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(13-09-2010, 17:18)Ekkard schrieb: Ich verstehe den Einspruch gerade nicht. "Beziehungserfahrung" ist das, was man auch Gruppendynamik nennt
ja, die beziehungerfahrung in einer gruppe (die sich keineswegs immer an gemeinsam geglaubtem orientiert) kann man auch als "gruppendynamik" beschreiben. aber hier ging es ja um die "beziehungserfahrung mit gott"
Zitat:Intersubjektivität sehe ich hier zwar beschränkt auf eine kleine Gruppe
es gibt gemeinschaftliche glaubenserfahrungen - aber viel mehr individuelle
Zitat:aber der Schizophrene kann seine Eindrücke nicht auf das "gemeinsam Geglaubte" beziehen. Es ist allein auf seine Person beschränkt. Das kann ja kaum dasselbe sein
dann sag mir doch mal, wie z.b. deine gefühle beim gebet, bei der zwiesprache mit gott, nicht genauso "allein auf deine Person beschränkt" sein sollen. religiöser glaube ist doch nicht immer, ja noch nicht mal in erster linie, mentaler ringelpiez mit anfassen
Zitat:Klar spielen beim "gemeinsam Geglaubten" gewisse Bilder u.a. auch Gottesbilder eine Rolle. Aber "man" weiß doch oder ahnt es wenigstens, dass diese Bilder Krücken sind, um den Glauben auszudrücken
und krücken sind für dich keine hilfsmittel, sondern stehen dem ziel im wege?
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(13-09-2010, 20:27)Wendelin schrieb: Zitat:ich sagte nur, daß dem stimmen hörenden oder gott empfindenden seine wahrnehmungen real sind.
Woher willst du das wissen?
aus gesprächen mit betroffenen
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(13-09-2010, 12:20)petronius schrieb: (11-09-2010, 22:08)Ekkard schrieb: Von Natur aus würde ich zur Realität nur das zählen, was sich empirisch durch Wirkung messen lässt und zwar in physikalischen Einheiten.
Aber ich wurde korrigiert: subjektive "Beziehungserfahrungen" seien genauso real - zumindest für diejenigen Individuen, die in bzw. mit jener Beziehung leben. Damit sind "abgleichbare", intersubjektive Abstraktionen der Beziehungserfahrung ebenfalls "real", weil gleichartig (auf Menschen) wirkend.
Die Trugbilder der Haluzination zeichnen sich dadurch aus, dass sie keiner Beziehungserfahrung entspringen und folglich auch nicht intersubjektiv abgeglichen werden können. Sie sind demnach nicht real.
einspruch!
deine angebliche "beziehungserfahrung" mit gott ist genausowenig intersubjektiv abgleichbar. schon weil sie nach deiner meinung ja gar nicht formuliert werden kann bzw. darf (wäre ja dann ein "gottesbild"). was also willst du dann und woran willst du es abgleichen?
ich bin mir ziemlich sicher, daß der schizophrene genauso mit seiner halluzination lebt wie der gläubige mit deiner "beziehungserfahrung"
Doch - diese Beziehungserfahrungen sind unter den Menschen, die sie hatten, doch in vieler Beziehung und oft abgleichbar.
Und sie sind auch für viele Leute nachvollziehbar, die sie nicht hatten oder nur in minimalen Ansätzen. Dafür bin ich ein Beispiel.
Extrasubjektiv ist abgleichbar, dass in den meisten bekannten Fällen diese Erfahrungen einen sehr starken Einfluss auf das weitere Leben derer hatten, die die Erfahrungen gemacht haben.
Teilwise in der Art, dass die Menschen ihr Leben lang versucht haben, einen Weg zu finden, diese Erfahrung wieder zu haben und wenn möglich nicht nur für eine kurze Zeit.
Bei vielen anderen hat es ihr Leben völli umgekrempelt - man denke an Paulus, an Franz v. Assisi - aber auch sehr oft bei Leuten, die weniger bis gar nicht bekannt sind.
