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Was soll das sein, das "Reich Gottes"?
#1
Jesus spricht oft davon, und Er scheint sehr große Schwierigkeiten gehabt zu haben, den Menschen auseinanderzusetzen, was es eigentlich ist. Die historischen Gründe dafür sind bekannt, die Erwartung des jüdischen Volkes auf einen weltlichen Erlöser. Aber die eigentliche Diskrepanz dieses "Reiches" scheint eben darin zu liegen, dass es ist und gleichzeitig nicht ist.
Was hat Er also damit gemeint?

Bibelstellen dazu:
Lk 17,20: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch / unter euch da.
Joh 3,3: Wenn jemand nicht von neuem / von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.
Mk 1,14: das Reich Gottes ist nahe.

Apokryphen:
Thomasevangelium 113: Man wird nicht sagen: Seht, hier ist es, oder: Seht, dort ist es. Sondern das Königreich des Vaters ist ausgebreitet über die Erde, und die Menschen sehen es nicht.
3: Aber das Königreich ist in eurem Inneren, und es ist außerhalb von euch
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#2
Was soll das sein, das "Reich Gottes" ?

Ich denke, diese Frage kann in einem Diskussionsforum nicht gelöst werden.
Diese Frage beschäftigt Juden und Christen seit sehr langer Zeit.

A) Die Juden erwarteten bereits vor Christi Geburt einen Messias, einen gesalbten König und mächtigen Heerführer.

B) Jesus wurde vom Christentum als Messias bezeichnet.
b1 als innere, religiöse Erlösung. Jesus im Herzen.
b2 als Heerführer (siehe die Apokalypse).

C) Die Juden hoffen seit der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 nach wie vor (wie unter A genannt) auf einen Messias, einen gesalbten König und mächtigen Heerführer.


A, C, b2 sind sehr ähnlich. Es geht um mächtige Heerführer auf Erden.

b1 ist etwas ganz anderes. Eine innere Erlösung. Eine Erlösung des Herzens, gepaart mit der Hoffnung auf ein schönes Dasein nach dem Tode.
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#3
(03-10-2013, 16:47)Sinai schrieb: A, C, b2 sind sehr ähnlich. Es geht um mächtige Heerführer auf Erden.

Ich denke diese Sichtweisen kann man ausschließen, eigentlich zu 100%.

Joh 18,36: "Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier."
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#4
(03-10-2013, 15:56)eddyman schrieb: Jesus spricht oft davon, und Er scheint sehr große Schwierigkeiten gehabt zu haben, den Menschen auseinanderzusetzen, was es eigentlich ist.

Man muß die Problematik auch im historischen Kontext sehen.
Als das Neue Testament geschrieben und dann an christliche Gemeinden verteilt wurde, war Israel von römischen Legionen besetzt.

Damals konnte nicht so frei geredet oder gepredigt werden. Denn die römischen Behörden überwachten emsig die Aufstandsregion Palästina. Überall, auf jedem Marktplatz, standen römische Spitzel, die den Auftrag hatten, zu lauschen, was da geredet wurde. Ein militärisches Frühwarnsystem der damaligen Zeit, mit dem Ziel, Aufstandstendenzen frühzeitig zu erkennen, um die Aufwiegler sofort zu verhaften und hinzurichten.

Rom war da nicht sehr human. Wer auch nur den Anschein erweckte, zum Aufstand aufzuwiegeln, wurde sofort grausam umgebracht.

Wie hätten denn die Evangelisten frank und frei schreiben und verkünden können ??

Wenn sie im Evangelium vom baldigen "Reich Gottes" geschrieben hätten, wären sie sofort ohne viel Federlesens hingerichtet worden. Und nach dem Aufstand des Jahres 70, in dem die Römer den Tempel zerstörten, war es nicht einmal möglich, diesbezügliche zarte Andeutungen zu machen.

Es ist zu vermuten, daß die Evangelisten so agierten, wie alle Prediger von verbotenen Bewegungen. Das war zu allen Zeiten so, seit 3500 Jahren bis zur Russischen Revolution 1917.

Es wurde ein harmloses Evangelium geschrieben. Um von den röm. Behörden nicht verfolgt zu werden.

Es wurde im engen Kreis die Wahrheit gesagt. Selbstverständlich wurden solche staatsfeindliche Gedanken niemals niedergeschrieben. Denn wenn so eine gefährliche Schrift durch Zufall den Römern in die Hände gefallen wäre, hätte es sofort eine Massenverhaftung gegeben. Daher ist das mit dem "Reich Gottes" alles so unklar formuliert.

Aber es gibt dennoch ein Indiz, daß mit "Reich Gottes" nicht die innere Glückseligkeit gemeint war, sondern ein reales Reich, das nach einem gewaltigen Abschlachten entstehen solle: ich meine die Apokalypse.

Offenbar geisterte in den Köpfen der frühen Gemeindeführer der Gedanke eines gewaltsamen Aufstands herum – anders wäre es nicht zu verstehen, daß die Apokalypse in den christlichen Bibelkanon aufgenommen wurde.
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#5
(03-10-2013, 16:55)eddyman schrieb:
(03-10-2013, 16:47)Sinai schrieb: A, C, b2 sind sehr ähnlich. Es geht um mächtige Heerführer auf Erden.

