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Atheismus und Moral
#91
(06-06-2010, 21:56)alwin schrieb: @d.n.
Nur unpassend und/weil an der wirklichen Sache vorbeigehend

es stellt - wenn auch ironisch - die frage nach anspruch und verkünder

wie die antwort lautet, dazu gibt es unterschiedliche sichtweisen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#92
Danke fürs Vorwort, petro;) : Da ich gestern noch zu einem Einsatz mußte, erst heute meine Ausführung: wie im letzten Post auf Ironische Weise angedeutet, stellt sich mir als Nichtchrist generell die Frage, was habe ich mit einem "Gesetztestext" eines bronzezeitlichen Hirtenvolkes zu tun, dessen Nachfolgerreligion sich ebenfalls auf diese Gesetzestexte bezieht. Abgesehen von dem für mich nicht nachvollziehbaren Ursprung der 10 Gebote (Wieviel war "gottgegeben", wieviel hat sich der "Schreiber" ausgedacht, wieviel wurde neu begründet, wieviel war nur eine zusammenfassung bereits bestehender Stammesregeln, usw), ist auch, da sie sich explizit an das "auserwählte Volk Gottes" richten, theoretisch von keiner Gültigkeit für Nichtgläubige auszugehen.

Hier greift für mich die auch von Petronius angeführte humanistische/egoistische Herangehensweise: Normalerweise versucht jedes Mitglied einer Gemeinschaft, so zu leben, das es von der Gemeinschaft positiv bestärkt und "belohnt" wird,..die dadurch entstandenen Verhaltenskodizes, bzw "Werte" sind daher, auch durch den Wandel der einzelnen Kulturen, nicht als fix, sondern als sich eines steten Wandels unterworfen anzusehen. Imho können Werte, die vor Jahrtausenden fixiert wurden, nur interpretiert verwendet werden, aber sind keinesfalls alls immergeltende Werte anzusehen,..als Beispiel nur der Gesetzestext des Hammurabi: Man kann aus ihm eine Tendenz zur Regulierung und Offizialisierung des Strafwesens herauslesen, auch wird eine "Verhältnismäßigkeit" der Strafe hineinzuinterpretieren sein, aber niemand würde je auf den Gedanken kommen, diesen Gesetztestext genauso heute anzuwenden,..
Aut viam inveniam aut faciam
#93
Kleiner Einwand, der bei Erwähnung der 10 Gebote fast zwangsläufig kommen sollte: Jeder Gesetzestext, der was taugt, hat irgendwo eine Anmerkung zum Gültigkeitsbereich, wie jeder weiß, der sich schon mal ein wenig mit Beamtendeutsch befaßt hat. Der Gültigkeitsbereich für das deutsche Grundgesetz etwa findet sich in der Präambel: "für das gesamte deutsche Volk"... "in den Ländern Baden Württemberg...(Aufzählung bis einschließlich Thüringen)", mit anderen Worten: dem deutschen Staatsgebiet in den heute gültigen Grenzen. (dazu gibt´s noch ein paar international anerkannte kleine Ausnahmen in Form "exterritorialen Territoriums" wie das Gelände von deutschen Botschaften in fremden Ländern oder das Innere deutscher Flugzeuge/deutscher Schiffe im internationalen Luftraum oder Seegebiet, aber die sind hier nicht von Belang).
Zu den 10 Geboten findet man diese Anmerkung ganz eindeutig im 1.Gebot: "Ich bin der Herr, dein Gott." Sprich, die Gebote gelten nur für den Umgang der Gläubigen untereinander, aber nicht für den Umgang mit "Ungläubigen" (siehe die "Landnahme" im gelobten Land, komplett mit Brandschatzung, Versklavung oder Ausrottung ganzer Stadtbevölkerungen) und "Abweichlern" (siehe der "Tanz ums goldene Kalb", ein ägyptischer Fruchtbarkeitsritus - und das anschließend folgende Gemetzel).
Deshalb ist es falsch, die biblischen Gebote ständig als das Nonplusultra an Moral etc. hinzustellen. Sich als "Ungläubiger" (z. B. Atheist, Buddhist, Hindu etc. ) oder "Abweichler" (aus der Kirche ausgetreten) auf eine "ewig und gegen jeden gültige christlich-biblische Moral" zu verlassen, könnte im Umgang mit Strenggläubigen genauso fatal sein wie etwa der Glaube diverser deutscher Rauschgiftschmuggler, die in Ländern wie Singapur, Saudi-Arabien, China etc. erwischt wurden, natürlich auf eine Strafe nach deutschem Grundgesetz gehofft haben (Todesstrafe verboten!) und ... hingerichtet wurden. Weil deutsches Recht halt auf nicht-deutschem Boden nicht gültig ist... siehe oben.
#94
(07-06-2010, 15:58)Rao schrieb: Deshalb ist es falsch, die biblischen Gebote ständig als das Nonplusultra an Moral etc. hinzustellen. Sich als "Ungläubiger" (z. B. Atheist, Buddhist, Hindu etc. ) oder "Abweichler" (aus der Kirche ausgetreten) auf eine "ewig und gegen jeden gültige christlich-biblische Moral" zu verlassen, könnte im Umgang mit Strenggläubigen genauso fatal sein wie etwa der Glaube diverser deutscher Rauschgiftschmuggler, die in Ländern wie Singapur, Saudi-Arabien, China etc. erwischt wurden, natürlich auf eine Strafe nach deutschem Grundgesetz gehofft haben (Todesstrafe verboten!) und ... hingerichtet wurden. Weil deutsches Recht halt auf nicht-deutschem Boden nicht gültig ist... siehe oben.