Ob das bei Schizophrenen auch so ist, weiß ich nicht, möchte es aber eher bezweifeln.
Ich lese gerade weiter im thread und möchte betonen, dass ich damit in keinster Weise Gruppendynamik meine.
Gotteserfahrung kann in einer Gruppe vielleicht individuell oder auch für einige bis alle Mitglieder vorkommen - aber sie ist wohl keineswegs so einschneidend/langdauernder Einfluss wie das, was ich oben beschrieben habe.
Auperdem sind die meisten solcher mystischen Erfahrungen völlig unerwartet gekommen und in Situationen, wo sie völlig absurd waren und meist gar nichts mit ihrem Glauben oder Weltanschauung zu tun hatten - auch nicht gegensätzlich. In dieser Beziehung sind Saulus und Franz v. A. eher die Ausnahme.
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Angenommen, die Mitglieder einer Gruppe erleben tatsächlich innerlich dieselbe religiöse Erfahrung - woran ich zweifle.
Warum sollte dies einen Unterschied zu einer individuellen Wahnvorstellung machen? Dann ist es eben eine gemeinsame Wahnvorstellung.
Der Unterschied zu Verrückten in der Irrenanstalt ist die Harmlosigkeit der meisten Gläubigen. Sie erheben keinen Wahrheitsanspruch und schreiben anderen nichts vor.
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(14-09-2010, 15:59)agnostik schrieb: Extrasubjektiv ist abgleichbar, dass in den meisten bekannten Fällen diese Erfahrungen einen sehr starken Einfluss auf das weitere Leben derer hatten, die die Erfahrungen gemacht haben.
Teilwise in der Art, dass die Menschen ihr Leben lang versucht haben, einen Weg zu finden, diese Erfahrung wieder zu haben und wenn möglich nicht nur für eine kurze Zeit
klingt wie die klassische drogenkarriere
Zitat:Gotteserfahrung kann in einer Gruppe vielleicht individuell oder auch für einige bis alle Mitglieder vorkommen - aber sie ist wohl keineswegs so einschneidend/langdauernder Einfluss wie das, was ich oben beschrieben habe
ja, wie jetzt?
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humanist schrieb:Angenommen, die Mitglieder einer Gruppe erleben tatsächlich innerlich dieselbe religiöse Erfahrung - woran ich zweifle.
Warum sollte dies einen Unterschied zu einer individuellen Wahnvorstellung machen? Dann ist es eben eine gemeinsame Wahnvorstellung. Kann, muß aber nicht sein. warum eigentlich die negativen Aspekte "immer" als a priori annehmen?
Gruß
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(14-09-2010, 16:38)humanist schrieb: Angenommen, die Mitglieder einer Gruppe erleben tatsächlich innerlich dieselbe religiöse Erfahrung - woran ich zweifle.
Warum sollte dies einen Unterschied zu einer individuellen Wahnvorstellung machen? Dann ist es eben eine gemeinsame Wahnvorstellung.
Der Unterschied zu Verrückten in der Irrenanstalt ist die Harmlosigkeit der meisten Gläubigen. Sie erheben keinen Wahrheitsanspruch und schreiben anderen nichts vor.
Der Unterschied zwischen "Wahnvorstellungen" und "normalen" Vorstellungen, wie sie unter Menschen nunmal üblich sind, liegt weniger in der naturwissenschaftlichen Nachweisbarkeit, sondern vielmehr in der Funktionalität gesellschaftlichen Lebens.
Religiöse Erfahrungen sind nur dann Wahnvorstellungen, wenn sie vom gesellschaftlichen Leben stark abkoppeln, und den jeweiligen Menschen den Bezug zu seiner gesellschaftlichen Realität verlieren lassen.
(14-09-2010, 18:47)petronius schrieb: (14-09-2010, 15:59)agnostik schrieb: Extrasubjektiv ist abgleichbar, dass in den meisten bekannten Fällen diese Erfahrungen einen sehr starken Einfluss auf das weitere Leben derer hatten, die die Erfahrungen gemacht haben.
