02-02-2025, 20:51
Moderner Nihilismus
Zu diesem Themenblock steuere ich dies und jenes bei, was mir in den Jahren so alles unter die Augen gekommen ist.- Bedanke mich im voraus für eure Geduld beim Lesen.-
Wir befinden uns auf dem Weg zum modernen Nihilismus. Hier herrscht eine scheinbar einleuchtende Idee vor, dass das Leben nach dem Tod genauso sein wird, wie das Leben vor dem Tod, - also gar nicht. Unser individuelles Leben besteht also lediglich darin, dass wir in einem sehr kurzen Zeitfenster leben.
Mehr Sinn im Leben oder gar Sinn des Lebens gibt es nicht. Was außerhalb dieses kurzen Zeitfensters passiert, erklärt die Naturwissenschaft. Wie die Dinge waren, bevor es den Menschen gab, kann die Physik erforschen. Da galten bereits die Naturgesetze, die Energieerhaltungssätze, Evolution, Strukturbildung … etc. - Und was nach den jetzt Lebenden kommt, ist im wesentlichen auch so wie jetzt, nur ohne die jetzt Lebenden.
Das leuchtet ein, scheint geradezu selbstverständlich zu sein.
In einem solchen Weltbild kann „Gott“ natürlich keine Rolle spielen.
Was soll er auch in solch einem Bild? ER/ES wäre dann nur ein unnötiger Zusatz, wie es einst Laplace gegenüber Napoleon äußerte: „Ich habe kein Bedürfnis für eine solche Hypothese.“
Wenn man also glaubt, dass die Wirklichkeit so ist, wie die Physik sie beschreibt, also Entfaltung von Materie und Energiestrukturen in der Raumzeit – und mehr gibt es nicht zu sagen … verschwindet „Gott“ und der Sinn unseres Lebens wird reduziert auf eine mehr oder weniger egoistische Bedürfnisbefriedigung = moderner Nihilismus.
Man kann in einer solchen Weltanschauung leben, aber immer um den Preis, den wir heute „erleben“ - bis hin zu einer Gefahr der Selbstausrottung! - Der moderne Kapitalismus - mit all seinen Vorzügen - kann nicht infrage gestellt werden. Zusammen mit dem Positivismus, dem Glauben, dass die Naturwissenschaften allein erklären, wie es um die menschliche Gesellschaft steht, ist die Quelle der derzeitigen ökologischen Krise.
Nicht nur ich meine, dass die Welt mehr ist, als nur die Summe der Materie, Puzzleteilchen, nur Verschiebungen materiell energetischer Systeme – und fertig hat man sie!
Aber, bekanntlich ist ja nicht ALLES naturwissenschaftlich erklärbar. Z.B., warum ist die Natur mathematisch beschreibbar?
Dazu schrieb Nobelpreisträger Eugene Wigner einen tollen Aufsatz:
„Die unvernünftige Effizienz der Mathematik“. Eine Differenzialgleichung ist ja selber nicht Teil der materiell energetischen Wirklichkeit. Nicht nur für mich sind deswegen die logischen, rationalen, mathematischen Ressourcen, mit denen der Mensch das Universum überhaupt entziffern kann, Merkmal eines Höheren.
Einhörner und Engel gibt es wirklich – zumindest als Fiktionen. Es gibt also „Wahrheiten“ über diese 2 Wörter, welche in verschiedenen „Formen“ literarisch vorkommen. Es gibt sie also und sei es in den Akten unserer Einbildung. Es gibt also Dinge, die bestehen in der Weise, wie wir an sie glauben! Wir glauben ja auch an Geld, freie Presse, Demokratie, Liebe … etc. Diese Dinge sind also abhängig davon, wie wir uns zu ihnen verhalten.
Selbst, wenn wir „Gott“ auf das Reich der „Einhörner“ reduzieren, was wir ja nicht können, wie jeder glauben darf, - selbst dann wäre „Gott“ immer noch die mächtigste Fiktion. Dann wäre seine Macht die, welche die relig. Schriften als „Werk“ haben. Das wäre immer noch eine Macht, die von dieser Fiktion ausgeht.
