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wie wahr ist wahrheit?
#1
einer der geschätzten mituser vertritt die ansicht, es gebe neben der "alltags-wahrheit" auch noch eine "philosophische wahrheit", die angeblich schon aristoteles vertreten habe. demnach sei "wahr" nur, was seit je und in alle zukunft überall gleich im sinne von unveränderbar ist. und impliziert, es handle sich dabei um eine eigentliche, höhere wahrheit (als die "alltags-wahrheit"), sei dieser damit an bedeutung überlegen, weil eben unverrückbar und ewig gültig, frei von jeglichen voraussetzungen - währenddessen die  "alltags-wahrheit" ja nur "leere richtigkeiten" wiedergeben könne

nun, ich bin kein philosoph. man möge mir daher einschlägiges unwissen nachsehen, aber ihm doch abhelfen durch geduldiges und vorwurfsfreies aufklären des jeweiligen defizits und - vor allem - erklären dessen, was ich noch nicht weiß oder angeblich nicht bzw. falsch verstanden habe. als voraussetzung dafür muß ich mich aber natürlich erst mal selbst erklären, also das, wovon ich eigentlich rede (um definitorische klarheit ersuche ich auch meine mitdiskutanten - wir wollen hier ja nicht so end- wie sinnlos aneinander vorbeireden)

mit "alltags-wahrheit" meine ich faktizität einer aussage. überhaupt ist "wahrheit" das mögliche attribut einer aussage über einen sachverhalt, nicht des sachverhalts per se. scheint heute mittag an meinem wohnort die sonne, ist die aussage "heute mittag scheint hier die sonne" wahr ("heute mittag scheint hier nicht die sonne" wäre nicht wahr). deshalb kommt aber weder der uhrzeit noch dem geografischen ort noch der sonne oder deren "scheinen" (strahlungsemission) ein wahrheitswert zu, der dann ja auch noch je nach aussage darüber ein verschiedener sein müßte

derlei "alltags-wahrheit" ist in ihrer gültigkeit immer zeitlich und örtlich begrenzt, schon weil sich ja alle dinge mit zeit und ort verändern (mal mehr, mal weniger). eine aussage wie "die sonne scheint" kann also in bezug auf ihren wahrheitsgehalt gar nicht bewertet werden, ohne den kontext zu kennen. welcher sich, zugegeben, im allgemeinen sprachgebrauch oft selbst wieder aus dem kontext ergibt und nicht explizit ausgeführt wird. in einem bericht meinerseits über das, was ich heute mittag gemacht habe, ist  "die sonne scheint" klar zu erkennen als "heute mittag scheint hier die sonne" - in einem z.b. songtext nicht, ihn auch nur auf "wahrheit" zu prüfen ergäbe keinen sinn

worauf aber soll sich diese "philosophische ("aristotelische") wahrheit überhaupt beziehen?

auf (aussagen über) reale dinge schon mal nicht, denn die, wie gesagt, ändern sich alle in der raumzeit. wenn die realität wegfällt, bleiben nur noch die irrealität, transzendenz und wunschdenken - also "der glaube". womit wir bei der prüfung von "wahrheit" sind

einer aussage kann nur wahrheitswert zuerkannt werden, wenn sie auf faktizität geprüft wurde. vor gericht nennt sich das auch "wahrheitsfindung". die wahrheit gilt nicht bereits als gefunden, sobald nur irgendjemand etwas aussagt - es muß schon plausibel sein, also glaubwürdig, wenn es nicht überhaupt durch mehr als bloß die aussage belegt wird

aber glaubensaussagen? die können nicht geprüft werden - deswegen heißen sie ja auch so. man muß sie glauben (oder läßt das halt), man kann sie nicht prüfen 

der verweis auf eine (höhere) "philosophische wahrheit" ist somit nur ein weiterer (und beschämend leicht durchschaubarer) versuch, irgendwelche postulate (und seien sie völlig aus der blauen luft gegriffen) als unangreifbar darzustellen und anderen zur absoluten observanz zu oktroyieren

ich halte es da lieber mit wittgenstein als mit angeblich aristoteles (wenns denn so ist): wovon man nicht reden kann, davon soll man schweigen. und verstehe dabei unter "reden" nicht "predigen" (das wäre auch jedes philosophen unwürdig), sondern begründen, erklären, argumentieren


zum völlig willkürlichen zuschreiben des attributs "wahr" auf dafür gar nicht geeignete objekte (stichwort wieder mal: kategorienfehler) folgendes beispiel:

