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Die 2. Schöpfungsgeschichte und Adams Rolle bei der Schöpfung
#1
(abgetrennt aus "Jesus - Mensch oder Mythos?")

Wer die zweite Schoepfungsgeschichte in Genesis liest, stoesst eventuell auf den Ursprung der Idee, Jesus Christus sei bei Schoepfung dabei gewesen. Meist wird ja nur auf die erste Schoepfungsgeschichte geschaut, waehrend Kapitel zwei uebergangen und nur die Vertreibung aus dem Paradies im naechsten Kapitel betrachtet wird; aber da steht ja noch einmal eine komplette Schoepfungsgeschichte.

Dieses Mal wird am selben Tag (nur die Elberfelder macht deutlich, dass das dasselbe Wort fuer "Tag" ist, das im ersten Kapitel verwendet wird), an dem Himmel und Erde geschaffen werden (uebrigens verschiedene Tage im ersten Kapitel), der Mensch geschaffen. Hier wird der Mensch vor den Pflanzen und Tieren erschaffen.
"19 Gott, der HERR, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte sein Name sein." (EU)
Das heisst, Adam, der Mensch, war anwesend bei der Schoepfung, und Adam war es, der das Wort repraesentierte und jedem Tier seinen Namen gab. Was das Johannesevangelium also eigentlich macht, ist Jesus Christus mit dem Adam der Schoepfung (und mit dem Sophia/Logos-Gedanken der Weisheitsliteratur) verbinden.

Hier sieht man schoen, dass die Vergoettlichung des Menschen schon in Genesis angelegt ist und Mensch und Mythos schon dort verschmelzen. Das macht es dann bei Jesus nicht leichter, die Threadfrage zu beantworten.
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#2
(12-07-2021, 15:02)Ulan schrieb: "19 Gott, der HERR, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte sein Name sein." (EU)
Das heisst, Adam, der Mensch, war anwesend bei der Schoepfung, und Adam war es, der das Wort repraesentierte und jedem Tier seinen Namen gab

hmmm - so hab ich das noch nie gelesen

hier steht ja nicht, daß zwischen schöpfung der tiere und deren benennung durch den menschen nicht zeit für die schöpfung des menschen wäre. eine reihenfolge schöpfung des menschen (oder gar schöpfungsloses sein des menschen) - schöpfung der tiere - benennung durch den menschen kann ich hier nicht erkennen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#3
@petronius: Vielleicht doch mal kurz die Elberfelder:

"4 Dies ist die Entstehungsgeschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden. An dem Tag, als der HERR, Gott, Erde und Himmel machte 5 – noch war all das Gesträuch des Feldes nicht auf der Erde [...] - 7 da bildete der HERR, Gott, den Menschen ⟨aus⟩ Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele."

Dann geht's um den Garten, in den Gott den Menschen setzt, und hier weiter (EU):

18 Dann sprach Gott, der HERR: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist. 19 Gott, der HERR, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte sein Name sein."

D.h., der Grund fuer die Erschaffung der Tiere war, dass der Mensch zu dem Zeitpunkt vollkommen alleine war. Wir haben hier eine ganz andere Sichtweise auf die Schoepfung; alles dreht sich um Adam.

Die Reihenfolge ist:
1. Gott schafft Himmel und Erde (Vers 4)
2. Da die Erde knochentrocken war, brachte Gott einen Strom (oder Dunst) hervor, um das Land zu traenken.
3. Gott erschuf den Menschen (Vers 7).
4. Gott schuf einen Garten (zeitliche Abfolgen sind hier uebrigens durch "Dann" gekennzeichnet). Er pflanzte Baeume etc.
5. Gott setzte den Menschen in den Garten.
6. Damit der Mensch was zum Spielen hatte, machte Gott "die Tiere des Feldes und die Voegel des Himmels".
7. Gott sieht dass die Tiere keine adaequaten Partner des Menschen sind und macht die Frau aus der Rippe.

