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Die Frage ist ja, ob man überhaupt anders handeln kann, als man handelt.
Sind Handlungen nicht auf die Aggregation vieler Ursachen zurückzuführen? Ich meine ja. Ich habe gelesen, dass unser Gehirn deterministisch arbeiten würde.
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
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@Humanist
Ich verweise auf meinen Beitrag #43 auf S. 3. Ob das Gehirn determiniert arbeitet, hat angesichts der Labilität gegenüber winzigsten Ursachen und deren Vielzahl überhaupt keine Bedeutung.
Selbstredend kann man nur dann anders handeln, wenn es Alternativen gibt. Dann, wenn diese nicht gegeben sind oder man
genötigt wird, kann man nur den Weg gehen, der vorgezeichnet ist.
Das spezielle Problem des "freien Willens" ist, dass man, sind die Würfel gefallen, die ursprüngliche Frage nicht mehr stellen
kann.
Das ganze Thema krankt an der Prüfbarkeit im Nachhinein. Im Vorhinein sind Alternativen der Regelfall und wir entscheiden nach einer Vielzahl von Kriterien, insbesondere solchen, die unserer Haltung dem jeweiligen Problem gegenüber entsprechen.
Weil die Haltung eine wesentliche Rolle spielt, richten sich Belobigung oder Sanktion auch eher nach unserer Haltung. Bei Mordprozessen heißt es ja ganz deutlich: Tötung "aus niedrigen Beweggründen".
Und an unserer Haltung können wir im Allgemeinen im Vorhinein "arbeiten", schlimmstenfalls mit fremder Hilfe. Darin besteht eine gewisse Freiwilligkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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Hallo Ekkard
Ich beziehe mich auf diese Rezension:
http://hpd.de/node/8116?page=0,3
Zitat:Eine Version des freien Willens ist vereinbar mit dem Determinismus, auf dessen Grundlage zwar nicht die ganze Welt, aber wahrscheinlich unser Gehirn funktioniert. Er vermutet, dass deterministisches Chaos die Quelle unserer Kreativität sein könnte. Stenger sagt, Quantenprozesse spielten im Gehirn keine Rolle, weil es eine zu hohe Temperatur hat und weil die relevanten Teile zu groß sind.
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Defintion deterministisches Chaos (Wiki):
"Deterministisches Chaos ist ein irregulär erscheinendes chaotisches Verhalten, welches jedoch den Regeln einer deterministischen Dynamik folgt."
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19-11-2009, 20:01 von petronius.)
(19-11-2009, 17:29)humanist schrieb: Die Frage ist ja, ob man überhaupt anders handeln kann, als man handelt.
Sind Handlungen nicht auf die Aggregation vieler Ursachen zurückzuführen? Ich meine ja. Ich habe gelesen, dass unser Gehirn deterministisch arbeiten würde.
wir müssen da präzise definieren, was wir unter "determinismus" verstehen. für makroskopische physikalisch/chemische vorgänge darf angenommen werden, daß sie der kausalität folgen. theoretisch wären somit auch komplexe systeme determiniert, sprich vorherberechenbar
in der praxis aber wird jedes system ab einer bestimmten komplexität deterministisch chaotisch, d.h., geringste abweichungen in den ausgangsbedingungen rufen riesige unterschiede im ergebnis hervor. das heißt: selbst wenn wir alle randbedingungen kennten und mit einkalkulieren könnten (was praktisch ja auch nicht gegeben bzw. möglich ist), könnten wir nichts vorherberechnen, weil wir die größe, den wert der bedingungen nicht exakt wissen bzw. bestimmen können
harald lesch hat das heute morgen im radio so schön benannt mit:
schwache kausalität: exakt gleiche ursachen rufen exakt gleiche wirkungen hervor (das gilt immer)
starke kausalität: ähnliche ursachen rufen ähnliche wirkungen hervor (das gilt keineswegs immer, genauer gesagt: nur im ausnahmefall nicht komplexer, nicht chaotischer linearer systeme)
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(19-11-2009, 19:59)petronius schrieb: aber wird jedes system ab einer bestimmten komplexität deterministisch chaotisch, d.h., geringste abweichungen in den ausgangsbedingungen rufen riesige unterschiede im ergebnis hervor. das heißt: selbst wenn wir alle randbedingungen kennten und mit einkalkulieren könnten (was praktisch ja auch nicht gegeben bzw. möglich ist), könnten wir nichts vorherberechnen, weil wir die größe, den wert der bedingungen nicht exakt wissen bzw. bestimmen können
Bei deterministischem Chaos sind zwar nicht mehr eindeutig die Ursachen feststellbar,
es bleibt trotzden deterministisch.
Bleibt die Frage offen, welches Einfluss Quantenprozesse tatsächlich auf das Gehirn haben,
oder wie von Stenger gesagt, im Gehirn keine Rolle spielen.
Tun sie das nicht, wäre das Gehirn als deterministisch anzusehen.