(25-11-2022, 15:53)petronius schrieb:
(25-11-2022, 15:10)Reklov schrieb: jeder ist ja "hell" genug, um sich etwas vorzustellen, was an jedem Ort und zu jeder Zeit "wahr" ist
...
unter Berücksichtigung menschlicher Beschränktheit kann man dazu anmerken:
"Atome und Raum" können hier als "Beispiel" dienen: die genannten Begriffe können (so weit unsere Teleskope es "blicken" können) als überall und zu jeder Zeit gedacht werden...

denken kannst du dir alles...

aber was soll das mit "wahrheit" zu tun haben?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#2
Ich teile die Definition von "wahr" meines Vorredners in vollem Umfang. Als Physiker der Moderne habe ich die Prüfbarkeit von Behauptungen in Relation zu den "Randbedingungen" verinnerlicht. Natürlich frage ich mich auch, ob das "alles" ist.

Ein abstraktes Beispiel könnte eine Relation sein:
Wenn A zutrifft, dann ist "nicht-A" falsch. Solch ein Konstrukt ist immer wahr.
Im Beitrag 'petronius': Wenn die Sonne scheint, ist es nicht Nacht.
Im Grunde stecken hinter Relationen dieser Art nur gegensätzliche Definitionen - in diesem Fall, von dem, was Tag und Nacht bedeuten.

Dies lässt sich auch auf transzendente Objekte ausdehen, die sich der Sachebene entziehen.
Wenn in der Hölle Seelen bestraft werden, dann erhalten sie den Lohn für ihre Sünden.
Auch das ist immer korrekt, obwohl die Aussage allein an den Definitionen für "Höllenstrafe" und "Sündenlohn" hängt - und an sonst gar nichts.

Deswegen erhebt sich die Frage, welchen Wert solche wahren Relationen haben. Kann man irgendwie über solche Relationen hinaus aristotelische Wahrheiten finden? Ich wüsste leider keine.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#3
(25-11-2022, 19:17)Ekkard schrieb: Dies lässt sich auch auf transzendente Objekte ausdehen, die sich der Sachebene entziehen.
Wenn in der Hölle Seelen bestraft werden, dann erhalten sie den Lohn für ihre Sünden.
Auch das ist immer korrekt, obwohl die Aussage allein an den Definitionen für "Höllenstrafe" und "Sündenlohn" hängt - und an sonst gar nichts.

Deswegen erhebt sich die Frage, welchen Wert solche wahren Relationen haben

in der tat. konditionalaussagen sind - wenn logisch korrekt formuliert - natürlich immer wahr, wenn man nur die definitionen der beiden in zusammenhang gebrachten sachverhalte entsprechend formuliert. was natürlich umso einfacher ist, wenn man sich eh gar nicht auf reales bezieht

hätte meine oma räder, wär sie ein autobus - eine wahre aussage, nicht wahr?

(so formuliert natürlich nicht zwingend, ich weiß - aber i think you get the message)

das interessante (wenn auch hier off topic) ist ja nun aber, daß trotz der "freiheit des irrealen" gottgläubige sich trotzdem nicht selten in widersprüche verwickeln, was die definition der gotteseigenschaften betrifft

Zitat:Kann man irgendwie über solche Relationen hinaus aristotelische Wahrheiten finden? Ich wüsste leider keine.

#metoo

und ich meine begründet annehmen zu können, daß das auch gar nicht möglich ist. wobei ich bei den von dir angesprochenen relationen nicht von "wahrheit" sprechen würde (weil alles im luftleeren raum der fantasie hängt), sondern höchstens von formal logischer korrektheit (welche ja über den sinn der betreffenden aussage nichts besagt)
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#4
(25-11-2022, 20:19)petronius schrieb: das interessante (wenn auch hier off topic) ist ja nun aber, daß trotz der "freiheit des irrealen" gottgläubige sich trotzdem nicht selten in widersprüche verwickeln, was die definition der gotteseigenschaften betrifft
Wären die Glaubensverwalter nicht solche "Betonköpfe" und einfach bescheidener, so würden sie die scheinbare Faktizität ihrer Aussagen zugunsten von Narrativen ablegen. Letztere hätten keinen Anspruch auf Wahrheit sondern nur auf gemeinschaftlich tradierte Geschichten (wie Märchen z. B.).