Apologeten stuerzen sich hier uebrigens gerne auf die "Tiere des Feldes", was sie zu Haustieren einengen, aber da auch alle Voegel des Himmels nach dem Menschen geschaffen werden und von diesem bei der Erschaffung benannt werden, liegt hier eine gegenueber dem vorherigen Kapitel umgekehrte Reihenfolge vor. Daneben gibt's noch genuegend andere Widersprueche zur ersten Geschichte. Das aus dem Sumerischen stammende erste Kapitel ist von einer Bedrohung durch zuviel Wasser gekennzeichnet, waehrend das zweite Kapitel eher in der Trockenheit das Problem sieht; Fische kommen hier erst gar nicht vor. Frauen sind hier spaeter geschaffene Anhaengsel; in der ersten Schoepfungsgeschichte werden Mann und Frau gemeinsam geschaffen.
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#4
(12-07-2021, 20:16)Ulan schrieb: Die Reihenfolge ist:
1. Gott schafft Himmel und Erde (Vers 4)
2. Da die Erde knochentrocken war, brachte Gott einen Strom (oder Dunst) hervor, um das Land zu traenken.
3. Gott erschuf den Menschen (Vers 7)

nun, schon 1) war ja wohl eine schöpfung - und da war der mensch nicht dabei

was eben nicht unbedingt zu deiner aussage paßt "Adam, der Mensch, war anwesend bei der Schoepfung"

von einer schöpfung der tiere ist bis zu vers 19 ja überhaupt nicht die rede. aber ok, ich sehe jetzt, warum du die schöpfung der tiere als den finalen schöpfungsakt liest. verschiedene übersetzungen enthalten offenbar verschiedene aussagen oder lassen zumindest verschiedene interpretationen zu
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#5
Nicht mal Pflanzen gab's bei der Schoepfung des Menschen. Der Mensch war das erste Geschoepf auf Erden, das Gott in dieser Version der Geschichte erschuf. Nur Himmel, Erde und Wasser kamen davor. Alles andere wurde fuer ihn geschaffen.

Wie auch immer, die Hauptrichtung dieses Threads ist die Beleuchtung der Rolle Adams. Anders als in Version 1, wo die ganze Welt schon fertig war, bevor der Mensch auftrat, und wo die Tiere ihre eigene Botschaft des "Seid fruchtbar und mehret Euch!" bekommen,  ist hier die Welt seine Spielwiese, auf ihn zugeschnitten. Auch die Idee des "Worts" ist hier schon gegeben. Namen hatten ihre ihnen innewohnende Kraft. Der Name Gottes soll nicht ausgesprochen werden, und hier ist es Adam, der das Wort ergreift. Er ist es, der allen Geschoepfen Namen gibt. Das meinte ich hier mit Schoepfungsakt. Die Bedeutung des Schoepfens durch das Wort ist es, die im Christentum besonders herausgestellt wird, und hier ist es Adam, der daran direkt teilnimmt.

Das fuehrte spaeter zu Ideen wie der von Adam Qadmon, und ich denke die Jesus-Idee, die Paulus ja in 1 Kor mit seinem Wort vom ersten und letztem Adam einfuehrt, ist daran angeknuepft.

(12-07-2021, 22:59)petronius schrieb: verschiedene übersetzungen enthalten offenbar verschiedene aussagen oder lassen zumindest verschiedene interpretationen zu

Ich fuerchte, es hat immer noch nicht geklickt. Es geht hier nicht (nur) um verschiedene Uebersetzungen. Das Buch Genesis enthaelt zwei vollkommen unabhaengige Schoepfungsberichte, die sich widersprechen und beide ohne Kommentar nebeneinandergestellt werden. Das ist eine von etwa 30 Dubletten (eine Geschichte gibt's sogar dreimal).
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#6
(12-07-2021, 23:27)Ulan schrieb: Nicht mal Pflanzen gab's bei der Schoepfung des Menschen

ach so?

hast du nicht grad oben noch geschrieben

4. Gott schuf einen Garten (zeitliche Abfolgen sind hier uebrigens durch "Dann" gekennzeichnet). Er pflanzte Baeume etc.
5. Gott setzte den Menschen in den Garten
?

