(15-02-2020, 07:47)Erina Schutorfki schrieb: Halli Sinai,
Vielen lieben dank. Als Hilfsaumoniere habe ich im Krankenhaus gearbeitet. Dort habe ich die Rollstuhlfahrer in die Kirche gebracht, und mir die Sorgen und Nöte der Leute angehört und War einfach für sie da. Ich bin auch mit den Patienten spazieren gegangen und habe sie Nachmittags mit Kaffee und Kuchen versorgt.
Mein Traum ist es jetzt vor allem Obdachlose zu versorgen und das Wort Christi nahe zu bringen. Wie soll ich das aber machen, wenn ich die Bibel selbst nicht verstehe.
Z.Z. arbeite ich für einen Allgemeinnützigen Verein ( Emmaus), wo es mir sehr gut gefällt.
Hallo Erina
Deine Tätigkeit als
Hilfsaumoniere im Krankenhaus war sicher erbauend und wundervoll !
Diese Tätigkeit gibt es meines Wissens nicht in Deutschland. Wir würden hier stationäre Heimhelferin sagen, aber Heimhelferinnen arbeiten bei uns nur mobil (sie gehen in die Häuser zu den Alten und Kranken)
Du warst eine Art "Gesellschaftsdame" - so hieß das in der Monarchie, aber heute gibt es das so nicht mehr.
Sicher eine sehr schöne Tätigkeit wo man innerlich wächst. Hilflosen Menschen einen Anker zu geben ist immer sehr schön
Ich habe das einen Tag lang im Rahmen einer Gruppe in einem Heim für Behinderte gemacht, ich schob eine 30-jährige Kranke mit ihrem Rollstuhl im großen Park. Sie weinte immer "ich will zu meiner Mutti" - weil ihre Mutter hatte sie verstoßen, als sie sah daß ihr Kind schwer geistig und körperlich behindert ist. Die Mutter war ein junges Ding und sicher überfordert und hilflos. Noch Jahrzehnte später weinte die Kranke nach ihrer Mutti. Mir brach das Herz. Als ich mich dann am Abend verabschiedete, weinte sie um mich. Da brach mir wieder das Herz und ich konnte nicht mehr hin gehen. Das wird ja alle Tage schlimmer - wenn sie sich nach einer Woche an mich gewöhnt, bin ich Bezugsperson, und dann wäre der Abschied für sie noch schlimmer!
Dennoch war es eine große Freude für mich, einem Menschen einen schönen Tag gemacht zu haben
Deine Idee mit den
Obdachlosen gefällt mir sehr gut. Von Emmaus weiß ich nichts, habe gerade mal den Namen gehört, aber ich kenne einen etwa 35-jährigen Mann, der in so einem Heim lebt. Betreutes Wohnen
Bin aber nicht sicher, ob er konkret bei "Emmaus" wohnt oder in einem anders genannten Heim. Da gibt es ja etliche ähnliche Organisationen
Obdachlose sind sehr unterschiedlich. Nicht alle sind abzulehnen !
Denn es gibt da erstaunlich viele
anständige Menschen aus bravem Milieu. Aus anständigem Elternhaus, oft sogar gute Schulbildung mit Abitur (!)
- bei Euch in Frankreich heißt das « bac » - mit gewählter Sprache, ohne jedem kriminellen Jargon. Psychisch kranke Leute!
Der Mann, den ich kenne, ist so ein Fall. Seine alten Eltern sind bigotte katholische Bauern, und selbst schon auf Pflege angewiesen, sie können sich um den Sohn nicht mehr kümmern. Er hatte ein von der Kirche geführtes Gymnasium am Land besucht, das Abitur gemacht - und dann hatten die Bauersleut die Idee gehabt, er soll Pfarrer studieren, weil er in Kindheit und Jugend Ministrant war und eh schon die ganze Liturgie und die Bibelstellen und die Predigten kannte und weil er in der Kirche des Sonntags gerne Orgel spielte auch noch gleich Organistik studieren. Ein Doppelstudium - das haben sich diese primitiven, aber lieben und ehrlichen Landleut so ausgedacht in ihrer Phantasie. Der Bub kam in die Stadt in ein von einem Orden geführtes Priesterseminar. Dort scheiterte er völlig! Es ist eben ein Unterschied, ob jemand jeden Sonntag in der Kindermesse Ministrant ist und bei der Erwachsenenmesse Orgel spielt (und umgekehrt) oder ob jemand Althebräisch, Aramäisch und Altgriechisch studieren soll und dann die Theorie zur Orgelmusik lernen soll. Der Student verheimlichte seinen studienmäßigen Mißerfolg jahrelang mit Erfolg vor seinen Eltern, die den Sohn schon im Himmel sahen, als neuen Papst oder zumindest als neuen Bischof. Der Bub wurde psychisch schwer krank, lebensunfähig
Er wohnt jetzt in einem Haus mit "Betreutem Wohnen" und will keine normale Wohnung !