(aristotelische Wahrheit nach 'Reklov')
(25-11-2022, 20:19)petronius schrieb: ... ich meine begründet annehmen zu können, daß das auch gar nicht möglich ist.
Richtig! Denn ohne die Randbedingung unserer Welt, schafft man sich einen Raum von Vorstellungen, die entweder so konsistent sind wie das System aus Axiomen und Voraussetzungen der Mathematik oder so beliebig wie Mythen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben, zufällige Koinzidenz eingeschlossen. (Ausschluss empirischer Erkenntnisse).

(25-11-2022, 20:19)petronius schrieb: ..., wobei ich bei den von dir angesprochenen relationen nicht von "wahrheit" sprechen würde (weil alles im luftleeren raum der fantasie hängt), sondern höchstens von formal logischer korrektheit (welche ja über den sinn der betreffenden aussage nichts besagt)
So ist es! Gerade die Mathematik zeigt ja, dass es sich um Aussagen der Art: "Wenn ..., dann ..." handelt. Geprüft wird ja nicht gegen die Zusammenhänge der Welt, sondern nur bewiesen, dass es (mindestens) einen logischen Pfad gibt von den Voraussetzungen (wenn...) zum Lehrsatz (dann ...), wobei die Axiome festlegen, welche mathematischen Gegenstände überhaupt betrachtet werden.

Hier bedeutet also "wahr" genau genommen nur: "logisch korrekt". Man muss also genau aufpassen, was "wahr" bei Gedankenkonstrukten bedeuten soll. Denn "logisch korrekt" heißt nicht: "emprisch nachgewiesen" oder "real".
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#5
Eine wahre Aussage ist eine in sich widerspruchsfreie Aussage. Dabei kann die Aussage selbst auch rein abstrakter Natur sein. Widerspruchsfreiheit ist ein Hauptkriterium philosphischer Argumentation und bezieht sich sowohl auf die logische Konsistenz der Formulierung als auch auf die Widerspruchsfreiheit gegenüber überprüfbaren Sachverhalten. Eine Aussage ist also dann wahr, wenn sie:
a) in sich selbst nicht widersprüchlich ist und
b) bekannten Tatsachen nicht widerspricht.

Punkt b gilt nicht, wenn zusammen mit dem Widerspruch überprüfbare Belege gebracht werden (zb. in Form naturwissenschaftlicher Experimente, welche neue Erkenntnisse bringen und damit alte "Wahrheiten" ablösen).

Von "wahren Aussagen" zu unterscheiden ist der Begriff "Wahrheit" als solcher. Da gibt es verschiedene Definitionen und Sichtweisen.
#6
(25-11-2022, 19:17)Ekkard schrieb: Ich teile die Definition von "wahr" meines Vorredners in vollem Umfang. Als Physiker der Moderne habe ich die Prüfbarkeit von Behauptungen in Relation zu den "Randbedingungen" verinnerlicht. Natürlich frage ich mich auch, ob das "alles" ist.

Ein abstraktes Beispiel könnte eine Relation sein:
Wenn A zutrifft, dann ist "nicht-A" falsch. Solch ein Konstrukt ist immer wahr.
Im Beitrag 'petronius': Wenn die Sonne scheint, ist es nicht Nacht.
Im Grunde stecken hinter Relationen dieser Art nur gegensätzliche Definitionen - in diesem Fall, von dem, was Tag und Nacht bedeuten.

Dies lässt sich auch auf transzendente Objekte ausdehen, die sich der Sachebene entziehen.
Wenn in der Hölle Seelen bestraft werden, dann erhalten sie den Lohn für ihre Sünden.
Auch das ist immer korrekt, obwohl die Aussage allein an den Definitionen für "Höllenstrafe" und "Sündenlohn" hängt - und an sonst gar nichts.

Deswegen erhebt sich die Frage, welchen Wert solche wahren Relationen haben. Kann man irgendwie über solche Relationen hinaus aristotelische Wahrheiten finden? Ich wüsste leider keine.