Zitat:Wie auch immer, die Hauptrichtung dieses Threads ist die Beleuchtung der Rolle Adams. Anders als in Version 1, wo die ganze Welt schon fertig war, bevor der Mensch auftrat, und wo die Tiere ihre eigene Botschaft des "Seid fruchtbar und mehret Euch!" bekommen,  ist hier die Welt seine Spielwiese, auf ihn zugeschnitten

ja, soll meinetwegen sein

jeder darf sich bibeltexte so zurechtinterpretieren, wie es ihm paßt - zumindest wird das ja seit je schon so gemacht, und man weiß, was man davon zu halten hat, wenn jemand seine wahrheiten aus der bibel zieht

Zitat:Ich fuerchte, es hat immer noch nicht geklickt

auch das mag schon sein - bei dir nämlich

denn ich bestreite doch nicht, daß in der bibel alles mögliche und auch einander widersprechende steht - im gegenteil ist das meine standardbewertung "heiliger bücher" seit langem

ich verstehe den text nur offenbar nicht so wie du
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#7
(13-07-2021, 08:06)petronius schrieb:
(12-07-2021, 23:27)Ulan schrieb: Nicht mal Pflanzen gab's bei der Schoepfung des Menschen

ach so?

hast du nicht grad oben noch geschrieben

4. Gott schuf einen Garten (zeitliche Abfolgen sind hier uebrigens durch "Dann" gekennzeichnet). Er pflanzte Baeume etc.
5. Gott setzte den Menschen in den Garten
?

Die Erschaffung und Belebung des Menschens war Punkt 3, was Du beim Zitieren weggelassen hast. Dass bei der Erschaffung des Menschen "alles Gestraeuch des Feldes noch nicht auf der Erde" war, steht auch explizit da.

petronius schrieb:auch das mag schon sein - bei dir nämlich

denn ich bestreite doch nicht, daß in der bibel alles mögliche und auch einander widersprechende steht - im gegenteil ist das meine standardbewertung "heiliger bücher" seit langem

ich verstehe den text nur offenbar nicht so wie du

Schon gut. Das Lesen der ganzen Passage kann ich Dir auch nicht abnehmen, und dass da jeder seine eigene Interpretation drueberbuegeln kann, ist eh eine Binse. Tut die Kirche ja seit Jahrtausenden.


Aber wie gesagt, hier geht's weniger um apologetische oder andere Interpretationen dieser Art. Hier geht's halt darum, welchen Einfluss diese Passage, in der der urspruengliche Adam schon waehrend der Schoepfung der Tiere anwesend war, auf spaeteres juedisches Denken hatte. Die Idee, dass Gott bei der Schoepfung nicht alleine war, ist auch hier schon angelegt.
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#8
(13-07-2021, 08:49)Ulan schrieb: Die Erschaffung und Belebung des Menschens war Punkt 3, was Du beim Zitieren weggelassen hast. Dass bei der Erschaffung des Menschen "alles Gestraeuch des Feldes noch nicht auf der Erde" war, steht auch explizit da

na, dann können wir von mir aus gern weiter wortklauben:

5 Und allerlei Bäume auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und allerlei Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und es war kein Mensch, der das Land baute. 6 Aber ein Nebel ging auf von der Erde und feuchtete alles Land. 7 Und Gott der HERR machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase

die "allerlei Bäume" waren also wohl schon erschaffen (als samen), sie konnten nur mangels regen noch nicht wachsen (welchen sinn hätte sonst der verweis auf den fehlenden regen?). und erst dann "machte gott den Menschen"...

aber noch mal: es ist ziemlich wurscht, was man per solchen wortklaubereien in die biblichen texte hinein interpretieren will - daß es so oder so kein naturwissenschaftlicher tatsachenbericht ist, darin sind wir uns doch einig

es ist schlicht so, daß ich den eindruck hatte, du willst den menschen als eine art mitschöpfer sehen, der gott von anfang an bei der schöpfung assistiert hat - und ich kann das den texten so nicht entnehmen

das ist alles

Zitat:Das Lesen der ganzen Passage kann ich Dir auch nicht abnehmen

ich kann dich beruhigen: das brauchst du auch gar nicht. ich bin nämlich schon groß und kann selber lesen, sogar selber denken

Zitat:Hier geht's halt darum, welchen Einfluss diese Passage, in der der urspruengliche Adam schon waehrend der Schoepfung der Tiere anwesend war, auf spaeteres juedisches Denken hatte. Die Idee, dass Gott bei der Schoepfung nicht alleine war, ist auch hier schon angelegt.

kann sein. von späterem jüdischem schöpfungsdenken hab ich keine ahnung, kann und will dazu also gar nichts sagen - das war aber auch gar nicht thema der eröfnungsbeiträge dieses subthreads
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#9
Was fuer eine Uebersetzung hast Du da denn herausgekramt? Aber egal.

(13-07-2021, 10:40)petronius schrieb: es ist schlicht so, daß ich den eindruck hatte, du willst den menschen als eine art mitschöpfer sehen, der gott von anfang an bei der schöpfung assistiert hat - und ich kann das den texten so nicht entnehmen

Assistiert hat Adam bei der Schoepfung insofern, dass er jedem neugeschoepften Wesen einen Namen gab. Dass Namen in den juedischen Vorstellungen eine wichtigere Bedeutung hatten, als bei uns heute, wird ja schon aus der Behandlung des Gottesnamens YHWH deutlich. Namen bedeuteten auch Macht, und die Macht des Wortes als goettliches Wesen wird, wie bereits erwaehnt, auch im christlichen Glauben noch hochgehalten.

Dass hinter dieser Schoepfungsgeschichte ganz banale Zusammenhaenge stehen, ist uns klar, ja. Aber auch uns merkwuerdig erscheinende Interpretationen koennen letztlich eine lange Nachwirkung haben. Juedische Interpretationen sind voll von so etwas. Die Verbindung von Christus zu Adam wird bei Paulus explizit hergestellt, und da haben wir unsere "Logos"-Idee, die das Johannes-Evangelium einlaeutet.

Die Idee des Worts selbst als schoepfende Kraft ist sicherlich auch in der ersten Schoepfungsgeschichte eine zentrale, aber hier wird sie halt mit Adam verbunden.
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#10
(13-07-2021, 12:10)Ulan schrieb: Was fuer eine Uebersetzung hast Du da denn herausgekramt?

das erstbeste, was bibel-online ausgespuckt hat: luther 1912

Zitat:Aber egal.

richtig. allein schon aufgrund der unterschiedlichen überstzungen (ihrerseits ja zwangsläufig selber interpretationen) ist jedes wortklauberische sezieren, um bestimmte bedeutungen herauszuarbeiten, eher müßig

Zitat:Assistiert hat Adam bei der Schoepfung insofern, dass er jedem neugeschoepften Wesen einen Namen gab

ja, nur kam das bei mir als noch weitergehend an, eher in richtung mit-schöpfer
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#11
(13-07-2021, 13:01)petronius schrieb: ja, nur kam das bei mir als noch weitergehend an, eher in richtung mit-schöpfer

Richtig, und darum geht's ja auch in diesem Thread. Wo kam die Idee her, dass Gott einen Mitschoepfer hatte? Wie Du oder ich die Geschichte interpretieren, ist dafuer ja zweitrangig. Ich denke aber, die Antwort auf die Frage steckt - unter anderem - in dieser Interpretation der zweiten Adam-Geschichte.
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#12
(13-07-2021, 13:07)Ulan schrieb:
(13-07-2021, 13:01)petronius schrieb: ja, nur kam das bei mir als noch weitergehend an, eher in richtung mit-schöpfer

Richtig, und darum geht's ja auch in diesem Thread. Wo kam die Idee her, dass Gott einen Mitschoepfer hatte? Wie Du oder ich die Geschichte interpretieren, ist dafuer ja zweitrangig. Ich denke aber, die Antwort auf die Frage steckt - unter anderem - in dieser Interpretation der zweiten Adam-Geschichte.

der gedankliche sprung vom ersten menschen als mitschöpfer zur "Idee, Jesus Christus sei bei Schoepfung dabei gewesen" überfordert mich jetzt
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#13
Hmm, ja, vielleicht droesel ich das noch einmal auf. Am besten von hinten nach vorne, denn der hintere Teil ist ja wohl eher allgemein bekannt.

1. Was die Anwesenheit Jesu bei der Schoepfung gemaess christlicher Schriften angeht, ist der Fall ja klar. Man mag zwar Urmilschs genaue Wortwahl und die verquaste Logik verwerfen, aber die Zitate, die er bringt (Kolosser und Johannesevangelium), existieren ja. Den Anfang des Johannesevangeliums kennt, nehme ich mal an, jeder (EU):
"1 Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. 2 Dieses war im Anfang bei Gott. 3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. 4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. [...] 14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit."
Hier haben wir also Jesus als das Wort (den Logos), und Jesus als Gott, der bei Gott am Anfang dabei war und durch den alles geworden ist. Also der Part ist wohl jedem gelaeufig.

