge, um jeden Schlafplatz für Obdachlose....


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RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von Lhiannon - 06-04-2008, 11:32
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 06-04-2008, 19:51
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 07-04-2008, 15:22
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 07-04-2008, 16:31
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 07-04-2008, 18:02
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 08-04-2008, 23:05
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RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 10-04-2008, 12:32
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 10-04-2008, 16:48
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von Lhiannon - 11-04-2008, 20:08
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 14-04-2008, 09:48
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 15-04-2008, 13:13
RE: Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV? - von t.logemann - 17-04-2008, 18:16

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