Hallo Ekkard,

... warum suchst Du hierzu völlig untaugliche Beispiele aus relig. Lehren/Vorstellungen heraus? Mach es Dir doch, als moderner Physiker Icon_rolleyes , nicht so umständlich Icon_exclaim
Bereits der von uns zwar beobachtbare, aber dennoch unüberschaubare kosmische Raum kommt der Forderung von Aristoteles sehr nahe: "zu jeder Zeit und an jedem Ort..." (Die in diesem Raum erscheinenden und vergehenden Sterne und Planeten können dabei ausgeklammert werden, denn sie bestehen ja nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort. Icon_rolleyes )

Auch Atome können diese Forderung erfüllen ... zumindest aus der Sicht "menschlichen" Urteilsvermögens.
Das geistige Prinzip von mathemtischen WAHRHEITEN kann die Forderung des Aristoteles ebenfalls erfüllen, denn 2+2 ergibt 4 - ist an jedem Ort und zu jeder Zeit richtig/wahr.

Gruß von Reklov
#7
(25-11-2022, 20:19)petronius schrieb: hätte meine oma räder, wär sie ein autobus - eine wahre aussage, nicht wahr?

(so formuliert natürlich nicht zwingend, ich weiß - aber i think you get the message)

... welche "message" willst Du uns hier unterbuttern (?), indem Du einen völlig untauglichen Unsinn, als funktionierendes Beispiel für WAHRHEIT anführst ?! Eusa_hand (Schuster petronius, bleib bei Deinen Leisten - oder bilde Dich besser etwas weiter...  Icon_razz )

Du vergleichst hier nämlich biologische Lebensformen mit einem leblosen techn. Produkt, welches ja zunächst mal von solchen Lebewesen entworfen und dann produziert wird.

Es gibt aber noch viele andere ähnliche "Sprachfallen", welche in "logischem Gewand" daherhinken:

>> Alle Lokomotiven pfeifen. Hans pfeift. Hans ist eine Lokomotive. << (... i think you get the message?) Icon_rolleyes

Gut finde ich aber, dass der Begriff WAHRHEIT weiterhin besprochen und tiefer abgeklopft werden kann, und dies hoffentlich vom ungeduldigen Ekkard nicht wieder vorschnell abgewürgt werden wird, nur weil er mit seinem Latein am Ende ist! Icon_razz

Sehe also einem interessanten Austausch von Meinungen und Gegenmeinungen entgegen. Evil5

Gruß von Reklov
#8
(27-11-2022, 16:58)Reklov schrieb:
(25-11-2022, 19:17)Ekkard schrieb: Ich teile die Definition von "wahr" meines Vorredners in vollem Umfang.
...
Deswegen erhebt sich die Frage, welchen Wert solche wahren Relationen haben. Kann man irgendwie über solche Relationen hinaus aristotelische Wahrheiten finden? Ich wüsste leider keine.

Hallo Ekkard,

... warum suchst Du hierzu völlig untaugliche Beispiele aus relig. Lehren/Vorstellungen heraus?
...
Bereits der von uns zwar beobachtbare, aber dennoch unüberschaubare kosmische Raum kommt der Forderung von Aristoteles sehr nahe: "zu jeder Zeit und an jedem Ort..." (Die in diesem Raum erscheinenden und vergehenden Sterne und Planeten können dabei ausgeklammert werden, denn sie bestehen ja nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort.)
Nein, kommt nicht! Der Raum dehnt sich. Ausserdem musst du zuerst einmal eine wahre Aussage konstruieren. Einfach den Raum selbst als "wahr" zu behaupten, ist zu dünn.

(27-11-2022, 16:58)Reklov schrieb: Auch Atome können diese Forderung erfüllen ... zumindest aus der Sicht "menschlichen" Urteilsvermögens.
Welche Aussage kann über Atome gemacht werden, die für alle Zeit an jedem Ort gelten soll? Deren bloße Existenz ist langweilig - und vor allem nicht immer. Denn sie unterliegen Veränderungen bei Kernprozessen (im Urknall, in Kernkraftwerken, sogar im Weltall unter Beschuss durch die kosmische Strahlung, v. a. aber in Sternen) Und was ist mit radioaktiven Elementen?