interessanter gedanke

das heißt also, wer z.b. den 10 geboten allgemeine und immerwährende gültigkeit zuschriebe, verstieße damit gegen deren geist?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#95
(07-06-2010, 17:21)petronius schrieb: das heißt also, wer z.b. den 10 geboten allgemeine und immerwährende gültigkeit zuschriebe, verstieße damit gegen deren geist?
Schreibst Du dem ersten Gebot (mit dem einen Gott, dem jüdischen genau gesagt, der keine anderen Götter neben sich duldet und ausflippt, wenn ihm was nicht paßt) allgemeine und immerwährende Gültigkeit zu?
Wenn Du "nein" sagst, kannst Du den Rest auch vergessen. Jedenfalls im Diskurs mit Leuten, die sich selber als "rechtgläubig" bezeichnen. Bei denen kann es nämlich jeden Tag passieren, daß ihr Gott sich (angeblich) wieder mal bei irgendeinem Prophetentypen, Imam etc. meldet und "Tod allen Ungläubigen" fordert und sie daraufhin losziehen, die Forderung zu erfüllen. Soll ja schon oft genug passiert sein...
#96
(07-06-2010, 17:48)Rao schrieb:
(07-06-2010, 17:21)petronius schrieb: das heißt also, wer z.b. den 10 geboten allgemeine und immerwährende gültigkeit zuschriebe, verstieße damit gegen deren geist?
Schreibst Du dem ersten Gebot (mit dem einen Gott, dem jüdischen genau gesagt, der keine anderen Götter neben sich duldet und ausflippt, wenn ihm was nicht paßt) allgemeine und immerwährende Gültigkeit zu?
Wenn Du "nein" sagst, kannst Du den Rest auch vergessen. Jedenfalls im Diskurs mit Leuten, die sich selber als "rechtgläubig" bezeichnen. Bei denen kann es nämlich jeden Tag passieren, daß ihr Gott sich (angeblich) wieder mal bei irgendeinem Prophetentypen, Imam etc. meldet und "Tod allen Ungläubigen" fordert und sie daraufhin losziehen, die Forderung zu erfüllen. Soll ja schon oft genug passiert sein...