2. Der Logos ist Teil der Weisheitsliteratur, einer eigensstaendigen juedischen Literaturgattung, von denen einige Vertreter es auch in die Bibel geschafft haben. Logos (das Wort) und Sophia (die Weisheit)  sind dabei anthropomorphisierte, eigenstaendig handelnde Charaktere. Ein Beispiel ist die Rede der Sophia in Sprueche 8 (EU):
"22 Der HERR hat mich geschaffen als Anfang seines Weges, vor seinen Werken in der Urzeit; [1] 23 in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde. 24 Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen." Sie redet dann lang und breit, wie sie bei der Schoepfung dabei war.
Logos und Sophia werden in den verschiedenen Schriften dabei in austauschbaren Positionen verwendet. Was uns das sagen soll, wird hoffentlich spaeter klar. Hier geht's hauptsaechlich darum, dass wir hier vorchristliches juedisches Gedankengut vor uns haben.

3. Paulus war von der Weisheitsliteratur beeinflusst. Selbst wenn man Kolosser als unechten paulinischen Brief abtut, haben wir 1 Kor, wo Jesus der Fels war, der die Israeliten mit Moses durch die Wueste gefuehrt hat, und natuerlich im Kapitel 15 diese Passage, die uns der Verknuepfung von Jesus und Adam etwas naeher bringt (LUT):
"45 Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, »wurde zu einem lebendigen Wesen« (1. Mose 2,7), und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht. 46 Aber nicht der geistliche Leib ist der erste, sondern der natürliche; danach der geistliche."
Hier wird uebrigens schon auf den Text Bezug genommen, um den es in diesem Thread geht. Die Verknuepfung von erstem und letztem Adam kommt hier etwas unvermittelt, und Paulus kehrt hier die Reihenfolge um (in der christlichen Theologie geht es ja gerade um die Umkehrung dessen, was angeblich nach der Schoepfung schiefgelaufen ist). Sein "lebenspendender Geist", der zweite Adam, ist Jesus Christus. "22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden."
Fuer mehr, siehe das ganze Kapitel 15, das sozusagen das "Evangelium" des Paulus darstellt. Nur, wie kommt er auf das alles?

4. Die letzte Klammer, die ich hier erwaehnen will, ist Philon von Alexandrien. Er ist ein Zeitgenosse Jesu, und bei Paulus finden sich aehnliche Gedanken. Auch er beschreibt Logos und Sophia als den Felsen und das Wasser, die bei Moses und den Israeliten zugegen waren (das Bild von Gott als Felsen steht uebrigens schon im Deuteronomium). Was uns hier jetzt aber vor allem interessieren soll, sind die von ihm niedergeschriebenen Gedanken zum Anfang von Buch Genesis. Adam Qadmon habe ich oben schon erwaehnt, den "urspruenglichen Menschen" von Kabbalah und Haggada. Die Kabbalah ist spaet und soll hier nicht weiter interessieren, aber die Idee von Adam Qadmon, dem urspruenglichen Menschen, taucht in der uns vorliegenden Literatur zuerst bei Philon auf (Zitate nach der englischen Version des Wikipedia-Artikels). Der urpsruengliche Mensch "as being born in the image of God, has no participation in any corruptible or earthlike essence; whereas the earthly man is made of loose material, called a lump of clay" (Philo, De Allegoriis Legum, I. xii.). Der himmlische Mensch, als das perfekte Ebenbild des Logos, ist weder Mann noch Frau, sondern eine nichtkoerperliche Intelligenz, eine reine Idee. Der irdische Mensch, der von Gott spaeter geschaffen wurde, ist dagegen mit den Sinnen wahrnehmbar und hat "erdige" Eigenschaften (De Mundi Opificio, i. 46).
Hier haben wir jetzt also das Element des urspruenglichen Adams als dem Logos. Philons Texte zu Genesis und Exodus sind da recht aufschlussreich.

5. Ergaenzend kann man dann in den Talmud schauen, wo es tatsaechlich auch die Idee der zwei Adams gibt. Gut, es ist immer schwierig, herauszufinden, von wann die einzelnen Ideen im Talmud stammen, und die Fassungen, die wir kennen, sind aus dem ersten Jahrhundert n. Chr.; insofern muss das zwangslaeufig eine "weiche" Quelle bleiben. Trotzdem haben wir in Genesis Rabbah 8 einen Text, der sich mit den Widerspruechlichkeiten zwischen den beiden Schoepfungsgeschichten beschaeftigt. Ihre Loesung? In Genesis 1 haben wir die urspruengliche Schoepfung des Menschen als androgyn oder Zwitter im Ebenbild Gottes, und in Genesis 2 wird dieser dann in Mann und Frau gespalten, was den irdischen Menschen hervorbringt. Die Idee eines urpsruenglichen Adam war also nicht rein philonisch. Zum Threadthema ist das nur ein Seitenaspekt. Dass der Geist Adams bei der Schoepfung dabei war, steht auch in einem Midrasch.