(27-11-2022, 16:58)Reklov schrieb: Das geistige Prinzip von mathemtischen WAHRHEITEN kann die Forderung des Aristoteles ebenfalls erfüllen, denn 2+2 ergibt 4 - ist an jedem Ort und zu jeder Zeit richtig/wahr.
Meine Ausführungen zu Mathematik zeigen, dass es sich um "Wenn-dann-Beziehungen" handelt, die im Sinne von 'Gundi' deshalb wahr sind, weil sie unter bestimmten Axiomen logisch einwandfrei aus den Voraussetzungen folgen. Wie ich mit 'petronius' besprochen habe, ist das aber gar keine Wahrheit, weil sich solche Wenn-dann-Aussagen immer konstruieren lassen, was dann eine äußerst triviale Feststellung darstellt. Im Übrigen ist eine Zahlenoperation nur korrekt, wenn man die Axiome der Arithmetik akzeptiert. Unter anderen axiomatischen Festlegungen kommt man zu völlig anderen Ergebnissen. Die übliche Schularithmetik ist nur einem bestimmten Satz von Axiomen geschuldet, der zugegebenermaßen seit einigen Tausend Jahren ausgefeilt wurde (so lange der Mensch Handel getrieben hat).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#9
(27-11-2022, 17:29)Reklov schrieb: Gut finde ich aber, dass der Begriff WAHRHEIT weiterhin besprochen und tiefer abgeklopft werden kann, und dies hoffentlich vom ungeduldigen Ekkard nicht wieder vorschnell abgewürgt werden wird, nur weil er mit seinem Latein am Ende ist!
Du irrst! Du hast den Thread "Die Sprache der Menschen" missbraucht, um dein Lieblingsthema "Wahrheit" zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#10
(27-11-2022, 20:20)Ekkard schrieb:
(27-11-2022, 16:58)Reklov schrieb: Auch Atome können diese Forderung erfüllen ... zumindest aus der Sicht "menschlichen" Urteilsvermögens.
Welche Aussage kann über Atome gemacht werden, die für alle Zeit an jedem Ort gelten soll? Deren bloße Existenz ist langweilig - und vor allem nicht immer. Denn sie unterliegen Veränderungen bei Kernprozessen (im Urknall, in Kernkraftwerken, sogar im Weltall unter Beschuss durch die kosmische Strahlung, v. a. aber in Sternen) Und was ist mit radioaktiven Elementen?

Da ich kaum denke, dass Reklov weiss, was Du ansprichst, sage ich's deutlicher: "Aus der Sicht menschlichen Urteilsvermoegens" gab es die ersten 380.000 Jahre nach dem Urknall keine Atome, weshalb auch sie, genau wie der Raum, die aristotelische Forderung nicht erfuellen. Auch das mit der ueberall tiefsten Temperatur von 2,7 Kelvin, die Reklov oefter mal erwaehnt, faellt in dieselbe Kategorie, da das 380.000 Jahre nach dem Urknall etwa 3000 Kelvin waren.

Was bleibt, sind einige Naturkonstanten, und auch da sind wir nicht unbedingt bei allen sicher, dass die unveraenderlich sind. Auch die schoenen Zufaelle, die Reklov so imponieren - z.B. die Position der Erde in der habitablen Zone - aendern sich laufend, da die habitable Zone um die Sonne sich laufend nach aussen verschiebt und die Erde lange vor ihrem Untergang sterilisiert werden wird.

Wie immer geht's ihm um Ideen. Nur Ideen sind absolut, und fuer die Idee von Wahrheit gilt das letztendlich auch. Der Idee von Wahrheit zuzustreben ist sicherlich erstrebenswert, aber da Ideale unerreichbar sind, gelten sie bestenfalls als Wegweiser. Dafuer sind sie gut, aber sie sollten nicht zur Ueberhoehung missbraocht werden.
#11
(25-11-2022, 19:17)Ekkard: schrieb: Ich teile die Definition von "wahr" meines Vorredners in vollem Umfang.