Teilwise in der Art, dass die Menschen ihr Leben lang versucht haben, einen Weg zu finden, diese Erfahrung wieder zu haben und wenn möglich nicht nur für eine kurze Zeit
klingt wie die klassische drogenkarriere
Wenn Du meinst, dass es eine klassische Drogenkarriere ist, wenn jemand, der einmal für kurze Zeit ein Drogenerlebnis gehabt hat, danach bis zum Ende seines Lebens - ohne weitere Drogen - sein Leben umkrempelt, damit er ielleicht noch einmal das gleiche Erlebnis hat -- dann stimme ich Dir zu. Ich kenne nicht so viel von Drogenkarrieren, daher kann ich das nicht beurteilen
(14-09-2010, 18:47)petronius schrieb: (14-09-2010, 15:59)agnostik schrieb: Gotteserfahrung kann in einer Gruppe vielleicht individuell oder auch für einige bis alle Mitglieder vorkommen - aber sie ist wohl keineswegs so einschneidend/langdauernder Einfluss wie das, was ich oben beschrieben habe
ja, wie jetzt?
Ich meine damit *die Gruppenerfahrung kraft der Gruppendynamik*, die Eckhard angesprochen hat.
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Gruppendynamische Prozesse entwickeln eine unglaubliche durchaus hypnotische Eigendynamik, der man sich nur schwer entziehen kann. Und ich würde das nicht als "gemeinsamen Wahn" abtun. Hieran wird (einmal mehr) deutlich, dass der Mensch biologisch ein Gruppenwesen ist (so, wie Wölfe Rudelwesen sind). Je mehr wir uns als Individuen definieren, umso unverständlicher erscheinen wir den Mitgliedern der uns umgebenden (diffusen) Gruppe. Sehr einfach belegbar: Wer mit einer grün schillernden Irokesenfrisur im weißen Mantel herum läuft, wird erst einmal als Sonderling gesehen und behandelt.
So halte ich auch den gemeinsamen Glauben (egal an was und wie gestaltet) als einen gruppenbindenden Prozess.
Möglicherweise ist die Schizophrenie nichts anderes als eine übersteigerte Form dieser "Einbettung in die Gemeinschaft", die "man" normalerweise in Gruppen erlebt.
Ich kann leider nicht mit Gotteserfahrungen aufwarten. Aber ich habe gruppendynamische Einflüsse erlebt, die plausibel machen, dass wir einerseits für Hypnose empfänglich sind, und bei Entartung mit Schizophrenie reagieren. Wir sind keineswegs die Individuen, für die wir uns selbst halten. Gruppendynamisch gesehen, sind wir Glieder eines Großen Ganzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(14-09-2010, 23:47)Ekkard schrieb: Gruppendynamische Prozesse entwickeln eine unglaubliche durchaus hypnotische Eigendynamik, der man sich nur schwer entziehen kann. Und ich würde das nicht als "gemeinsamen Wahn" abtun. Hieran wird (einmal mehr) deutlich, dass der Mensch biologisch ein Gruppenwesen ist (so, wie Wölfe Rudelwesen sind). Je mehr wir uns als Individuen definieren, umso unverständlicher erscheinen wir den Mitgliedern der uns umgebenden (diffusen) Gruppe. Sehr einfach belegbar: Wer mit einer grün schillernden Irokesenfrisur im weißen Mantel herum läuft, wird erst einmal als Sonderling gesehen und behandelt.
So halte ich auch den gemeinsamen Glauben (egal an was und wie gestaltet) als einen gruppenbindenden Prozess.
Möglicherweise ist die Schizophrenie nichts anderes als eine übersteigerte Form dieser "Einbettung in die Gemeinschaft", die "man" normalerweise in Gruppen erlebt.
Ich kann leider nicht mit Gotteserfahrungen aufwarten. Aber ich habe gruppendynamische Einflüsse erlebt, die plausibel machen, dass wir einerseits für Hypnose empfänglich sind, und bei Entartung mit Schizophrenie reagieren. Wir sind keineswegs die Individuen, für die wir uns selbst halten. Gruppendynamisch gesehen, sind wir Glieder eines Großen Ganzen.
