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Buddhismus??
#1
Hi

ich weiss sehr wenig über buddhismus und wolte fragen ob es eine art buddhistische "Bibel" gibt, also was einhaltliches.
und ist buddhismus eigendlich eine religieon oder ein über begriff von vielen
ehnlichen religionen oder wie darf ich das verstehen?
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#2
Meines Wissens nach ist der Buddhismus definitiv nach klassischer Definition eine Religion, aufgeteilt in verschiedene Glaubensrichtungen, ähnlich wie evangelische, röm-kath, orthodoxe usw Christen,..

Hauptrichtungen sind: der Theravada-Buddhismus, der Mahayana-Buddhismus(da gehört zb der Zen-Buddhismus dazu) und der tibetische Buddhismus

je nach Richtung gibt es verschiedene Schriften auch Sutras genannt

besonders zu erwähnen wären die Suttapitaka (sind die Lehrreden Buddhas)aus dem Theravada, das Diamant-Sutra aus dem Mahayana, sowie die „Schatzkammer des Wahren Dharma-Auges“ von Dōgen, dem Begründer des japanischen Sōtō-Zen.
Aut viam inveniam aut faciam
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#3
Das Besondere am Buddhismus ist meines Erachtens, dass es die einzige weltbekannte Philosophie bzw. Religion ist, welche das allgegenwärtige Leiden in der Welt, nicht nur der Menschenwelt, sondern auch der Tierwelt, nicht ignoriert oder verdrängt oder schönredet, sondern es im Gegenteil zum zentralen Anschauungsobjekt und Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen macht. Diese physikalische Welt des permanenten Mangels, der nie endenden Konflikte, der Krankheiten und Verirrungen und auch der ganz alltäglichen Probleme und Schwierigkeiten wird als Samsara bezeichnet. Dies ist der Ort des Kreislaufs des Lebens, der Natur und der Wiedergeburten. Dem entgegengesetzt wird das Nirvana, welches laut Wikipedia so definiert wird:

"Ebenso bezeichnet Nirvana den Gegensatz zum immanenten Kreislauf des Samsara, die absolute Transzendenz - ungeboren, ungeworden, unerschaffen, ungestaltet - das "dem Sinnen (Denken, nachdenken, reflektieren) Unzugängliche", in dem es weder Subjekt noch Objekt, weder Raum noch Zeit, weder Differenzierungen noch nennbare Eigenschaften gibt". 

Das Nirvana soll erreicht werden durch eine Abkehr von der physischen Welt des Samsara hin zur Vergeistigung des Nirvana. 

Das Problem mit dem Buddhismus ist dann aber meines Erachtens, dass er aus dieser sehr präzisen und simplen Grundlehre eine unendlich komplexe Philosophie entwickelt und je mehr man sich mit dem Leben Buddhas und all den Zusatzlehren befasst, umso weiter entfernt man sich von der ganz präzisen Grundlehre. Der Grund dafür ist einfach: Eine so simple Lehre wie der Kern des Buddhismus ist für den menschlichen Verstand unbefriedigend, weil zu negativ und zu anstrengend in der Umsetzung (Meditation, Kontemplation usw...). Deshalb verirrt sich auch der Buddhismus in alle möglichen Seitenstraßen und Ablenkungen innerhalb dessen, was er Samsara nennt.
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#4
so wie zb auch das Christentum.. ;)
Aut viam inveniam aut faciam
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#5
(08-11-2024, 19:38)d.n. schrieb: so wie zb auch das Christentum.. ;)

Ich verstehe nicht, was du meinst. 

Das Christentum stellt nicht in vergleichbarer Weise das Leiden der Menschheit in den Fokus wie der Buddhismus. Das Leiden der Tierwelt kommt dort überhaupt nicht vor. 

Das Christentum nimmt auch nicht wie der Buddhismus eine simple, präzise und rational nachvollziehbare Grundlehre und baut sie zu einem unnötig komplexen philosophischen System aus. Denn das Christentum hat meines Erachtens gar keine simple, präzise und rational nachvollziehbare Grundaussage, um die herum es eine komplexe Philosophie ausbauen könnte. 

Wo sich beide Religionen jedoch ähneln, ist in der Abkehr von der Welt. Jedoch ist die Motivation dahinter jeweils ganz unterschiedlich formuliert. 

Lediglich im praktischen Asketentum dürften sich beide Religionen tatsächlich sehr ähnlich sein. Nur wieviel Prozent der Christen leben denn auch nur annähernd asketisch? Dieser Prozentsatz dürfte beim Buddhismus wesentlich höher sein.
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#6
(08-11-2024, 16:30)subdil schrieb: Das Problem mit dem Buddhismus ist dann aber meines Erachtens, dass er aus dieser sehr präzisen und simplen Grundlehre eine unendlich komplexe Philosophie entwickelt und je mehr man sich mit dem Leben Buddhas und all den Zusatzlehren befasst, umso weiter entfernt man sich von der ganz präzisen Grundlehre. Der Grund dafür ist einfach: Eine so simple Lehre wie der Kern des Buddhismus ist für den menschlichen Verstand unbefriedigend, weil zu negativ und zu anstrengend in der Umsetzung (Meditation, Kontemplation usw...). Deshalb verirrt sich auch der Buddhismus in alle möglichen Seitenstraßen und Ablenkungen innerhalb dessen, was er Samsara nennt.

In jede neue Religion fließt altes regionales Brauchtum mit ein. Nicht weil den Menschen langweilig ist.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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#7
(08-11-2024, 22:38)subdil schrieb:
(08-11-2024, 19:38)d.n. schrieb: so wie zb auch das Christentum.. ;)

Ich verstehe nicht, was du meinst

na, wie du ja selber sagst: "...verirrt sich in alle möglichen Seitenstraßen und Ablenkungen"
 
Zitat:Das Christentum stellt nicht in vergleichbarer Weise das Leiden der Menschheit in den Fokus wie der Buddhismus. Das Leiden der Tierwelt kommt dort überhaupt nicht vor

das hat ja nichts mit diesem ausfransen in "alle möglichen Seitenstraßen und Ablenkungen" zu tun 

Zitat:Das Christentum nimmt auch nicht wie der Buddhismus eine simple, präzise und rational nachvollziehbare Grundlehre

ansichtsache. was an den wiedergeburten bis zum nirwana "simpler, präziser und rational nachvollziehbarer" sein soll als die botschaft der bergpredigt - das erschließt sich mir nicht
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#8
Zitat:"alles ist vergänglich"
soll von Buddha sein.
Irgendwann landet man automatisch im Nirwana. Und auch das wäre vergänglich.
„Niemals tut der Mensch das Böse so vollkommen und fröhlich, als wenn er es aus religiöser Überzeugung tut.“ Blaise Pascal
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#9
(08-11-2024, 23:47)petronius schrieb:
Zitat:Das Christentum stellt nicht in vergleichbarer Weise das Leiden der Menschheit in den Fokus wie der Buddhismus. Das Leiden der Tierwelt kommt dort überhaupt nicht vor

das hat ja nichts mit diesem ausfransen in "alle möglichen Seitenstraßen und Ablenkungen" zu tun 


Es ist aber das besondere und entscheidende Merkmal des Buddhismus. Mir geht es ja immer darum, welchen Bezug eine Lehre zum tatsächlichen Leben, sogar zum ganz alltäglichen Leben hat. Darum scheint es dir und Ekkard ja auch zu gehen, weil ihr immer wieder ankreidet, dass zum Beispiel die Anthroposophie viel zu abgehoben ist und sich mit Dingen befasst, die in gar keiner direkten Wechselwirkung mit uns stehen. 

Ganz anders aber das Samsara des Buddhismus. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht wird überall diese Wahrheit vorfinden, dass das Leben der Menschen und auch der Tiere gezeichnet ist von einem immerwährenden Mangel und Leiden, in kleinerer und größerer Intensität. Das Streben nach Wohlbefinden und Zufriedenheit - geschweige denn Glück - wird permanent gehemmt durch die kleineren und größeren Übel des Daseins. Der Philosoph Arthur Schopenhauer, dessen Lehre dem Buddhismus sehr nahe steht, hat es so formuliert:

"Alles Streben entspringt aus Mangel, aus Unzufriedenheit mit seinem Zustande, ist also Leiden, solange es nicht befriedigt ist. Keine Befriedigung aber ist dauernd, vielmehr ist sie stets nur der Anfangspunkt eines neuen Strebens. Das Streben sehen wir überall vielfach gehemmt, überall kämpfend. Solange also immer als Leiden: Kein letztes Ziel des Strebens, also kein Maß und Ziel des Leidens".

Das was Schopenhauer in seiner Lehre als "die Verneinung des Willens zum Leben" bezeichnet hat, ist genau das, was die Asketen aller Religionen aller Zeitalter angestrebt haben, nämlich sich von der materiellen Welt, die niemals Befriedigung bringen kann, abzuwenden und ein ganz simples Leben in der Einsamkeit zu leben. Ich denke, dass der Buddhismus aber den direktesten, unmittelbarsten Zugang zu dieser Schlussfolgerung bietet. Andere Religionen kommen nur über diverse Umwege da hin. 


(08-11-2024, 23:47)petronius schrieb:
Zitat:Das Christentum nimmt auch nicht wie der Buddhismus eine simple, präzise und rational nachvollziehbare Grundlehre

ansichtsache. was an den wiedergeburten bis zum nirwana "simpler, präziser und rational nachvollziehbarer" sein soll als die botschaft der bergpredigt - das erschließt sich mir nicht


Im Buddhismus und den fernöstlichen Lehren im allgemeinen geht es viel mehr um Bewusstsein, um subjektives Erleben, um Fragen der Meditation und Kontemplation usw... Auch zu diesen Dingen können andere Religionen kommen, aber auch wieder nur über Umwege. Dass der Buddhismus dann seine eigenen Umwege und Ablenkungen findet, erklärt sich eben meines Erachtens dadurch, dass über tausende Jahre hinweg halt immer mehr darüber geschrieben und geredet wurde. Der Fokus auf Buddhas Leben ist ebenfalls eine Verirrung, da es doch im Kern des Buddhismus darum geht, sein eigenes Leben neu auszurichten und nicht einem anderen hinterherzulaufen. 

Und warum sollte ausgerechnet die Bergpredigt die zentrale Lehre des Christentums sein? Warum nicht die Schöpfungsgeschichte in der Genesis oder die zehn Gebote oder die Offenbarung des Johannes? 


(09-11-2024, 01:00)exkath schrieb:
Zitat:"alles ist vergänglich"
soll von Buddha sein.
Irgendwann landet man automatisch im Nirwana. Und auch das wäre vergänglich.

Das Nirwana wird beschrieben als ungeboren, ungeworden, unerschaffen, ungestaltet. Es soll dort weder Subjekt noch Objekt, weder Raum noch Zeit geben. Es kann also nach dieser Logik nicht vergänglich sein, weil es keinen Anfang hatte.

Solche Überlegungen widerstreben natürlich unserer westlichen Ratio. Gerade deswegen sind sie vielleicht interessant.
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#10
(09-11-2024, 17:33)subdil schrieb:
(08-11-2024, 23:47)petronius schrieb:
Zitat:Das Christentum stellt nicht in vergleichbarer Weise das Leiden der Menschheit in den Fokus wie der Buddhismus. Das Leiden der Tierwelt kommt dort überhaupt nicht vor
das hat ja nichts mit diesem ausfransen in "alle möglichen Seitenstraßen und Ablenkungen" zu tun 

Es ist aber das besondere und entscheidende Merkmal des Buddhismus

du meinst jetzt das tierleid und nicht das ausfransen?

jo mei...

behauptet ja auch keiner, daß alle religiösen glaubenssysteme gleich wären

Zitat:Mir geht es ja immer darum, welchen Bezug eine Lehre zum tatsächlichen Leben, sogar zum ganz alltäglichen Leben hat. Darum scheint es dir und Ekkard ja auch zu gehen, weil ihr immer wieder ankreidet, dass zum Beispiel die Anthroposophie viel zu abgehoben ist und sich mit Dingen befasst, die in gar keiner direkten Wechselwirkung mit uns stehen

äh - ja?

religiöse glaubenssysteme sind nun mal gekennzeichnet durch das propagieren von vermeitlichen sachverhalten, für die es in der realität keine entsprechung gibt. natürlich auch der buddhismus
 
Zitat:Ganz anders aber das Samsara des Buddhismus. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht wird überall diese Wahrheit vorfinden, dass das Leben der Menschen und auch der Tiere gezeichnet ist von einem immerwährenden Mangel und Leiden, in kleinerer und größerer Intensität

das ist halt eine frage der betrachtungsweise. man kann genauso gut sehen, daß es überall auch positives gibt, das dasein also nicht minder durch freuden und vergnügen gelennzeichnet ist

Zitat:Das Streben nach Wohlbefinden und Zufriedenheit - geschweige denn Glück - wird permanent gehemmt durch die kleineren und größeren Übel des Daseins

ja und? erwartest du, in einem schlaraffenland zu leben? für mich wär das langweilig

Zitat:Das was Schopenhauer in seiner Lehre als "die Verneinung des Willens zum Leben" bezeichnet hat, ist genau das, was die Asketen aller Religionen aller Zeitalter angestrebt haben, nämlich sich von der materiellen Welt, die niemals Befriedigung bringen kann, abzuwenden und ein ganz simples Leben in der Einsamkeit zu leben

von mir aus... für mich wär das nichts. dafür lebe und erlebe ich viel zu gern

Zitat:Ich denke, dass der Buddhismus aber den direktesten, unmittelbarsten Zugang zu dieser Schlussfolgerung bietet

welche jetzt? daß man lieber gar nichts tun solle, um nicht vielleicht auch mal mit weniger erfreulichen konsequenzen seines tuns konfrontiert zu werden?

no risk, no fun

Zitat:Andere Religionen kommen nur über diverse Umwege da hin

ich will überhaupt nicht da hin

Zitat:
(08-11-2024, 23:47)petronius schrieb:
Zitat:Das Christentum nimmt auch nicht wie der Buddhismus eine simple, präzise und rational nachvollziehbare Grundlehre
ansichtsache. was an den wiedergeburten bis zum nirwana "simpler, präziser und rational nachvollziehbarer" sein soll als die botschaft der bergpredigt - das erschließt sich mir nicht

Im Buddhismus und den fernöstlichen Lehren im allgemeinen geht es viel mehr um Bewusstsein, um subjektives Erleben, um Fragen der Meditation und Kontemplation usw...

also eben nicht um logik - sag ich doch

Zitat:Und warum sollte ausgerechnet die Bergpredigt die zentrale Lehre des Christentums sein?

weil sie von christen als diese angesehen wird

Zitat:Warum nicht die Schöpfungsgeschichte in der Genesis oder die zehn Gebote oder die Offenbarung des Johannes? 

weil du entsprechendes auch in anderen religionen findest. auch religionen brauchen zur vermarktung ihren unique selling point
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#11
(09-11-2024, 20:29)petronius schrieb:
Zitat:Ganz anders aber das Samsara des Buddhismus. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht wird überall diese Wahrheit vorfinden, dass das Leben der Menschen und auch der Tiere gezeichnet ist von einem immerwährenden Mangel und Leiden, in kleinerer und größerer Intensität

das ist halt eine frage der betrachtungsweise. man kann genauso gut sehen, daß es überall auch positives gibt, das dasein also nicht minder durch freuden und vergnügen gelennzeichnet ist


Die Frage ist eben, ob die Freuden und Vergnügungen den Mangel und das Leiden rechtfertigen können, das sie mit sich bringen - und das natürlich auch ungerecht auf die Individuen verteilt. Zudem bedeutet eine gewisse Zufriedenheit meist lediglich die temporäre Abwesenheit von Mangel und Leiden - also das Positive wird meist nur durch die Abwesenheit des Negativen definiert. 


(09-11-2024, 20:29)petronius schrieb: ja und? erwartest du, in einem schlaraffenland zu leben? für mich wär das langweilig


Es ist natürlich klar, dass wir in der Lebenslogik aufgehen und dem Kampf des Lebens somit auch etwas abgewinnen können. Leben, wie wir es kennen, ist auch gar nicht ohne diesen Kampf denkbar. 

Schopenhauer beschreibt dies als den blinden Willen zum Leben, den metaphysischen Urgrund aller Dinge. Schon in der unbelebten Materie sehen wir nach seiner Lehre die unterschiedlichen Elemente um die Vorherrschaft konkurrieren - eine Idee übrigens, die 200 Jahre nach Schopenhauer laut Brian Greene mittlerweile sogar wissenschaftlich bestätigt wurde. Die Evolution, der Kampf um die Vorherrschaft wird tatsächlich schon von den Elementarteilchen im Gestein usw. geführt. Dies dürfte die bisher größte wissenschaftliche Bestätigung von Schopenhauers Lehre sein. 

Also klar: Da der Überlebenskampf uns nicht nur in die DNA, sondern sogar schon in die Elementarteilchen gelegt ist, schwimmen wir darin wie der Fisch im Wasser. Der Buddhismus und Schopenhauers Lehre jedoch nehmen sozusagen die Vogelperspektive ein und betrachten diese menschliche Überzeugung kritisch, neutral und ergebnisoffen - was zu einer anderen Bewertung der Dinge führt. 


(09-11-2024, 20:29)petronius schrieb:
Zitat:Das was Schopenhauer in seiner Lehre als "die Verneinung des Willens zum Leben" bezeichnet hat, ist genau das, was die Asketen aller Religionen aller Zeitalter angestrebt haben, nämlich sich von der materiellen Welt, die niemals Befriedigung bringen kann, abzuwenden und ein ganz simples Leben in der Einsamkeit zu leben

von mir aus... für mich wär das nichts. dafür lebe und erlebe ich viel zu gern

Was ja auch völlig normal ist. Auch ich lebe und erlebe gerne - das ist uns als Lebewesen in die Wiege gelegt. Aber man kann trotzdem einmal hinterfragen, ob das alles wirklich Sinn ergibt.

Vielleicht ist der Buddhismus so wie Schopenhauers Lehre nur für die Menschen zu verstehen, die ein melancholisches Gemüt haben. Alle anderen sind durch ein Übermaß an positiven Empfindungen zu sehr in die Lebenslogik integriert - was kein Vorwurf ist, so wie auch umgekehrt den melancholischen Geistern kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass sie die Dinge etwas anders sehen.

Du sagtest ja, dass jede Religion ihren unique selling point braucht und so zieht vielleicht auch jede Religion bzw. Philosophie einen bestimmten Menschentyp eher an als andere.

Mich jedenfalls fasziniert es, wie topaktuell der tausende Jahre alte Buddhismus und die 200 Jahre alte Philosophie Schopenhauers immer noch sind - ein gutes Zeichen, dass da etwas Wahres dran sein muss.
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#12
(09-11-2024, 22:22)subdil schrieb: Mich jedenfalls fasziniert es, wie topaktuell der tausende Jahre alte Buddhismus und die 200 Jahre alte Philosophie Schopenhauers immer noch sind - ein gutes Zeichen, dass da etwas Wahres dran sein muss.

Bei so etwas reicht es voellig, dass diese Ideen irgendein Beduerfnis erfuellen; das ist ja wohl auch der "Sinn" hinter sogenannten "Wahrheiten".
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#13
(09-11-2024, 22:22)subdil schrieb: Die Frage ist eben, ob die Freuden und Vergnügungen den Mangel und das Leiden rechtfertigen können, das sie mit sich bringen

das ist imho nicht die frage - denn so funktioniert das leben nicht. gerechtigkeit, schon gar persönliches gerechtigkeitsempfinden, sind keine biologischen kategorien

Zitat:Da der Überlebenskampf uns nicht nur in die DNA, sondern sogar schon in die Elementarteilchen gelegt ist, schwimmen wir darin wie der Fisch im Wasser. Der Buddhismus und Schopenhauers Lehre jedoch nehmen sozusagen die Vogelperspektive ein und betrachten diese menschliche Überzeugung kritisch, neutral und ergebnisoffen - was zu einer anderen Bewertung der Dinge führt

also wenn ich unveränderliche gegbenheiten "kritisch, neutral und ergebnisoffen" betrachte, führt das zu informationsgewinn - aber nicht zu einer bewertung dessen, was ist, wie es ist und auch gar nicht anders sein kann

Zitat:Auch ich lebe und erlebe gerne - das ist uns als Lebewesen in die Wiege gelegt. Aber man kann trotzdem einmal hinterfragen, ob das alles wirklich Sinn ergibt

sinn (des daseins) ergibt sich nicht - diesen sinn verleiht man

oder eben nicht und bejammert lieber das unabänderliche und unvermeidbare

Zitat:Vielleicht ist der Buddhismus so wie Schopenhauers Lehre nur für die Menschen zu verstehen, die ein melancholisches Gemüt haben

das könnte schon sein. wenn man hat den eindruck, hier finde sinnsuche nur im negativspektrum statt