Welche Aussage kann über Atome gemacht werden, die für alle Zeit an jedem Ort gelten soll? Deren bloße Existenz ist langweilig - und vor allem nicht immer. Denn sie unterliegen Veränderungen bei Kernprozessen (im Urknall, in Kernkraftwerken, sogar im Weltall unter Beschuss durch die kosmische Strahlung, v. a. aber in Sternen) Und was ist mit radioaktiven Elementen?
Deswegen erhebt sich die Frage, welchen Wert solche wahren Relationen haben. Kann man irgendwie über solche Relationen hinaus aristotelische Wahrheiten finden? Ich wüsste leider keine.

Nein, kommt nicht! Der Raum dehnt sich. Ausserdem musst du zuerst einmal eine wahre Aussage konstruieren. Einfach den Raum selbst als "wahr" zu behaupten, ist zu dünn.

Hallo Ekkard,

Deine Zeilen deuten an, wie wenig der Mensch doch eigentlich weiß/wissen kann! -

Meine von Dir geforderte Aussage zum Raum lautet: Raum ist eine geometrische Tatsache, in der sich Körper und Zeit "darstellen" können.
Deiner auch nur "dünnen" Aussage, "der Raum dehne sich aus", stellt dieser Artikel wiederum die "Wahrheit" seiner Modelle entgegen:

>> Die Frage nach dem Schicksal des Universums versuchen Kosmologen mit ihren so genannten Weltmodellen zu beantworten: Wie sich das Universum auf lange Sicht verhalten wird, hängt unter anderem damit zusammen, wie viel Materie es im Universum gibt: Reicht die Materie aus, um die Expansion - bedingt durch die Gravitationswirkung - abzubremsen und sie vielleicht sogar umzukehren, so dass das Weltall wieder in sich zusammenfällt? Ein Favorit ist ein Materiewert, der gerade an der kritischen Grenze liegt, so dass das sich die Expansion verlangsamt und irgendwann zum Stillstand kommt ohne sich jedoch umzukehren. Doch es gibt noch andere Komponenten in den Weltmodellen: Inzwischen sieht es nämlich so aus, als ob sich die Expansion des Universum - getrieben durch eine noch unbekannte "dunkle Energie" - sogar beschleunigt. Das dürfte die Zukunft des Universums recht "dunkel" machen, da man immer weniger Galaxien um sich herum sehen kann << (astronews.com 17. Dezember 2001). (ds/17. Oktober 2003)




(27-11-2022, 16:58)Reklov schrieb: schrieb: Das geistige Prinzip von mathemtischen WAHRHEITEN kann die Forderung des Aristoteles ebenfalls erfüllen, denn 2+2 ergibt 4 - ist an jedem Ort und zu jeder Zeit richtig/wahr.

Ekkard schrieb:
Meine Ausführungen zu Mathematik zeigen, dass es sich um "Wenn-dann-Beziehungen" handelt, die im Sinne von 'Gundi' deshalb wahr sind, weil sie unter bestimmten Axiomen logisch einwandfrei aus den Voraussetzungen folgen. Wie ich mit 'petronius' besprochen habe, ist das aber gar keine Wahrheit, weil sich solche Wenn-dann-Aussagen immer konstruieren lassen, was dann eine äußerst triviale Feststellung darstellt. Im Übrigen ist eine Zahlenoperation nur korrekt, wenn man die Axiome der Arithmetik akzeptiert. Unter anderen axiomatischen Festlegungen kommt man zu völlig anderen Ergebnissen. Die übliche Schularithmetik ist nur einem bestimmten Satz von Axiomen geschuldet, der zugegebenermaßen seit einigen Tausend Jahren ausgefeilt wurde (so lange der Mensch Handel getrieben hat).


... schon interessant, dass Du das einfache Zählen als "trivial" bezeichnest, obwohl sich doch auch Dir erschließen müsste, dass unsere Erde z.B. nur einen Mond hat und nicht zwei. - Wäre dies der Fall, würden auf unserem Planeten ganz andere Bedingungen herrschen. Mars besitzt zwei, die Erde einen und Venus und Merkur haben gar keinen Mond. Jupiter und Saturn sogar je über sechzig! Was also soll an unserer Zählweise "trivial" sein?