mein standpunkt ist ja sowieso, daß es keine allgemeine und immerwährende gültigkeit von (auch als gebot formulierten) werten gibt. aber klar. schon das erste gebot kann man als einschränkung des geltungsbereichs ansehen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#97
Wenigstens einer hat´s begriffen! Juhu! :icon_cheesygrin:
#98
nicht nur einer ;) siehe mein post #92
Aut viam inveniam aut faciam
#99
Wenn ich mich täusche, ist es gut! Meine Frage: Werden hier nicht AT und NT Erkenntnisse vermischt und zu einem versuchten, aber nicht gelingenden Eintopf zusammen gekocht? Die erwähnten Punkte zu den 10 Geboten klingen ja schon fast abartig.... aber wenn es Spaß macht - nur Ernst nehmen kann es wohl keiner wirklich!

Gruß
Nun alwin, dem kann ich so nicht zustimmen: Als Nichtchrist stellt sich mir nun einmal zuerst automatisch die Frage der Gültigkeit für mich,..hier muß ich also bewerten,..nach welchem Grundsatz?...nach dem juristischen,..gilt das Exclusio oder das Inclusio-Prinzip?..
Als einigermaßen juristisch Bewanderter kann ich nur wie folgt schließen: Die 10 Gebote richten sich als Teil der Bibel, welche sich ebenfalls nicht dezitiert an alle Menschen richtet, sondern an die Gläubigen, nach dem At an das "auserwählte Volk". Schon §1 ist meines Erachtens eine klare Definition: "Du sollst keine anderen Götter haben neben mir",..kann so ausgelegt werden, daß die folgenden Paragraphen nur für diejenigen Gültigkeit haben, die monotheistischen, abahamitischen Glaubens sind,..

Interessant wäre, daß nach juristischem Prinzip hier Gott indirekt die Existenz anderer Götter bestätigt,..d.h. eine Exclusio kann nur erfolgen, wenn es etwas zum ausschließen gibt ;),..gehe ich nun von einem imaginären Pantheon aus, so müßte dort ja -immer vorausgesetzt daß JAhwe kein Despot ist, eine friedliche Demokratie zwischen den verschiedenen Göttern herrschen; d.h. es besteht für die Menschen praktisch Wahlfreiheit des Glaubens,..daraus folgt aber wiederum, daß die einzelnen "Gesetzesbücher" nur für die jeweilig zugehörigen Menschen Gültigkeit haben,..

Soweit also meine rationalen Überlegungen zu "Glaubensbasierten" Werten,..
Aut viam inveniam aut faciam
(10-06-2010, 07:50)d.n. schrieb: Interessant wäre, daß nach juristischem Prinzip hier Gott indirekt die Existenz anderer Götter bestätigt,..d.h. eine Exclusio kann nur erfolgen, wenn es etwas zum ausschließen gibt ;),..gehe ich nun von einem imaginären Pantheon aus, so müßte dort ja -immer vorausgesetzt daß JAhwe kein Despot ist, eine friedliche Demokratie zwischen den verschiedenen Göttern herrschen; d.h. es besteht für die Menschen praktisch Wahlfreiheit des Glaubens,..daraus folgt aber wiederum, daß die einzelnen "Gesetzesbücher" nur für die jeweilig zugehörigen Menschen Gültigkeit haben,..