Da kommt täglich eine Frau und führt seinen kleinen Haushalt.
Ein lieber Kerl, absolut ehrlich (stiehlt nicht), absolut gewaltlos, raucht nicht, säuft nicht (trinkt einmal pro Woche beim Studentenstammtisch ein wenig Bier), arbeitet brav als Eisenbieger (das hat er gelernt, als er das Studium abbrach), wurde dann Lastwagenfahrer, nimmt kein Rauschgift, ist aber wie gesagt
lebensunfähig
Er kann nicht zusammenräumen, Geschirr waschen, Wäsche waschen, seine Post erledigen, seine Zahlungen fristgerecht durchführen. Ohne Betreuung würde er untergehen. Er schätzt seine Betreuung wie erwähnt sehr, und will keine normale Wohnung.
Andere leiden an Zwangsstörungen (haben fürchterliche Kontrollzwänge - ich kenne einen Mann, der mußte mitten im Urlaub 150 Km nach Hause fahren um zu kontrollieren, ob er den Kühlschrank zugemacht hat) oder an Messing oder Messie. Auch das ist eine fürchterliche psychische Krankheit. Der Mensch kann sich von nichts trennen und nach einigen Jahren haust er in einer hoffnungslos überfüllten Wohnung !!! Meterhohe Stapel von alten Zeitungen, heillos gemischt mit wichtigen Dokumenten, alten Familienphotos - aber auch massenhaft Reklamematerial, verdorbenen und übel riechenden Lebensmitteln, Mahnungen und unerledigter Behördenpost. Nach wenigen Jahren werden solche Menschen von ihren Nachbarn angezeigt - wegen Geruchsbelästigung, Ungeziefer, Seuchengefahr, Brandgefahr - und dann delogiert. Obdachlos!
All diese armen Menschen landen - wenn sie Glück haben - bei Einrichtungen der Nächstenliebe
Sie brauchen viel Zuwendung, Liebe und Hilfe
Ehrenamtlich ist das nicht mehr zu bewältigen. Wenn da jemand auch nur einen Kranken betreut, ist da mit 1/2 Stunde am Tag nichts geholfen - da braucht es täglich mindestens 2 Stunden harte Arbeit. Hart, weil man sich ständig gegen dem Kranken durchsetzen muß (sinnlose Dinge wergwerfen ist ein dauernder Kampf) und den Kranken zur Beantwortung seiner Post zu motivieren, ist ein täglicher Kampf gegen Windmühlen. Während er einen Brief beantwortet, treffen drei andere ein! Und das Beantworten ist oft unmöglich, denn da würde er den Versicherungsvertrag benötigen, der irgendwo unauffindbar unter den Müllbergen liegt . . . muß neu angefordert werden . . . und währenddessen kommen 10 andere Briefe und Mahnungen usw.
Das ist täglich zweistündige Sozialarbeit pro Patient. Und der Helfer (egal unter welcher Bezeichnung er tätig ist) muß ja auch von was leben, seine Miete bezahlen, Heizung, Strom, Gas, Essen, Kleidung, Medikamente usw.
Kein Mensch kann heute neben der Arbeit zwei Stunden täglich unbezahlt arbeiten - denn das Arbeitsleben ist extrem hart geworden (Pendeln, lange Abeitszeit durch Überstunden) und da ist jeder am Abend erschöpft !!!
Erst wenn der Helfer bezahlt wird, kann er die Arbeitszeit in seinem Hauptberuf zu Gunsten seines Kranken kürzen
Eine minimale Bezahlung muß daher sein. Zumindest in Höhe einer Putzfrau. Somit mindestens 10 € in der Stunde netto
Mit zwei Mal 1/4 Stunde Wegzeit (hin und zurück) und 2 Stunden Arbeitszeit ist das 2,5 Stunden täglich oder mindestens 50 Stunden monatlich, somit 500 € monatlich
Das kann so ein Arbeitsloser nie bezahlen - also sollte der Staat oder seine Religionsgemeinschaft zahlen !
Jedenfalls lieben diese Kranken ihre Helfer. Denen ist es egal, ob Du ein Religionsstudium hast und weißt daß Moses sagte daß man Fleisch nicht in Milch kochen darf und daß man Ehebrecherinnen steinigen soll und welche Responsen Rabbi Maimonides an Pharisäer und Sadduzäer schrieb und was das Konzil von Trient sagte
Diese Kranken schätzen Deine
Nächstenliebe
Und ich kenne einen Sozialfall, der einen Waschzwang hat. Wenn Taubenfedern seine Kleidung berühren oder berührt haben könnten, muß er sofort Heim gehen und die Kleidung waschen. Oft bildet er sich das nur ein, er sitzt auf einer Parkbank und redet sich krankhaft ein, daß da Taubenfedern herumlagen und ihn verschmutzten oder daß bei Regen etwas Taubenkot vom Fensterbrett auf seinen Kopf getropft ist. Da er sofort heim muß, verlor er jede Arbeit durch diese Spinnerei
Unglaublich, wieviele psychische Krankheiten es gibt.