Auch dies erachte ich nicht als trivial: Um an einen Mond zu kommen, hat ein Planet normalerweise zwei Möglichkeiten: Entweder der Mond entsteht zusammen mit seinem Planeten, oder der Planet entsteht zuerst und fängt später einen kleineren Himmelskörper ein.

Wer aber meint, die einfache Aussage, die Erde habe nur einen Mond, sei trivial zu werten, der sollte bedenken: Gäbe es ihn nicht, geriete die Erdachse alle paar Millionen Jahre kräftig ins Trudeln. Mit verheerenden Auswirkungen auf das Klima. Forscher haben ausgerechnet: Ohne Mond könnte die Erdachse zwischendurch auch mal um fast 90 Grad kippen. Dann könnte ganz schnell mal der Nordpol in den Tropen liegen. (Keinesfalls sind also einfache Wahrheiten deswegen schon als "trivial" zu bewerten!) Icon_rolleyes

Gruß von Reklov
#12
(25-11-2022, 23:11)Ekkard schrieb: das interessante (wenn auch hier off topic) ist ja nun aber, daß trotz der "freiheit des irrealen" gottgläubige sich trotzdem nicht selten in widersprüche verwickeln, was die definition der gotteseigenschaften betrifft
Wären die Glaubensverwalter nicht solche "Betonköpfe" und einfach bescheidener, so würden sie die scheinbare Faktizität ihrer Aussagen zugunsten von Narrativen ablegen. Letztere hätten keinen Anspruch auf Wahrheit sondern nur auf gemeinschaftlich tradierte Geschichten (wie Märchen z. B.).

(aristotelische Wahrheit nach 'Reklov')


..., wobei ich bei den von dir angesprochenen relationen nicht von "wahrheit" sprechen würde (weil alles im luftleeren raum der fantasie hängt), sondern höchstens von formal logischer korrektheit (welche ja über den sinn der betreffenden aussage nichts besagt)
So ist es! Gerade die Mathematik zeigt ja, dass es sich um Aussagen der Art: "Wenn ..., dann ..." handelt. Geprüft wird ja nicht gegen die Zusammenhänge der Welt, sondern nur bewiesen, dass es (mindestens) einen logischen Pfad gibt von den Voraussetzungen (wenn...) zum Lehrsatz (dann ...), wobei die Axiome festlegen, welche mathematischen Gegenstände überhaupt betrachtet werden.

Hier bedeutet also "wahr" genau genommen nur: "logisch korrekt". Man muss also genau aufpassen, was "wahr" bei Gedankenkonstrukten bedeuten soll. Denn "logisch korrekt" heißt nicht: "emprisch nachgewiesen" oder "real".

Hallo Ekkard,

... Märchen und Sagen entstehen aus ähnlich gelagerten "Lebenserfahrungen". Sie sind lediglich psychologisch anders erzählt/formuliert.
Ein Autorenteam rund um den bekannten Sozialpsychologen Dieter Frey analysierte berühmte Märchen aus Sicht der wissenschaftlichen Psychologie: Märchen befassen sich seit jeher mit zentralen Fragen und Schwierigkeiten des menschlichen Lebens und der Entwicklung – wie auch die Psychologie! Nicht immer kommen beide heute auch zu den gleichen Schlüssen und die "Moral von der Geschicht‘" stimmt nicht immer jedes Mal - auch aus wissenschaftlicher Perspektive.

„Die gängigste Interpretation des Märchens vom Rotkäppchen und dem bösen Wolf besagt, dass das Märchen junge Mädchen vor der Vergewaltigung durch Männer warnen soll, wobei die rote Kappe des Mädchens für die mit der Pubertät einsetzenden Menstruationsblutungen und der böse Wolf für die sexuellen Absichten der Männer steht ..."

So ist auch die Idee einer Ur-Sache, welche "unbedingt" ist, also keine Ursache mehr hinter sich hat, keinesfalls nur als ein "Hirngespinnst" zu bewerten. Ansonsten ist man gezwungen, die Kette der Ursachen bis ins endlos Bodenlose zu denken... Icon_rolleyes

Dazu hervorgebrachte menschliche Ideen oder religiöse Dogmen sind natürlich noch mal eine völlig anders zu beurteilende Angelegenheit.

