(25-05-2014, 22:52)Gundi schrieb: Kannst du mir dann, wenn nicht zu privat, eine Geschichte aus einer heiligen Schrift nennen und mir sagen inwieweit sie deine "erlebte Realität" wiederspiegelt bzw. welchen Mehrwert du aus ihr ziehst?Der grundsätzliche Irrtum über den Glauben lautet: Zwang. Das Gegenteil ist richtig. Eine Gemeinde lebt vom gemeinschaftlichen Gleichklang, Ideale gemeinsam anzustreben, das Leben gemeinsam zu führen usw. Ein unangepasstes Verhalten führt darin natürlich zur Außenseiterposition. Der gemeinsame Glaube, ja auch die gemeinsame Mythologie beeinflusst uns natürlich in Richtung der Gemeinsamkeiten, der gemeinsamen Ideale. Aber das ist nicht mehr, als unsere Zivil-Gesetze von uns verlangen. Die sind ja auch weniger Zwang als die Verteilung und Verteidigung von Rechten - insbesondere anderer.
Die Ideale schlagen sich in den Geschichten nieder. Nehmen wir das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, die pikanter Weise von einem Juden, Jesus, erzählt wird:
Jemand fällt unter die Räuber und bleibt schwer verletzt liegen. Einige fromme Leute eilen ihren Geschäften nach oder müssen zur Synagoge. Nur der Samaritaner bleibt stehen, erfasst die Situation und organisiert Hilfe. Dazu muss man wissen, dass die Leute aus Samaria bei den Juden nichts galten, weil sie nicht alle die strengen Regeln aus Levitikus achten. Die (jüdischen) Zuhörer müssen erkennen, dass einzig dieser verachtete Mensch die Gebote Gottes erfüllt, nämlich sich um den Not Leidenden zu kümmern.
(25-05-2014, 22:52)Gundi schrieb: Verabschiedet man sich aber von dem Gedanken an einen real existierenden Gott, so bleibt imho nicht mehr wirklich viel übrig. Denn alles wurde in diesen Geschichten über Gott erklärt, jedes Verhalten mit Gott gerechtfertigt.Auch hier herrscht offensichtlich Unklarheit über das Wort "existieren". Gott existiert nicht in einer Weise, die man empirisch austesten kann. Aber es existieren eine Reihe gesellschaftsdynamischer Prozesse, die uns zu "Menschen in Gemeinschaft" machen, ziemlich exakt so, wie Geschichten z. B. der Bibel dies tun (s. o.).
(25-05-2014, 22:52)Gundi schrieb: Was können diese Geschichten noch bewirken, wenn Gott wegfällt?Fällt ER wirklich weg - oder haben wir nur falsche Vorstellungen?
(25-05-2014, 22:52)Gundi schrieb: Die Geschichten sagen ja eben nicht: Handle so und so, weil es der Gesellschaft hilft.Ich meine schon, dass die Glaubensgeschichten ausschließlich vom Menschen reden. Da wo Eigenschaften Gottes beschrieben werden, handelt es sich um Hilfsvorstellungen, quasi Verpackung. Leider ist im Laufe der Zeit die "Verpackung" zu wichtig geworden, weil die Menschen sich ihres Glaubens zu versichern versuchen. Sie halten sich damit die Zweifel vom Leib. Beide, Glaube (erstzweise: Innere Einstellung) und Zweifel, gehören aber zusammen, damit niemand gerechtfertigt ist, der "über Leichen" geht (einem weiten und übertragenen Sinne).
Die Geschichten sagen doch eher: Handle so und so, weil Gott es so verlangt und du nur dann ins Paradies kommst.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard