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Saturnus
#1
Saturnus sei die römische Entsprechung des griechischen ↗Kronos, ↗Titan, einst Beherrscher der Welt und später von seinem Sohn, ↗Zeus, gestürzt und vertrieben1. So ist es in kurz gehaltenen Texten zur römischen ↗Mythologie zu lesen.

Tatsächlich aber sind drei, voneinander unabhängige Gottheiten der griechischen und römischen bzw. vorrömischen Mythologie miteinander verschmolzen: Saturnus, ein alter latinischer Vegetationsgott, Kronos, der Mächtigste unter den Titanen, und ↗Chronos, die personifizierte Zeit.

↗Vergil (Aen. 6,793.8,319ff.) erzählt, dass Saturnus, nachdem er - von ↗Jupiter entmachtet - nach Italien geflohen war, in ↗Latium als König geherrscht habe. Auf dem späteren kapitolinischen Hügel, der zunächst nach ihm benannt Mons Saturnius geheißen habe, soll er die Stadt Saturnia erbaut (Aen. 8,357f.), den Menschen Gesetze und Ordnung gebracht und das ↗Goldene Zeitalter begründet haben (Aen. 8,322ff.). Nirgendwo damals sei es den Menschen so gut gegangen wie in Latium unter Saturnus berichtet ↗Dionysius von Halikarnass (ant. 1,36). Mensch und Tier (auch Tiere unter sich) lebten friedlich zusammen. So seien die Zustände zur Zeit der göttlichen Könige in Latium2 (Verg. Aen. 7,45ff.) gewesen. Nach Saturnus hätten ↗Picus, ↗Faunus und schließlich ↗Latinus3, der ↗Aeneas aufgenommen und ihm seine Tochter ↗Lavinia zur Frau gegeben hat, zum Wohle der Menschen regiert.

Als die Griechen im 7. Jh vC in ↗Sizilien und im Süden Italiens zu siedeln begannen, brachten sie auch die von ihnen ersonnene mythische Welt mit. Diese hat sich mit dem vor Ort bestehenden Sagengut vermischt und es überbaut (vgl. Carandini 61, Fußn. 9). Die Eigenständigkeit der heimischen Gottheiten ging verloren, die ↗Sagen wurden neu erzählt.

An die einstige Bedeutung des Saturnus als Gott der Aussaat und der gesellschaftlichen Ordnung erinnert, dass in seinem ↗Tempel am Forum Romanum die römische Staatskasse (aerarium Saturni) und (bis in die Zeit ↗Sullas) das Staatsarchiv (tabularium) aufbewahrt wurden4. Senatsbeschlüsse mussten, um Rechtskraft zu erlangen, bei den ↗Quästoren im Saturntempel hinterlegt und veröffentlicht sein (Fredouille 190).

Der Festtag des Saturnus war der 17. Dezember gewesen. An diesem Tag wurde vor dem Saturntempel ein öffentliches Gelage, das an Goldene Zeiten erinnern sollte, abgehalten. Mehrere Tage karnevalähnlichen Treibens folgten dem eigentlichen Festtag5 (↗Saturnalien).


1) Ist nach ↗Hesiod (Theog. 851) der Aufenthaltsort des Kronos nach seinem Sturz der ↗Tartaros, flieht er nach Vergil (Aen. 6,793) nach Italien.


2) Wo Gott ↗Janus seinen Platz in dieser Reihe findet, geht aus dem Text nicht klar hervor. In der ↗Aeneis heißt es: Ferner siehst du da noch mit niedergerissenen Mauern zwei zerstörte Städte und Heldenmale der Vorzeit. Jene Burg hat Janus und diese Saturnus geschaffen, die eine war Janiculum, die andere Saturnia genannt (aen. 8,355ff.). Nach ↗Augustinus (civ. 7,4) hatte Janus den Flüchtling aufgenommen und ihm die Hälfte seines Königreichs überlassen.

3) Das Problem, dass diese Könige in ihrer göttlichen Ewigkeit nicht einfach gestorben sein können, sie sich also irgendwohin zurückgezogen haben müssten, lässt Vergil unbeachtet.

4) ↗Plutarch äußert die Vermutung, dass das wohl so sei, weil unter der Regierung des Saturnus keine Ungerechtigkeit geherrscht habe und er, weil er der Urheber des Reichtums sei, auch dessen Hüter sein solle (Plut. mor. 1, 478; 21. Fragen über röm. Gebräuche 42.). Das Goldene Zeitalter unter Saturnus erwähnt auch ↗Laktanz (inst. 1,20). Allerdings denunziert er den Gott zuvor als Empfänger von Kinderopfern, indem er ihn dem karthagischen ↗Baal-Hammon gleichstellt (Lact. inst. 1,18).

5) Als Festtag galt nur der 17. Dezember. Gefeiert aber wurde über mehrere Tage, zunächst zwei bis drei, später bis zu sieben Tage. In dieser Zeit waren Standesunterschiede aufgehoben, ↗Sklaven saßen mit ihren Herren am Tisch und wurden von diesen bedient. Es herrsche ein offenes Wort. Auch Unangenehmes durfte ungestraft gesagt werden. Geschenke wurden ausgetauscht, besonders aber wurden Kinder beschenkt.

Literatur:
Marianne Wifstrand Schiebe. Vergil und die Tradition von den römischen Urkönigen. 1997 Stuttgart. Franz Steiner Verlag.
Andrea Carandini. Die Geburt Roms. Aus dem Italienischen von Karl Pichler. 2002 Düsseldorf/Zürich. Patmos Verlag, Artemis&Winkler Verlag.
Jean-Claude Fredouille. Lexikon der römischen Welt. Übers. Robert Hilgers. 2002 Freiburg/Breisgau. Herder Verlag.


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MfG B.
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