R. Descartes argumentierte, dass die „Gottesidee“ niemandem eingefallen sein kann, denn diese habe als Inhalt die Unendlichkeit selbst. Auch er vertrat den Gedanken, dass „Gott“ größer ist, als alles, was Menschen denken können. An dieser Schnittstelle berühren sich der „philosophische“ Gott und der Gott Abrahams. Aber auch Philosophie ist eine Wissenschaft der Grenzen – des Sagbaren und Denkbaren und den Grenzen unseres Wissens.
Auf der anderen Seite herrscht die Vorstellung, die Dinge seien so, wie die Physik oder die Neurowissenschaften es sagen.
Weder Philosophie, noch Naturwissenchaften können Antworten zu Fragen geben, die jenseits menschlicher Grenzen liegen. In die Transzendenz kann keiner „blicken“, man kann sie aber vor denjenigen schützen, die behaupten, es gäbe sie nicht. Das wäre einer der philosophischen Aufgaben in unserer Zeit.
Nicht nur ich „glaube“, dass es von uns unabhängige Bedeutung gibt! Nicht nur als Sprache oder strukturelle Bedeutung in der Form oder in mathematischen Gleichungen erfassbar, sondern auch die Erfahrung und Bedeutung des erfahrbaren eigenen Schicksals.
Jemand ist wirklich Atheist, wenn er glaubt, dass er die eigene Frau auch hätte nicht heiraten können.
Wenn man z.B. glaubt, der Genfer See ist „schön“, ist man religiös. Wenn man glaubt, er sieht nur „schön“ aus, dann ist man es nicht.
Atheisten müssen versuchen, alles auf das zu reduzieren, was sich mehr oder weniger einfach erklären lässt. D.h., LIEBE muss dann eine Funktion der Fortpflanzung sein …
Wir wären nicht frei geschaffene Wesen, wenn wir die Frage zur Existenz Gottes objektiv beantworten könnten. Ob wir es also nur mit einer Projektion zu tun haben, oder einer Erfassung, wie die Dinge sind. - Deswegen sagt ja I. Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“: „Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen.“ Das ist keine Ausrede, sondern das Bewusstsein dafür, dass sich diese Frage nur beantworten lässt, indem man den Sprung in den Glauben wagt. Der Atheismus ist nicht weniger naiv, als die Religionen, denn auch er ist ein Sprung in den Glauben, nämlich, dass wir alles wissenschaftlich erklären können, obwohl das faktisch nicht so ist.
Der Atheismus ist selber eine Form des Glaubens. Nur eben ein Glaube ohne „Gott“. Mehr auch ein Glaube an die Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens.
Aus psychotherapeutischer Sicht kann man fragen: Warum möchte man dann lieber glauben und hält es für weniger naiv, dass das menschliche Leben bedeutungslos ist, als dass die Dinge, die uns bedeutungsvoll erscheinen, es auch sind?
Kluge Antworten, aus existenzieller Perspektive, sind aber dazu leider Mangelware.
Man sollte aber darauf achten, dass weder Religionen, noch Philosophien unseren freien Gesellschaftsraum nicht übermäßig strukturieren. Das ist vernünftig, weil dies auf der Erkenntnis aufbaut, dass wir viele Dinge nicht wissen. Ein liberaler Rechtsstaat erträgt, anerkennt und fördert beides, - die Wissenschaften und religiöse Erfahrungen in der Wirklichkeit. Denn, ein Staat kann nicht wissen, dass es „Gott“ nicht gibt und die Naturwissenschaften können das Universum nicht vollständig erklären. Deswegen sind Religions- und Meinungsfreiheit vom Staat zu schützen!
Dass Religionen auch in vielen Fällen äußerst negativ besetzt sind, darf nicht unerwähnt bleiben. So kann der Dogmatismus vielen Menschen zuwider sein. Der Glaube, dass man bescheid weiß, ist eine Schwachstelle einer jeden organisierten Religion. D.h., Glauben wird dann plötzlich doch durch Wissen ersetzt und kann so z.B. Fundamentalismus generieren.
Eine Form des Aberglaubens wäre z.B., dass aus der persönlichen Erfahrung von Menschen mit der Transzendenz konkret abgeleitet werden kann, wie alle Menschen zu leben haben.
Die Gefahr der Religion ist, dass sie umschlägt, von einem persönlichem Erleben von Bedeutsamkeit in eine Anmaßung von Wissen dort, wo wir keines haben. Religion kann also nicht mehr sein als das, was Menschen wissen. - So kann uns z.B. das NT nichts über die Ethik Künstlicher Intelligenz sagen.
Auch zu einer medizinisch vertretbaren Form der Abtreibung können heilige Texte nichts Sinnvolles sagen.
Alles, was man tun kann, ist dafür zu sorgen, dass der Raum der Transzendenz geöffnet bleibt. Aber mit Wissensansprüchen in diesen Raum einzudringen, verletzt die Spielregeln der Religion.
Es bleibt das gemeinsame Abarbeiten an der Wirklichkeit, was man als neue Aufklärung benennen könnte. Die Frage, was sollen wir alle tun, was schulden wir einander als Menschen, muss in ein neuartiges Gespräch gebracht werden und somit neue Antworten für alle Sektoren der Gesellschaft kreieren.
Religiöse Fragen müssen also von Ethik-Kommissionen seriös an einem Tsch bearbeitet werden – auch wenn die Theologie aller Weltreligionen mit am Tisch sitzen darf.
Abschließend angemerkt:
Wenn das Leben nur den Sinn hätte, den wir ihm gäben, dann wäre dieses sich Selbstsetzen des Sinns, selber etwas, das schon da ist. Wir Menschen setzen das ja nicht noch mal. Wer also glaubt, dass das Leben nur den Sinn hat, den man ihm gibt, glaubt ja an seine eigene absolute Schöpferkraft.
D.h., die Idee Gottes ist dort anwesend, aber man hat sie von außen nach innen verlegt.
Der moderne Nihilismus glaubt letztlich, er sei selber an die Stelle Gottes getreten und ist deswegen nicht ansatzweise so atheistisch, wie er gerne vorgibt.
Man kann „Gott“ um vieles bitten, das heißt aber noch lange nicht, dass er zuhört. - denn er ist nicht Teil eines Algorithmus.
So ist auch ein Wunschgebet aus der angenommenen Perspektive Gottes noch lange nicht relevant.
Wenn es keinen Gott gäbe, würden ihn Menschen erfinden. Und darin kann man mit den Atheisten einig sein. Entweder gibt es einen Gott, unabhängig von unsere Vorstellungen/Projektionen, oder Gott ist mindestens unsere Projektion, wie es u.a. auch F. Hegel äußerte. Das bedeutet, Gott ist die Idee von etwas, auf das wir nur stoßen können, wenn wir es nicht selbst gemacht haben. Gott und die Wirklichkeit wären demnach dasselbe.
Sollte es Gott wirklich geben, muss er immer eine Seite der Transzendenz haben, wenn es ihn denn gibt, und kann von keiner menschlichen Vorstellung getroffen oder gar abgebildet werden.
Wenn also Gott die mächtigste Fiktion ist und nicht ein „fliegendes Spaghettimonster“ (usw.), dann muss Gott eine andere Seite haben, die wir weder sehen noch strukturieren können. Das Bilderverbot is also eine „vernünftige“ Regelung.
Moses bekam von Gott (dem brennenden Dornenbusch) auf seine neugierige Frage „wer bist Du eigentlich“ lediglich die Antwort: „Ich werde sein, der ich sein werde.“
Die Pointe dabei ist, dass wir nur einen Teil Gottes denken können. Der Rest bleibt entzogen damit es eben einen Unterschied gibt, zwischen der mächtigsten Fiktion (wie sie als Fiktion in der Bibel existiert) und der Frage, ob er wirklich existiert.
Die seit jeher so oft gestellte Frage, ob Gott nun existiert, lässt sich nicht in der Mehrzahl von Interpretationen beantworten.
Gruß von Reklov
Zu diesem Themenblock steuere ich dies und jenes bei, was mir in den Jahren so alles unter die Augen gekommen ist.- Bedanke mich im voraus für eure Geduld beim Lesen.-
Wir befinden uns auf dem Weg zum modernen Nihilismus. Hier herrscht eine scheinbar einleuchtende Idee vor, dass das Leben nach dem Tod genauso sein wird, wie das Leben vor dem Tod, - also gar nicht. Unser individuelles Leben besteht also lediglich darin, dass wir in einem sehr kurzen Zeitfenster leben.
Mehr Sinn im Leben oder gar Sinn des Lebens gibt es nicht. Was außerhalb dieses kurzen Zeitfensters passiert, erklärt die Naturwissenschaft. Wie die Dinge waren, bevor es den Menschen gab, kann die Physik erforschen. Da galten bereits die Naturgesetze, die Energieerhaltungssätze, Evolution, Strukturbildung … etc. - Und was nach den jetzt Lebenden kommt, ist im wesentlichen auch so wie jetzt, nur ohne die jetzt Lebenden.
Das leuchtet ein, scheint geradezu selbstverständlich zu sein.
In einem solchen Weltbild kann „Gott“ natürlich keine Rolle spielen.
Was soll er auch in solch einem Bild? ER/ES wäre dann nur ein unnötiger Zusatz, wie es einst Laplace gegenüber Napoleon äußerte: „Ich habe kein Bedürfnis für eine solche Hypothese.“
Wenn man also glaubt, dass die Wirklichkeit so ist, wie die Physik sie beschreibt, also Entfaltung von Materie und Energiestrukturen in der Raumzeit – und mehr gibt es nicht zu sagen … verschwindet „Gott“ und der Sinn unseres Lebens wird reduziert auf eine mehr oder weniger egoistische Bedürfnisbefriedigung = moderner Nihilismus.
Man kann in einer solchen Weltanschauung leben, aber immer um den Preis, den wir heute „erleben“ - bis hin zu einer Gefahr der Selbstausrottung! - Der moderne Kapitalismus - mit all seinen Vorzügen - kann nicht infrage gestellt werden. Zusammen mit dem Positivismus, dem Glauben, dass die Naturwissenschaften allein erklären, wie es um die menschliche Gesellschaft steht, ist die Quelle der derzeitigen ökologischen Krise.
Nicht nur ich meine, dass die Welt mehr ist, als nur die Summe der Materie, Puzzleteilchen, nur Verschiebungen materiell energetischer Systeme – und fertig hat man sie!
Aber, bekanntlich ist ja nicht ALLES naturwissenschaftlich erklärbar. Z.B., warum ist die Natur mathematisch beschreibbar?
Dazu schrieb Nobelpreisträger Eugene Wigner einen tollen Aufsatz:
„Die unvernünftige Effizienz der Mathematik“. Eine Differenzialgleichung ist ja selber nicht Teil der materiell energetischen Wirklichkeit. Nicht nur für mich sind deswegen die logischen, rationalen, mathematischen Ressourcen, mit denen der Mensch das Universum überhaupt entziffern kann, Merkmal eines Höheren.
Einhörner und Engel gibt es wirklich – zumindest als Fiktionen. Es gibt also „Wahrheiten“ über diese 2 Wörter, welche in verschiedenen „Formen“ literarisch vorkommen. Es gibt sie also und sei es in den Akten unserer Einbildung. Es gibt also Dinge, die bestehen in der Weise, wie wir an sie glauben! Wir glauben ja auch an Geld, freie Presse, Demokratie, Liebe … etc. Diese Dinge sind also abhängig davon, wie wir uns zu ihnen verhalten.
Selbst, wenn wir „Gott“ auf das Reich der „Einhörner“ reduzieren, was wir ja nicht können, wie jeder glauben darf, - selbst dann wäre „Gott“ immer noch die mächtigste Fiktion. Dann wäre seine Macht die, welche die relig. Schriften als „Werk“ haben. Das wäre immer noch eine Macht, die von dieser Fiktion ausgeht.
R. Descartes argumentierte, dass die „Gottesidee“ niemandem eingefallen sein kann, denn diese habe als Inhalt die Unendlichkeit selbst. Auch er vertrat den Gedanken, dass „Gott“ größer ist, als alles, was Menschen denken können. An dieser Schnittstelle berühren sich der „philosophische“ Gott und der Gott Abrahams. Aber auch Philosophie ist eine Wissenschaft der Grenzen – des Sagbaren und Denkbaren und den Grenzen unseres Wissens.
Auf der anderen Seite herrscht die Vorstellung, die Dinge seien so, wie die Physik oder die Neurowissenschaften es sagen.
- I.Kant hielt nicht ohne Grund die Metaphysik für eine Quelle des Unglaubens. Ihm waren also die sich stets verschiebenden Grenzen bewusst. Diese Grenzen sind beweglich, weil sich auch die Menschen bewegen, durch Fortschritt im Wissen entwickeln.
Weder Philosophie, noch Naturwissenchaften können Antworten zu Fragen geben, die jenseits menschlicher Grenzen liegen. In die Transzendenz kann keiner „blicken“, man kann sie aber vor denjenigen schützen, die behaupten, es gäbe sie nicht. Das wäre einer der philosophischen Aufgaben in unserer Zeit.
Nicht nur ich „glaube“, dass es von uns unabhängige Bedeutung gibt! Nicht nur als Sprache oder strukturelle Bedeutung in der Form oder in mathematischen Gleichungen erfassbar, sondern auch die Erfahrung und Bedeutung des erfahrbaren eigenen Schicksals.
Jemand ist wirklich Atheist, wenn er glaubt, dass er die eigene Frau auch hätte nicht heiraten können.

Wenn man z.B. glaubt, der Genfer See ist „schön“, ist man religiös. Wenn man glaubt, er sieht nur „schön“ aus, dann ist man es nicht.

Atheisten müssen versuchen, alles auf das zu reduzieren, was sich mehr oder weniger einfach erklären lässt. D.h., LIEBE muss dann eine Funktion der Fortpflanzung sein …
Wir wären nicht frei geschaffene Wesen, wenn wir die Frage zur Existenz Gottes objektiv beantworten könnten. Ob wir es also nur mit einer Projektion zu tun haben, oder einer Erfassung, wie die Dinge sind. - Deswegen sagt ja I. Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“: „Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen.“ Das ist keine Ausrede, sondern das Bewusstsein dafür, dass sich diese Frage nur beantworten lässt, indem man den Sprung in den Glauben wagt. Der Atheismus ist nicht weniger naiv, als die Religionen, denn auch er ist ein Sprung in den Glauben, nämlich, dass wir alles wissenschaftlich erklären können, obwohl das faktisch nicht so ist.
Der Atheismus ist selber eine Form des Glaubens. Nur eben ein Glaube ohne „Gott“. Mehr auch ein Glaube an die Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens.
Aus psychotherapeutischer Sicht kann man fragen: Warum möchte man dann lieber glauben und hält es für weniger naiv, dass das menschliche Leben bedeutungslos ist, als dass die Dinge, die uns bedeutungsvoll erscheinen, es auch sind?
Kluge Antworten, aus existenzieller Perspektive, sind aber dazu leider Mangelware.
Man sollte aber darauf achten, dass weder Religionen, noch Philosophien unseren freien Gesellschaftsraum nicht übermäßig strukturieren. Das ist vernünftig, weil dies auf der Erkenntnis aufbaut, dass wir viele Dinge nicht wissen. Ein liberaler Rechtsstaat erträgt, anerkennt und fördert beides, - die Wissenschaften und religiöse Erfahrungen in der Wirklichkeit. Denn, ein Staat kann nicht wissen, dass es „Gott“ nicht gibt und die Naturwissenschaften können das Universum nicht vollständig erklären. Deswegen sind Religions- und Meinungsfreiheit vom Staat zu schützen!
Dass Religionen auch in vielen Fällen äußerst negativ besetzt sind, darf nicht unerwähnt bleiben. So kann der Dogmatismus vielen Menschen zuwider sein. Der Glaube, dass man bescheid weiß, ist eine Schwachstelle einer jeden organisierten Religion. D.h., Glauben wird dann plötzlich doch durch Wissen ersetzt und kann so z.B. Fundamentalismus generieren.
