Ich habe heute gelesen, dass es Christen (und anderen Religionen wohl auch) in Nepal (in welchem der Säkularismus seit dem Machtverlust des Königs besteht (vorher Hinduismus Staatsreligion)) verboten ist zu missionieren.
Anlass für mich mal zu fragen, wie ihr solche Verbote wertet, was Gründe für solche Verbote sein können und ob ein solches Verbot legitim ist?
Vieleicht ein Gedanke zum Anstoß: Christliche Hilfe in Entwicklungsländern geht häufig (immer?) mit Missionierung einher (ausgenommen ohnehin schon christliche Gebiete). Hierbei liegt der Gedanke natürlich nahe, dass sich die Not der Menschen zu Nutze gemacht wird, um den Missionierungsauftrag zu erfüllen. Uns allen ist vieleicht aus den Nachrichten bekannt, dass es ein beliebtes Mittel von Organisationen ist, sich als Helfer der Schwachen zu gebärden um sie für die eigenen Ansichten zu gewinnen (gerade in Notzeiten gerne von rebellischen Gruppierungen benutzt). Hilfe also nur als Mittel zum Zweck.
Gegengedanke: Jeder Mensch sollte friedlich seine Meinung sagen dürfen, auch eine religiöse. Jemanden friedlich vom eigenen Glauben überzeugen zu wollen ist vollkommen legitim. Es ist ja jeder Mensch frei genug selbst zu entscheiden ob er einer Religion beitritt oder nicht.
Also: Missionierung erlauben, ja oder nein?
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21-08-2012, 19:57
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21-08-2012, 20:00 von schmalhans.)
Nein.
Zur Begründung zitiere ich Wikipedia und hebe es fett hervor:
"Eine missionierende Religion ist eine Religion, die ihre Botschaft aktiv verbreitet. Sie glaubt sich berufen, Nichtgläubige und Andersgläubige zu überzeugen und sie in die betreffende Religion aufzunehmen. Diese Berufung basiert regelmäßig auf dem Anspruch der alleinigen Vertretung einer behaupteten universalen Wahrheit. Mission geschieht heute vorwiegend als Werbung durch Predigten, Vorträge, Verbreitung von Schriften, Hausbesuche und durch moderne Massenmedien."
Es geht bei Missionierung nämlich nicht um die Äußerung einer (privaten) Meinung.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
Wieso sollte für denjenigen der etwas predigt, das Gepredigte nicht seiner Meinung entsprechen (bzw. seine Meinung sein)?
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21-08-2012, 20:13 von schmalhans.)
Jemand, der seine Meinung sagt, predigt normalerweise nicht. Und eine Predigt sollte keine private Meinungsäußerung sein. Wer das nicht sauber trennen kann, hat wahrscheinlich den Beruf verfehlt. Natürlich spielen aber auch persönliche Motive in eine gute Predigt mit ein - so wie in jede andere gute Rede auch.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
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Zwischen einer normalen Unterhaltung über den eigenen Glauben und aufdringlichem Missionieren an der Haustür gibt es eine große Spannweite. So kann ich z.B. Broschüren, die in einer Kirche ausliegen, mitnehmen oder auch nicht, entscheide also selbst, ob ich das Angebot wahrnehme. Letzteres sollte eigentlich erlaubt sein. Missionsstationen, die Krankenhäuser und Schulen stellen, also mehr oder weniger direkt als Gegenleistung für humanitäre Hilfe die Konvertierung zum eigenen Glauben verlangen, sehe ich eher skeptisch, denn dabei handelt es sich um moralischen Druck. In Entwicklungsländern, und Nepal gehört ja dazu, ist diese Gefahr ziemlich hoch.
Welche Begründung gibt die nepalesische Regierung denn an? Dass sie keine Hilfe (von z.B. Missionsstationen) will, die die Bevölkerung unter moralischen Druck (sich taufen zu lassen) setzt? Oder den Abschluss gegenüber fremden Religionen, die den ursprünglichen (also Hinduismus und Buddhismus) nicht verwandt sind? Vielleicht hält sie auch das Verhalten christlicher Missionare für anmaßend, denn wer andere missioniert, sagt denen ja vor allem, dass er es besser weiß, und dass sie froh sein können, dass er ihnen die Wahrheit bringt.
Was ist denn mit dem Islam?
@ schmalhans: Tut mir leid, ich kann dir hier nicht folgen. Der Inhalt der Predigt kann doch ganz genau der Meinung des Vortragenden entsprechenden. Somit tut er seine Meinung kund und predigt gleichzeitig.