Gruß von Reklov
#13
(27-11-2022, 00:13)Gundi schrieb: Eine wahre Aussage ist eine in sich widerspruchsfreie Aussage. Dabei kann die Aussage selbst auch rein abstrakter Natur sein

richtig - wenn wir von "wahrheit" als logischem aussagewert betrachten. ekkard hat das ja recht präzise zum ausdruck gebracht:

Hier bedeutet also "wahr" genau genommen nur: "logisch korrekt". Man muss also genau aufpassen, was "wahr" bei Gedankenkonstrukten bedeuten soll. Denn "logisch korrekt" heißt nicht: "emprisch nachgewiesen" oder "real"

im alltagsleben sind wir aber in der regel nicht mathematiker und aussagenlogiker, sondern verstehen unter "wahrheit" etwas den realen tatsachen entsprechendes. deshalb sind andere wahrheitsbegriffe nicht verboten oder schlecht, sie sind in ihrem kontext höchst hilfreich und angebracht - werden aber gern auch mal mißverstanden bis mißbraucht, wenn sie im kontext des alltäglichen zur sprache gebracht werden. da heißt es oft doch, genau hinzuschauen (kategorienfehler zu vermeiden)

Zitat:Von "wahren Aussagen" zu unterscheiden ist der Begriff "Wahrheit" als solcher. Da gibt es verschiedene Definitionen und Sichtweisen.

genau! unter dem substantiv "wahrheit" wird nun mal landläufig faktizität verstanden, auch und sogar außerhalb der gerichtsshows. das adjektiv "wahr" allerdings kennen wir alle in verschiedener bedeutung, je nach kontext - von der "wahren freude" über den "wahren schotten" bis zum "wahren freund"

gut, letzterer büßt dann doch nicht allzu selten sein attribut qua faktizität ein...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#14
(27-11-2022, 16:58)Reklov schrieb: Bereits der von uns zwar beobachtbare, aber dennoch unüberschaubare kosmische Raum kommt der Forderung von Aristoteles sehr nahe: "zu jeder Zeit und an jedem Ort..."

und weiter? in welcher beziehung soll er den aristotelischen kriterien nahe kommen?

formuliere doch mal die aussage, welche wir dann nach diesen kriterien prüfen können. begriffsnennung ist noch keine aussage im sinn der aussagenlogik - ist etwa "tisch" denn nun "wahr" oder "nicht wahr?"


und was sollte sich daraus ergeben, daß du dem "raum" das attribut "wahr" verleihst?

daß er existiert, wissen wir eh auch so. daß wir noch nicht alles über ihn wissen, auch. soll also alles, worüber wir nichts wissen, "wahr" sein? nach welchem verständnis, welcher bedeutung von "wahr"?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#15
(27-11-2022, 17:29)Reklov schrieb:
(25-11-2022, 20:19)petronius schrieb: hätte meine oma räder, wär sie ein autobus - eine wahre aussage, nicht wahr?

(so formuliert natürlich nicht zwingend, ich weiß - aber i think you get the message)
... welche "message" willst Du uns hier unterbuttern (?), indem Du einen völlig untauglichen Unsinn, als funktionierendes Beispiel für WAHRHEIT anführst ?!

ganz einfach: ich habe nur deine eigene logik angeführt, deine eigene "argumentations"weise angewendet bis karikiert

und jetzt darfst du drüber nachdenken, was ich wohl damit aussagen wollte - daß du selber deinen eigenen scheiß als "völlig untauglichen Unsinn" qualifizierst

Zitat:Du vergleichst hier nämlich biologische Lebensformen mit einem leblosen techn. Produkt, welches ja zunächst mal von solchen Lebewesen entworfen und dann produziert wird

nein - meine oma hat keine autobusse konstruiert

merkst du wirklich noch immer nicht, daß es um was anderes geht, oder stellst du dich vorsätzlich dumm?

Zitat:Gut finde ich aber, dass der Begriff WAHRHEIT weiterhin besprochen und tiefer abgeklopft werden kann, und dies hoffentlich vom ungeduldigen Ekkard nicht wieder vorschnell abgewürgt werden wird, nur weil er mit seinem Latein am Ende ist!

Sehe also einem interessanten Austausch von Meinungen und Gegenmeinungen entgegen

dann sag doch mal was dazu. geh z.b. auf die aussagen in den postings hier ein
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)


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