"Imaginäres Pantheon", "Demokratie zwischen verschiedenen Göttern" etc. sind eher abstrakte Konstruktionen, mit denen sich Theologen (oder Juristen :icon_cheesygrin: ) beschäftigen können. Für das sogenannte "auserwählte Volk" waren die Verhältnisse in ihrer realen Welt ausschlaggebend: als winziges Völkchen/winzige Religion umgeben von zahllosen größeren, mächtigeren Völkern/Religionen, denen es jederzeit einfallen konnte, besagtes "auserwählte Volk" in einem einzigen Handstreich zu vernichten.
Die "anderen" Götter waren simpel Realität, sie hatten Gläubige, Machtbereiche, Besitztümer, Tempel, vielleicht sogar eigene Streitkräfte, egal ob sie nun in irgendeinem Pantheon real existierten oder nur in der Phantasie der Menschen, die an sie glaubten...
(und ggf. bereit gewesen wären, für sie in den Krieg zu ziehen und ein mißliebiges "auserwähltes Völkchen" einfach auszulöschen...)
und allein darum schon mußten diese "anderen Götter" im Paragraph 1 des Gesetzeswerks erwähnt werden, reale Existenz oder nicht.
Pragmatismus ist ja bis heute ein ausgeprägter Wesensbestandteil des jüdischen Volkes.
(07-06-2010, 17:54)petronius schrieb:
(07-06-2010, 17:48)Rao schrieb:
(07-06-2010, 17:21)petronius schrieb: das heißt also, wer z.b. den 10 geboten allgemeine und immerwährende gültigkeit zuschriebe, verstieße damit gegen deren geist?
Schreibst Du dem ersten Gebot (mit dem einen Gott, dem jüdischen genau gesagt, der keine anderen Götter neben sich duldet und ausflippt, wenn ihm was nicht paßt) allgemeine und immerwährende Gültigkeit zu?
Wenn Du "nein" sagst, kannst Du den Rest auch vergessen. Jedenfalls im Diskurs mit Leuten, die sich selber als "rechtgläubig" bezeichnen. Bei denen kann es nämlich jeden Tag passieren, daß ihr Gott sich (angeblich) wieder mal bei irgendeinem Prophetentypen, Imam etc. meldet und "Tod allen Ungläubigen" fordert und sie daraufhin losziehen, die Forderung zu erfüllen. Soll ja schon oft genug passiert sein...

mein standpunkt ist ja sowieso, daß es keine allgemeine und immerwährende gültigkeit von (auch als gebot formulierten) werten gibt. aber klar. schon das erste gebot kann man als einschränkung des geltungsbereichs ansehen

Das ist eigentlich im 1. Gebot noch klarer hervorgehoben, es sei denn, die Verkürzung auf "Ich bin der Herr Dein Gott" wurde aus textkritischen Gründen vorgenommen.

Ich habe es nämlich im Konfirmandenunterrischt noch in der "Langform" gelernt: "Ich bin der Herr Dein Gott, *der ich Dich aus Ägypten, aus dem Dienstlande, geführt habe.* Du sollst..
@agnostik
Für einen nichtjüdischen Christen spielt die Geschichte mit Ägypten in der Hinsicht keine Rolle - im Gegensatz zu einem jüdischen.

Gruß
(17-08-2010, 14:59)alwin schrieb: @agnostik
Für einen nichtjüdischen Christen spielt die Geschichte mit Ägypten in der Hinsicht keine Rolle - im Gegensatz zu einem jüdischen.

Gruß

Nun, ich leite daraus das Argument ab, dass der Satz "Ich bin der Herr Dein Gott" und "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" eben nur die Juden betraf.
Das gilt auch für die folgenden Gebote.

Ich sehe da auch keine Aussage, dass es keine anderen Götter gibt (die evtl. andere Gebote geben könnten)
Wie schon von mir in #100 erwähnt, ist ja gerade diese Aussage:"Du sollst keine anderen Götter haben neben mir"eine indirekte Bestätigung,..eigentlich ein Paradoxon: der "einzige" Gott bestätigt damit die Existenz von anderen Göttern,..

Und was die Gültigkeit betrifft: was mich hier stört, ist die gewisse Selbstgefälligkeit/verständlichkeit, mit der von "immerwährenden christlichen Werten" gesprochen wird, ohne zu berücksichtigen, daß diese Werte sich eben während der Jahrhunderte sehr wohl in Teilbereichen geändert haben,..man muß natürlich unterscheiden zwischen christlichen und kirchlichen Werten, aber wer vermag da genau die Grenzlinie zu ziehen?
Aut viam inveniam aut faciam


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