Im Grunde aber auch nebensächlich, daher mal anders: Mal davon ausgegangen, dass derjenige der Predigt den Inhalt seiner Predigt auch als richtig ansieht und daran glaubt (ob du es jetzt Meinung nennen magst oder nicht).
Warum sollte er das deiner Meinung nach nicht dürfen?
(21-08-2012, 20:16)Lelinda schrieb: Welche Begründung gibt die nepalesische Regierung denn an? Dass sie keine Hilfe (von z.B. Missionsstationen) will, die die Bevölkerung unter moralischen Druck (sich taufen zu lassen) setzt? Oder den Abschluss gegenüber fremden Religionen, die den ursprünglichen (also Hinduismus und Buddhismus) nicht verwandt sind? Vielleicht hält sie auch das Verhalten christlicher Missionare für anmaßend, denn wer andere missioniert, sagt denen ja vor allem, dass er es besser weiß, und dass sie froh sein können, dass er ihnen die Wahrheit bringt.
Das weiß ich leider nicht.
(21-08-2012, 20:16)Lelinda schrieb: Was ist denn mit dem Islam?
Ich denke für den Islam gilt das selbe. Laut Wiki macht er in Nepal auch nur 3% aus (Christen 2%).
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(21-08-2012, 19:03)Gundi schrieb: Ich habe heute gelesen, dass es Christen (und anderen Religionen wohl auch) in Nepal (in welchem der Säkularismus seit dem Machtverlust des Königs besteht (vorher Hinduismus Staatsreligion)) verboten ist zu missionieren.
Anlass für mich mal zu fragen, wie ihr solche Verbote wertet, was Gründe für solche Verbote sein können und ob ein solches Verbot legitim ist?
Ganz grundsätzlich gefällt mir der Gedanke, Missionierung ganz zu unterlassen (auch wenn ein Verbot nicht die "sympathischste" Art ist, so etwas zu erreichen). Bei Missionierungsversuchen habe ich nämlich immer das Gefühl, eine überhebliche Person stecke dahinter. Ein wirklich demütiger Mensch wird niemandem erklären, er liege falsch, denke ich.
Das Verbot an sich bewerte ich trotzdem nicht positiv. Einfach aus dem Grund, dass mir im Moment noch keine ausreichende Legetimation für eine Gesetzesgrundlage einfällt. Kann sich aber ja auch noch ändern.
(21-08-2012, 19:03)Gundi schrieb: Gegengedanke: Jeder Mensch sollte friedlich seine Meinung sagen dürfen, auch eine religiöse. Jemanden friedlich vom eigenen Glauben überzeugen zu wollen ist vollkommen legitim. Es ist ja jeder Mensch frei genug selbst zu entscheiden ob er einer Religion beitritt oder nicht.
Deinem Gegengedanken stimme ich zu. Allerdings müsste ich da nochmal nachfragen: Was genau wird durch das Missionierungsverbot untersagt? Erzählt ein Gläubiger ganz privat jemandem von seinem Glauben, ist das legetim. Sogar ein Missionierungsversuch (den ich zwar für überheblich halte) sollte nicht bestraft werden. Problematisch fände ich einzig und allein die Missionierung, die von einer Organisation ausgeht.
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Natürlich wird der Prediger auch vom Inhalt seiner Predigt überzeugt sein (und sie kann sich auch mit seiner persönlichen Meinung decken), aber wie Lelinda richtig bemerkt, ist da ein himmelweiter Unterschied zwischen Missionieren und eine Meinung äußern.
Meine Gründe, warum ich dagegen bin, habe ich im Beitrag Nummer 2 dargelegt.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
(21-08-2012, 20:32)Keksdose schrieb: Ganz grundsätzlich gefällt mir der Gedanke, Missionierung ganz zu unterlassen (auch wenn ein Verbot nicht die "sympathischste" Art ist, so etwas zu erreichen). Bei Missionierungsversuchen habe ich nämlich immer das Gefühl, eine überhebliche Person stecke dahinter. Ein wirklich demütiger Mensch wird niemandem erklären, er liege falsch, denke ich.
Das Verbot an sich bewerte ich trotzdem nicht positiv. Einfach aus dem Grund, dass mir im Moment noch keine ausreichende Legetimation für eine Gesetzesgrundlage einfällt.