Schau nach: ICD
Eine lange Liste von Krankheiten mit genauen Beschreibungen. Von der UNO gemacht, genauer gesagt von der WHO
Ich kenne eine junge Frau, die die Ziffer 4 nicht erträgt. Wenn der Autobus einen Vierer im Kennzeichen hat, kann sie nicht einsteigen. Kommt daher zu jeder Arbeit zu spät, wurde arbeitslos und dann nach einigen Jahren obdachlos
All diesen vielen Menschen soll geholfen werden. Der Psychiater verordnet denen irgendwelche Tabletten (Psychopharmaka) um den Leidensdruck zu mindern, aber das Chaos und die Obdachlosigkeit bleibt bestehen - hier sind
Helfer erforderlich !
Praktische Hilfe im Alltag - Alltagsbegleiter wenn man so will
Die Berufsbezeichnungen sind wenig präzis, da jeder alles können muß
Leider ist das bei den Nicht Ehrenamtlichen ein hart umkämpfter Markt !
"Die Heimhilfe darf keine Glühbirne tauschen - da muß der Elektriker gerufen werden"
Dadurch verarmen die Patienten im Sauseschritt.
Der Staat kommt ins Grundbuch der Eigentumswohnung (wegen Hartz 4) und dann geht es schnell bergab. Ist die Eigentumswohnung aufgebraucht ("verzehrt"), dann droht der Umzug und die - vergebliche - Suche nach einer Mietwohnung. Vergeblich, da für Arbeitslose unleistbar
Sind ja schon für Gutverdiener unleistbar
Zuerst kommt eine Heimhilfe für 30 Minuten zum Betten machen und verrechnet zusätzlich 30 Minuten Wegzeit
Dann kommt eine Putzfrau für 2 Stunden und verrechnet zusätzlich 30 Minuten Wegzeit
Dann kommt eine Pflegerin für 30 Minuten zur Körperpflege und verrechnet zusätzlich 30 Minuten Wegzeit
Dann kommt eine diplomierte Krankenschwester für 30 Minuten zum Medikamenten einschachteln und verrechnet zusätzlich 30 Minuten Wegzeit
Dann kommt ein Handwerker (zB Elektriker zum Glühbirnenwechsel weil das die anderen nicht dürfen) für 5 Minuten und verrechnet zusätzlich 30 Minuten Wegzeit
Zahlen muß diesen bürokratisch gesteuerten IRRSINN der Kranke
Ehrenamtliche sind da flexibler. Da gibt es die Trennungen zwischen den Berufen nicht.
Wenn eine Tochter ihre kranke Mutter pflegt, tut sie Fieber messen, Bett machen, kochen, füttern, einkaufen, Geschirr waschen, Wäsche waschen, Staubsaugen, in die Apotheke gehen, Körperpflege, Medikamente einschachteln, Glühbirnen wechseln
Das ist der riiesige Vorteil der Ehrenamtlichen
Aber sie sind zum Hungertod verurteilt
Das ganze System funktioniert nicht mehr. Man sagt dazu "
Pflegemisère" #
Die Probleme sind so gewaltig und vielschichtig, daß sich kein Politiker darüber traut
Die Politiker versuchen nach Kräften zu verharmlosen, den Irrsinn schön reden, leugnen, Dampf plaudern, Schaum schlagen
Ich kenne genug Leute in der Pflege (Ehrenamtliche und Hauptberufliche) die von der Politik in ihren Nöten allein gelassen werden.
Und die Kranken werden auch allein gelassen. Viele liegen oft tagelang in Urin und Kot
Da braucht es Helfer, die zupacken können und keine Kirchentheoretiker
--
Wenn Du schreibst, daß Du die Bibel nicht ganz verstehst, so kann ich Dir sagen, daß ich glaube daß kein einziger Mensch auf der Welt die Bibel völlig versteht. Nicht einmal der Papst
Die Bibel ist ein Buch voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Ich gaube, daß zu 80 % Sprachschwierigkeiten Schuld sind. Jahrtausende alte Texte aus der orientalischen Begriffswelt sind eben kaum zu übersetzen
Viele biblische Wörter haben eben eine ganz andere Bedeutung (Multivalenz) und so wird das Ganze zur hilflosen Raterei
Den Kranken interessiert es nicht, ob altgriechisch Angelos im konkreten Fall Malach (hebr. König, Diktator, Gangsterboß, Clanchef, Stammeshäuptling, Räuberhauptmann oder Spion) oder Wächter oder Bote oder Unsterblicher bedeutet
Der Kranke registriert Deine liebevolle Mühewaltung und verehrt Dich insgeheim
Wenn Du ihm dann sagst "Jesus liebt dich", dann ist das religiöse Aussage genug
Ich wünsche Dir bei Deinem zukünftigen Lebensweg das allerbeste