Eine Form des Aberglaubens wäre z.B., dass aus der persönlichen Erfahrung von Menschen mit der Transzendenz konkret abgeleitet werden kann, wie alle Menschen zu leben haben.
Die Gefahr der Religion ist, dass sie umschlägt, von einem persönlichem Erleben von Bedeutsamkeit in eine Anmaßung von Wissen dort, wo wir keines haben. Religion kann also nicht mehr sein als das, was Menschen wissen. - So kann uns z.B. das NT nichts über die Ethik Künstlicher Intelligenz sagen.
Auch zu einer medizinisch vertretbaren Form der Abtreibung können heilige Texte nichts Sinnvolles sagen.
Alles, was man tun kann, ist dafür zu sorgen, dass der Raum der Transzendenz geöffnet bleibt. Aber mit Wissensansprüchen in diesen Raum einzudringen, verletzt die Spielregeln der Religion.
Es bleibt das gemeinsame Abarbeiten an der Wirklichkeit, was man als neue Aufklärung benennen könnte. Die Frage, was sollen wir alle tun, was schulden wir einander als Menschen, muss in ein neuartiges Gespräch gebracht werden und somit neue Antworten für alle Sektoren der Gesellschaft kreieren.
Religiöse Fragen müssen also von Ethik-Kommissionen seriös an einem Tsch bearbeitet werden – auch wenn die Theologie aller Weltreligionen mit am Tisch sitzen darf.
Abschließend angemerkt:
Wenn das Leben nur den Sinn hätte, den wir ihm gäben, dann wäre dieses sich Selbstsetzen des Sinns, selber etwas, das schon da ist. Wir Menschen setzen das ja nicht noch mal. Wer also glaubt, dass das Leben nur den Sinn hat, den man ihm gibt, glaubt ja an seine eigene absolute Schöpferkraft.
D.h., die Idee Gottes ist dort anwesend, aber man hat sie von außen nach innen verlegt.
Der moderne Nihilismus glaubt letztlich, er sei selber an die Stelle Gottes getreten und ist deswegen nicht ansatzweise so atheistisch, wie er gerne vorgibt.
Man kann „Gott“ um vieles bitten, das heißt aber noch lange nicht, dass er zuhört. - denn er ist nicht Teil eines Algorithmus.
So ist auch ein Wunschgebet aus der angenommenen Perspektive Gottes noch lange nicht relevant.
Wenn es keinen Gott gäbe, würden ihn Menschen erfinden. Und darin kann man mit den Atheisten einig sein. Entweder gibt es einen Gott, unabhängig von unsere Vorstellungen/Projektionen, oder Gott ist mindestens unsere Projektion, wie es u.a. auch F. Hegel äußerte. Das bedeutet, Gott ist die Idee von etwas, auf das wir nur stoßen können, wenn wir es nicht selbst gemacht haben. Gott und die Wirklichkeit wären demnach dasselbe.
Sollte es Gott wirklich geben, muss er immer eine Seite der Transzendenz haben, wenn es ihn denn gibt, und kann von keiner menschlichen Vorstellung getroffen oder gar abgebildet werden.
Wenn also Gott die mächtigste Fiktion ist und nicht ein „fliegendes Spaghettimonster“ (usw.), dann muss Gott eine andere Seite haben, die wir weder sehen noch strukturieren können. Das Bilderverbot is also eine „vernünftige“ Regelung.
Moses bekam von Gott (dem brennenden Dornenbusch) auf seine neugierige Frage „wer bist Du eigentlich“ lediglich die Antwort: „Ich werde sein, der ich sein werde.“
Die Pointe dabei ist, dass wir nur einen Teil Gottes denken können. Der Rest bleibt entzogen damit es eben einen Unterschied gibt, zwischen der mächtigsten Fiktion (wie sie als Fiktion in der Bibel existiert) und der Frage, ob er wirklich existiert.
Die seit jeher so oft gestellte Frage, ob Gott nun existiert, lässt sich nicht in der Mehrzahl von Interpretationen beantworten.

Gruß von Reklov