Sehe ich ähnlich. Auch mir missfällt es (bzw. teilweise finde ich es hochgradig anmaßend) wenn Menschen meinen sie hätten die alleinige Wahrheit und müssten nun gönnerhaft alle anderen davon überzeugen (andererseits ist es ja vieleicht sogar ein positiver Charakterzug, wenn man ehrlich bemüht ist, anderen Menschen "in den Himmel" zu verhelfen. Sich quasi Gedanken um das Wohl der Anderen macht).
Aber auch mir würde eine Begründung fehlen, die ein Verbot rechtfertigt.
(21-08-2012, 20:32)Keksdose schrieb: Deinem Gegengedanken stimme ich zu. Allerdings müsste ich da nochmal nachfragen: Was genau wird durch das Missionierungsverbot untersagt?
Ich weiß leider nichts genaueres. Vermutlich öffentliche Anwerbung auf der Starße, mittels Ständen usw.
(21-08-2012, 20:33)schmalhans schrieb: Natürlich wird der Prediger auch vom Inhalt seiner Predigt überzeugt sein (und sie kann sich auch mit seiner persönlichen Meinung decken), aber wie Lelinda richtig bemerkt, ist da ein himmelweiter Unterschied zwischen Missionieren und eine Meinung äußern.
Meine Gründe, warum ich dagegen bin, habe ich im Beitrag Nummer 2 dargelegt.
Also gegen Predigt bist du, weil der Prediger glaubt im Besitz der Wahrheit zu sein?
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Vermutlich geht es politisch um etwas Anderes. Mission ist dort deshalb verboten, weil sie als eine "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" des Landes angesehen wird. Nepal wird weitgehend durch Maoisten beherrscht.
Soweit es die protestantische Seite des Christentums betrifft, ist internationale Hilfe nicht mehr mit jener Art Mission verbunden, die man aus dem 19. Jahrhundert kennt. (Was militant auftretende Sekten und katholische Seite machen, weiß ich nicht.)
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21-08-2012, 21:20 von schmalhans.)
(21-08-2012, 21:02)Gundi schrieb: (21-08-2012, 20:33)schmalhans schrieb: Natürlich wird der Prediger auch vom Inhalt seiner Predigt überzeugt sein (und sie kann sich auch mit seiner persönlichen Meinung decken), aber wie Lelinda richtig bemerkt, ist da ein himmelweiter Unterschied zwischen Missionieren und eine Meinung äußern.
Meine Gründe, warum ich dagegen bin, habe ich im Beitrag Nummer 2 dargelegt.
Also gegen Predigt bist du, weil der Prediger glaubt im Besitz der Wahrheit zu sein?
Nein, sondern "wegen des Anspruch der alleinigen Vertretung einer behaupteten universalen Wahrheit."
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
(21-08-2012, 21:05)Ekkard schrieb: Vermutlich geht es politisch um etwas Anderes. Mission ist dort deshalb verboten, weil sie als eine "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" des Landes angesehen wird. Nepal wird weitgehend durch Maoisten beherrscht.
Ja, das klingt einleuchtend.
(21-08-2012, 21:05)Ekkard schrieb: Soweit es die protestantische Seite des Christentums betrifft, ist internationale Hilfe nicht mehr mit jener Art Mission verbunden, die man aus dem 19. Jahrhundert kennt. (Was militant auftretende Sekten und katholische Seite machen, weiß ich nicht.)
Das mag sein. Mein Eingangsbeitrag sollte auch bewusst zwei schärfere, gegensätzliche Meinungen vertreten.
Dennoch reicht es natürlich schon aus als Organisation Präsenz zu zeigen.
Wer mich füttert, dem glaube ich. Missionierung quasi Nebenbei. Und ist es nur das Gespräch zwischen Pfleger und Gepflegten im Krankenhaus.
Ich selbst kenne auch einen Entwicklungshelfer der wohl bei einigen kirchlichen (ich weiß jedoch nicht mehr ob katholisch oder protestantisch)
NGOs nicht genommen wurde, da er konfessionslos war. Hat zwar mit Missionierung nichts zu tun, gibt aber einen Einblick wie gebunden die Konfession an die Entwicklungshilfe noch sein kann.
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(21-08-2012, 23:37)Gundi schrieb: Ich selbst kenne auch einen Entwicklungshelfer der wohl bei einigen kirchlichen (ich weiß jedoch nicht mehr ob katholisch oder protestantisch)
NGOs nicht genommen wurde, da er konfessionslos war. Hat zwar mit Missionierung nichts zu tun, gibt aber einen Einblick wie gebunden die Konfession an die Entwicklungshilfe noch sein kann.
Nein, es gibt einen Einblick in die Privilegien der Kirchen, die hier ein besonderes Arbeitsrecht haben ...
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
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