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(19-11-2009, 20:06)humanist schrieb: [quote='petronius' pid='65324' dateline='1258653570']
aber wird jedes system ab einer bestimmten komplexität deterministisch chaotisch, d.h., geringste abweichungen in den ausgangsbedingungen rufen riesige unterschiede im ergebnis hervor. das heißt: selbst wenn wir alle randbedingungen kennten und mit einkalkulieren könnten (was praktisch ja auch nicht gegeben bzw. möglich ist), könnten wir nichts vorherberechnen, weil wir die größe, den wert der bedingungen nicht exakt wissen bzw. bestimmen können
Zitat:Bei deterministischem Chaos sind zwar nicht mehr eindeutig die Ursachen feststellbar,
es bleibt trotzden deterministisch
selbstverständlich. die eindeutige ursachenfeststellung scheitert allerdings bereits ohne chaotische zustandsänderung an der nicht erfaßbaren komplexität realer systeme. nicht umsonst werden naturwissenschaftliche experimente immer so aufgebaut, daß bis auf bestenfalls nur einen einflußparameter alle übrigen ausgeschaltet werden. hängt etwa ein phänomen von druck, temperatur, strahlungsdichte und konzentration ab, so muß ich druck, temperatur und strahlungsdichte im experiment absolut konstant halten, um im sinne der eindeutigen ursachenfeststellung den konzentrationseinfluß qua messung zu quantifizieren
(19-11-2009, 20:06)humanist schrieb: Bleibt die Frage offen, welches Einfluss Quantenprozesse tatsächlich auf das Gehirn haben,
oder wie von Stenger gesagt, im Gehirn keine Rolle spielen.
Tun sie das nicht, wäre das Gehirn als deterministisch anzusehen.
das stimmt wohl. ob nun aber der denk- oder erkenntnisprozeß nicht noch durch auf die gehirnfunktion aufsetzende eventuell nichtdeterministische psychische abläufe bestimmt wird, können wir wohl nicht entscheiden
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(19-11-2009, 21:53)petronius schrieb: das stimmt wohl. ob nun aber der denk- oder erkenntnisprozeß nicht noch durch auf die gehirnfunktion aufsetzende eventuell nichtdeterministische psychische abläufe bestimmt wird, können wir wohl nicht entscheiden
Hmm. Ergibt sich aus der deterministischen Funktionsweise (was fraglich ist) des Gehirns nicht automatisch ein deterministischer Denkprozess?
Ein nichtdeterministisches System als Teil eines deterministischen ist irgendwie unlogisch.
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(19-11-2009, 22:15)humanist schrieb: (19-11-2009, 21:53)petronius schrieb: das stimmt wohl. ob nun aber der denk- oder erkenntnisprozeß nicht noch durch auf die gehirnfunktion aufsetzende eventuell nichtdeterministische psychische abläufe bestimmt wird, können wir wohl nicht entscheiden
Hmm. Ergibt sich aus der deterministischen Funktionsweise (was fraglich ist) des Gehirns nicht automatisch ein deterministischer Denkprozess?
was ist der denkprozeß?
beruht er tatsächlich nur auf physik und chemie in einem biologischen system?
ich bin mir da nicht sicher
(19-11-2009, 22:15)humanist schrieb: Ein nichtdeterministisches System als Teil eines deterministischen ist irgendwie unlogisch
in meiner hypothese wäre es ja auch ein gesamtsystem, bestehend aus einem deterministischen (in einem definiert vernetzten system von synapsen feuernde neuronen) und einem nichtdeterministischen ( nennen wir es mal "psychischen") anteil. als ganzes also nichtdeterministisch
interessanter artikel zu diesem problem, wenn auch nicht ganz aus meiner blickwarte (ich gehe nicht unbedingt davon aus, daß sich für physische und psychische denk- bzw. bewußtseinsvoränge eine gemeinsame sprache zur adäquaten beschreibung finden läßt):
http://www.zeit.de/1996/14/Phantasie_und...e_Neuronen
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20-11-2009, 13:54
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20-11-2009, 13:54 von humanist.)
Interessanter Artikel, auch wenn ich nicht alles verstanden habe.
Descartes hat dem Geist/Seele die Kontrolle über das Gehirn übertragen (Dualismus).
Später zeigte sich durch die Hirnforschung, dass Geist nichts anderes als ein besonderer Zustand von Gehirntätigkeit sein könnte (Reduktionismus).
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Über Gehrinfunktion wird hier geredet.
Über Denken und dann wieder über Erkenntnis.
Geist wird als Funktion des Gehirns bezeichnet.
Determiniert könnte etwas sein, stark oder schwach oder auch gar nicht.
Ich habe Zweifel an der (nicht so deutlich geäußerten) Vermutung, Wille hätte ausschließlich mit Gehirn zu tun.
Gehirn ist ein Körperteil. Als Körper ist es Teil der Umwelt.
Ich bevorzuge die Vorstellung, daß Wille und Ich auch anderswo verwurzelt sind, nicht nur im Gehirn.
Und das Denken über Freiheit ist m.E. noch lange nicht Vollzug von Freiheit.
Gruß Dornbusch
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Hast du konkrete Vorstellungen, wo der Wille noch verwurzelt sein könnte?
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(20-11-2009, 15:17)Dornbusch schrieb: Geist wird als Funktion des Gehirns bezeichnet
jein
ohne gehirnfunktion kein "geist" - das seh ich schon so
aber ob der "geist" rein in der biophysik der nervenfunktionen festgelegt ist - da bin ich mir nicht sicher
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(20-11-2009, 15:19)Romero schrieb: Hast du konkrete Vorstellungen, wo der Wille noch verwurzelt sein könnte? Ich denke: In der Beziehung zur Welt und zum Mitmenschen. Bei Kindern kann man gut beobachten, wie der Wille zum Mitmachen von Person zu Person variiert.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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Wird diese Beziehung bzw. dieser Wille nicht im Gehirn verarbeitet und gesteuert?
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