Man ruehre das alles zusammen, was hier wohl auch kein Problem darstellt, da das alles aufeinander irgendwo aufbaut. Ich hoffe, der Gedankengang wird so etwas verstaendlicher.
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#14
(13-07-2021, 21:40)Ulan schrieb: Hier haben wir also Jesus als das Wort (den Logos), und Jesus als Gott, der bei Gott am Anfang dabei war und durch den alles geworden ist. Also der Part ist wohl jedem gelaeufig

ist geläufig - mir aber immer schon als prototypisch für den gläubischen hohlsprech erschienen, dem keine konkrete bedeutung zu entnehmen ist. ja, ok, soll halt "das wort" (was auch immer das sein mag) der urgrund von allem sein, und sich dann in alles mögliche verwandeln. daß das göttliche in verschiedenen erscheinungsformen auftritt, lernt doch jeder (heutige) christ schon ganz am anfang, wenn er versucht, die trinität zu verstehen

so erscheinen wort/geist, vater und sohn zwar als verschiedene (ausdrucks)formen des einen, sind aber eben nicht dasselbe. "das wort" war ja eben nicht von anfang an "fleisch", also jesus, sondern wurde das eben erst später, als der wanderprediger auf die bühne trat

Ulan schrieb:Der Logos ist Teil der Weisheitsliteratur, einer eigensstaendigen juedischen Literaturgattung, von denen einige Vertreter es auch in die Bibel geschafft haben. Logos (das Wort) und Sophia (die Weisheit)  sind dabei anthropomorphisierte, eigenstaendig handelnde Charaktere

nun, über dieses wissen verfügt der nichtjude natürlich üblicherweise nicht und es wird ja auch nicht in der christlichen lehre vermittelt. kein wunder also, daß ich (und vermutlich auch die große mehrzahl der anderen getauften) das mit dem "wort" noch nie verstanden habe

Zitat:Ich hoffe, der Gedankengang wird so etwas verstaendlicher.

ja, danke für die ausführliche erklärung. daß ich in dem von dir erläuterten denken keine logik zu erkennen vermag, liegt ja nicht an dir - sondern eben an diesem denken. viele glaubenssysteme erscheinen mir nicht logisch oder konsistent, man denke nur mal an urmilschs privatpantheismus

und, ja - ich weigere mich gern, mich auf unkonkrete metaphorische sprache einzulassen wie sie in den religionen offenbar sehr beliebt ist. was aber nicht dein problem sein kann
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#15
Schon klar. Ich interessiere mich halt fuer den Ursprung von gedanklichen Konzepten bei Glaubensvorstellungen, und deshalb habe ich da ein wenig reingeschaut. Das betrifft nicht nur den Anfang des Johannesevangeliums, den ich in meiner Jugend, freundlich ausgedrueckt, als "merkwuerdig" angesehen hatte. Spaeter stolperte ich auch ueber das "Aber" in dem von mir gebrachten Pauluszitat. Das habe ich eigentlich erst verstanden, als ich begriffen hatte, dass das urspruengliche, juedische Konzept andersherum funktionierte, aber halt schon in einer Form da war.

Zur Weisheitsliteratur in der Bibel gehoeren uebrigens Ijob, Kohelet, Sprüche, das Hohelied, das Buch der Weisheit, einige Psalmen und Jesus Sirach, wobei Kohelet nur durch ein (wahrscheinlich spaeter eingefuegtes) Anhaengsel ganz am Ende "orthodox" gemacht wird. Dass man als Christ im Religionsunterricht mit solchen Fragen nicht "belaestigt" wird, ist klar; wer zu oft ins AT schaut, stellt zu viele Fragen.

Die erste unter dieser Bezeichnung erwaehnte christliche Trinitaet bestand uebrigens aus Gott (Jahwe), Logos und Sophia, in einer Diskussion der Schoepfungsgeschichte, nur so am Rande angemerkt (Theophilus von Antiochia, Ende des 2. Jhdts.).
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