Ich weiß nicht, ob Du damit jetzt mir geantwortet hast.
Wenn ja:
Dem will ih ar nicht widersprechen - aber es ist halt etwas Anderes als das von dem ich geschrieben hatte. - also fGotteserfahrungen oder allgemeiner mystische Erfahrungen.
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(14-09-2010, 22:15)melek schrieb: Religiöse Erfahrungen sind nur dann Wahnvorstellungen, wenn sie vom gesellschaftlichen Leben stark abkoppeln, und den jeweiligen Menschen den Bezug zu seiner gesellschaftlichen Realität verlieren lassen.
hmmm... ist das nicht sozusagen der klassische befund bei mystischen erlebnissen?
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Schwieriges Thema, denn der Übergang von gläubig zu psychotisch ist fließend und je nach Region und religiöser Zugehörigkeit unterschiedlich.
Was anderswo ein normaler Glaubensumgang mit Engeln ist, wird hier als Shizophrenie betrachtet, da wir es für nicht normal halten, wenn jemand mit Engeln spricht. Zu Gott sprechen (und ihn wahlweise antworten hören) wird hier dafür als Gebet betrachtet, wird es intensiver widerrum als Krankheit. Wo sind also die Übergänge?
Wirklich als Krankheit wird da soweit ich weiß aber erst klassifiziert, wenn ein Symptom den Patienten in seinem täglichen leben einschränkt und somit negative Auswirkungen hat. Gebete sind daher ausgeschlossen und nicht als "krank" zu bezeichnen und auch keiner Behandlung zu unterziehen.
Gruß
Motte
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(14-09-2010, 22:58)agnostik schrieb: Wenn Du meinst, dass es eine klassische Drogenkarriere ist, wenn jemand, der einmal für kurze Zeit ein Drogenerlebnis gehabt hat, danach bis zum Ende seines Lebens - ohne weitere Drogen - sein Leben umkrempelt, damit er ielleicht noch einmal das gleiche Erlebnis hat
nein, das meine ich natürlich nicht. sondern daß das einmalige, wenn auch vorübergehende erlebnis des kicks beim drogenkonsum immer wieder gesucht wird, und der junkie versucht, den kick (z.b. durch steigerung der dosis) zu intensivieren und verlängern - so wie du schreibst:
dass die Menschen ihr Leben lang versucht haben, einen Weg zu finden, diese Erfahrung wieder zu haben und wenn möglich nicht nur für eine kurze Zeit
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(15-09-2010, 00:13)agnostik schrieb: Dem will ih ar nicht widersprechen - aber es ist halt etwas Anderes als das von dem ich geschrieben hatte. - also fGotteserfahrungen oder allgemeiner mystische Erfahrungen.
und eben diese "Gotteserfahrungen oder allgemeiner mystische Erfahrungen" (ja ausdrücklich nicht gruppenerfahrungen - denn die sind deiner definition nach ja "halt etwas Anderes") sind eben für die betroffenen genauso real wie die hallus für den schizo - und für nichtbetroffene genauso nicht nachvollziehbar bzw. "irreal"
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15-09-2010, 10:56 von petronius.)
(15-09-2010, 10:27)Schmettermotte schrieb: Wirklich als Krankheit wird da soweit ich weiß aber erst klassifiziert, wenn ein Symptom den Patienten in seinem täglichen leben einschränkt und somit negative Auswirkungen hat. Gebete sind daher ausgeschlossen und nicht als "krank" zu bezeichnen und auch keiner Behandlung zu unterziehen.
nur um es klarzustellen: mir geht es nicht um eine pathologisierung des glaubens, ich bezeichne gotteserfahrungen nicht als wahnvorstellungen
ich weise aber darauf hin, daß ihr "realitätswert" (für den betroffenen einerseits wie für den außenstehenden andererseits) gleich ist
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