Zitat:Alle anderen sind durch ein Übermaß an positiven Empfindungen zu sehr in die Lebenslogik integriert - was kein Vorwurf ist

wenn es kein vorwurf ist - was meinst du dann mit "zu"? das heißt doch, daß irgendwo, irgendwie ein maß überschritten wird

Zitat:Mich jedenfalls fasziniert es, wie topaktuell der tausende Jahre alte Buddhismus und die 200 Jahre alte Philosophie Schopenhauers immer noch sind

das ist, wie gesagt, geschmackssache. und natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, daß du ein eher melancholisches gemüt hast
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#14
(10-11-2024, 15:54)petronius schrieb: das ist imho nicht die frage - denn so funktioniert das leben nicht. gerechtigkeit, schon gar persönliches gerechtigkeitsempfinden, sind keine biologischen kategorien
...
also wenn ich unveränderliche gegbenheiten "kritisch, neutral und ergebnisoffen" betrachte, führt das zu informationsgewinn - aber nicht zu einer bewertung dessen, was ist, wie es ist und auch gar nicht anders sein kann


Wer außer uns sollte die Situation des Lebens auf der Erde beurteilen? Oder noch allgemeiner gesagt: Die Situation des Bewusstseins. Nur bewusste, empfindungsfähige Lebewesen mit einer gewissen Intelligenz sind dazu in der Lage. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass ohne die Existenz von Empfindungsfähigkeit und Bewusstsein es gar keine moralischen Werte irgend einer Art im Universum geben würde. Nur dadurch, dass die Möglichkeit negativer Empfindungen und Erfahrungen möglich wird, hat der moralische Begriff "Wert" überhaupt einen Sinn. 


(10-11-2024, 15:54)petronius schrieb: sinn (des daseins) ergibt sich nicht - diesen sinn verleiht man
oder eben nicht und bejammert lieber das unabänderliche und unvermeidbare


Der Mangel an einem objektiven Lebenssinn ist sicherlich ein Hauptgrund dafür, dass ich ein eher melancholisches Gemüt habe und auch dafür, dass ich generell so viel über das Dasein nachdenke. 

In meinem allerersten Posting hier im Forum im Thread "Die Reinkarnationslehre und der Sinn des Lebens" ging es ja gleich schon um die Frage, wie man dem Sinn der jeweiligen Inkarnation näher kommen kann, obwohl man sich nicht mehr daran erinnern kann, warum man diese Inkarnation gewählt hat. Natürlich enthält dies bereits den Glauben oder das als möglich anerkennen einer Seelenreise mit mehreren Inkarnationen. 

Doch auch wenn man diesen Reinkarnationsgedanken weglässt und sich nur auf das aktuelle Leben bezieht, stellt sich diese Frage weiterhin. Dem Leben einen subjektiven Sinn selber zu verleihen, das liegt nicht jedem. 

Allerdings könnte man im Sinne des Buddhismus auch sagen, dass der objektive Sinn des Lebens darin liegt, zu erkennen, dass in Samsara kein dauerhaftes Glück möglich ist. 


(10-11-2024, 15:54)petronius schrieb:
Zitat:Alle anderen sind durch ein Übermaß an positiven Empfindungen zu sehr in die Lebenslogik integriert - was kein Vorwurf ist

wenn es kein vorwurf ist - was meinst du dann mit "zu"? das heißt doch, daß irgendwo, irgendwie ein maß überschritten wird


Ja, "zu" sehr in die Lebenslogik integriert, um zu erkennen, wie sehr diese Welt eigentlich darauf angelegt ist, uns das Leben schwer zu machen. Dazu ein Zitat von Schopenhauer: 

"Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen, kleinen, größeren und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge von etwas, das uns verleidet werden soll, dass es schwer zu begreifen ist, wie man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu sein. Stellt doch vielmehr jene fortwährende Täuschung und Enttäuschung, wie auch die durchgängige Beschaffenheit des Lebens, sich dar als darauf abgesehen und berechnet, die Überzeugung zu erwecken, dass gar nichts unseres Strebens, Treibens und Ringens wert sei, dass alle Güter nichtig seien, die Welt an allen Enden bankrott, und das Leben ein Geschäft, das nicht die Kosten deckt - auf das unser Wille sich davon abwende". 

Allerdings muss an dieser Stelle einmal betont werden, dass auch Schopenhauer selber nicht den von ihm theoretisch favorisierten Weg der Verneinung des Willens zum Leben, also der Askese, gegangen ist. Er hat ja im Gegenteil einen eher komfortablen, wenn auch nicht ausschweifenden Lebensstil gehabt und war aufgrund eines großen Erbes sein Leben lang finanziell unabhängig. 

Auch der Buddhismus kann eigentlich nur konsequent ausgeübt werden, wenn man zumindest einigermaßen asketisch lebt - denn egal, wie sehr man auch in der Theorie das Samsara durchschaut hat: Solange man weiterhin einen komfortablen, westlichen Lebensstil pflegt, bleibt man im praktischen Sinne an die Welt angehaftet. Was aber ja auch nicht weiter schlimm ist. Denn wir sind eben alle Verkörperungen des von Schopenhauer so genannten blinden Willens zum Leben und es ist somit ganz natürlich, dass wir am Leben hängen, die Genüsse des Lebens schätzen, die positiven Gefühle suchen usw...

Der Forumsuser "exkath" hat weiter oben in diesem Thread geschrieben, dass das Nirwana für uns alle irgendwann schon automatisch kommt, weil alles vergänglich ist. Ich sehe es in dem Sinne ähnlich, dass wir uns auch im spirituellen Bereich zu nichts zwingen sollten. Solange wir dem Leben noch etwas positives abgewinnen können, sollten wir vielleicht sogar gar nicht einen asketischen Lebenswandel pflegen. Denn dann würden wir uns unter Umständen zu früh für die Askese entscheiden und uns daraufhin wieder ganz vom spirituellen Pfad abwenden, wohingegen wir dann, wenn wir lange genug bis zu einer solchen natürlichen Entwicklung warten, auch wirklich in dem asketischen Lebensstil aufgehen würden.

Bei all diesen Überlegungen ist es kein Wunder, dass im Buddhismus von vielen, vielen Inkarnationen ausgegangen wird. Denn es scheint geradezu unmöglich, den spirituellen Pfad innerhalb eines einzigen Menschenlebens vollständig zu durchlaufen. Dazu scheinen viele tausend Jahre und viele verschiedene Verkörperungen notwendig zu sein.
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#15
(10-11-2024, 17:52)subdil schrieb: Wer außer uns sollte die Situation des Lebens auf der Erde beurteilen?

sollen wir das denn? ohne etwas daran ändern zu können?

das erscheint mir nicht sinnvoll

Zitat:Nur dadurch, dass die Möglichkeit negativer Empfindungen und Erfahrungen möglich wird, hat der moralische Begriff "Wert" überhaupt einen Sinn. 

dann hat das, was du andererseits beklagst (bzw. beklagst, daß die anderen religionen sich nicht vorrangig damit befassen), ja doch seinen wert

Zitat:Dem Leben einen subjektiven Sinn selber zu verleihen, das liegt nicht jedem. 

wie wahr! das überfordert so manchen bzw. ist ihm zu unbequem, deshalb braucht es ja religionen und boomt die esoterik

sapere aude! habe den mut, selber zu denken!

Zitat:
Zitat:
Zitat:Alle anderen sind durch ein Übermaß an positiven Empfindungen zu sehr in die Lebenslogik integriert - was kein Vorwurf ist

wenn es kein vorwurf ist - was meinst du dann mit "zu"? das heißt doch, daß irgendwo, irgendwie ein maß überschritten wird

Ja, "zu" sehr in die Lebenslogik integriert, um zu erkennen, wie sehr diese Welt eigentlich darauf angelegt ist, uns das Leben schwer zu machen

ja gut, so defätistisch (um nicht gleich zu sagen: paranoid) denkst halt du. ich sehe darin keinen gewinn

Zitat:Der Forumsuser "exkath" hat weiter oben in diesem Thread geschrieben, dass das Nirwana für uns alle irgendwann schon automatisch kommt, weil alles vergänglich ist

ich habe das eher als reductio ad absurdum betrachtet
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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