Ich denke diese Sichtweisen kann man ausschließen, eigentlich zu 100%.

Joh 18,36: "Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier."

Ganz so sehe ich das nicht:

1.) Siehe das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.
Es war ein reales Großreich auf der realen Welt.

2.) Es gibt heute (wieder) mehrere endzeitliche Sekten. Zum Beispiel die Zeugen Jehovas, aber auch viele andere. Diese erhoffen das baldige Paradies auf dieser Welt.

3.) Es gibt jüdische Gruppierungen in Israel, die einen realen Messias erwarten, der den Tempel wieder errichten wird und dann ein sehr mächtiger, realer Herrscher sein wird.
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#6
An all dem ist sicherlich etwa dran. Andererseits träumen Menschen gewissermaßen schon immer vom idealen Leben in einem Reich voll Frieden und Wohlstand, wenn nur die Bösen nicht wären ...
Der Traum vom Gottesreich war die innere Triebfeder von Jesu Idealismus, vermutlich sogar die Hinnahme seiner Hinrichtung, weil er sicher glaubte, im Gottesreich auferweckt zu werden - so sicher, dass er seinen Schülern real erschienen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#7
@Sinai
Schon klar, es wird immer Sekten oder religiöse Gruppen geben die das so sehen. Aber schau doch wie Jesus das formuliert hat. Das passt doch so nicht ganz zusammen... "nicht von dieser Welt" - aber "unter euch da"...
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#8
Warum soll das nicht zusammen passen?
"Nicht von dieser Welt", das ist das nicht, was sich diese Welt geistig leistet. Sie toleriert Ausbeutung, Unterdrückung, Sklaverei, himmelschreiende soziale Unterschiede, mangelnde Bildung, unhygienische Wohnungen, ja ganze Wohnviertel, Intrigen, Machtspiele.

Was ich meinen würde, wollte ich ein Reich "nicht von dieser Welt" verkünden, wäre das, was wir heute "Bewusstseinswandel" nennen. Und Jesus hat diverse Beispiele gebracht, so dass auch die zweite Idee stimmt: "Es ist unter euch da", nämlich das gewandelte Bewusstsein, weg von der Ausgrenzung der unterprivilegierten Stände und Völker (Übersetzung nach heute).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#9
mir leuchtet folgendes ein:

Lk 17,20: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch / unter euch da
...
3: Aber das Königreich ist in eurem Inneren, und es ist außerhalb von euch


also: innere wie äußere zufriedenheit, mit sich und den mitmenschen im reinen sein, sich selbst als individuum und als teil der gesellschaft in gott geborgen fühlen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#10
schöne Schlussfolgerung, petronius.
with great power comes great responsibility

Entscheidungen machen uns zu denen, die wir sind. Und wir haben immer die Wahl, das Richtige zu tun.
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#11
(03-10-2013, 20:04)Ekkard schrieb: Warum soll das nicht zusammen passen?
"Nicht von dieser Welt", das ist das nicht, was sich diese Welt geistig leistet. Sie toleriert Ausbeutung, Unterdrückung, Sklaverei, himmelschreiende soziale Unterschiede, mangelnde Bildung, unhygienische Wohnungen, ja ganze Wohnviertel, Intrigen, Machtspiele.

Wenn dieses "Reich" also grundsätzlich als doch "von dieser Welt" gemeint ist, warum hat Er dann nicht dafür gekämpft, und seinen Jüngern selbiges verboten?
Jesus hätte ein jüdischer Napoleon sein können, oder zumindest ein tatkräftiger gesellschaftlicher Reformer.

Achso, und weil du vorhin geschrieben hast: "Der Traum vom Gottesreich war die innere Triebfeder von Jesu Idealismus..." - das ist auch wieder so eine Sache, Jesus als Träumer hinzustellen...
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#12
(04-10-2013, 11:52)eddyman schrieb: . . . warum hat Er dann nicht dafür gekämpft . . . jüdischer Napoleon . . .

Gott wollte offenbar nicht, daß sein Sohn ein "jüdischer Napoleon" wird.

Ich denke, wenn Gott die Unterdrückung durch die römische Besatzung beenden hätte wollen, so hätte er nicht seinen Sohn geschickt, damit er einige Jünger um sich schare um mit diesen einen Aufstand aufzurufen. So eine Erhebung gegen Rom war immer extrem blutig, dabei starben immer viele Alte, Frauen und Kinder – wenn einmal die Furie des Krieges da war.

Ich denke, wenn Gott die Unterdrückung durch die römische Besatzung beenden hätte wollen, so hätte er "12 Legionen Engel" geschickt.

Denn entweder es gibt einen allmächtigen Gott, oder es gibt keinen.

Fall A
"es gibt einen allmächtigen Gott"
Dieser allmächtige Gott bestimmt selbst, wann die römische Besatzung zu enden hat.
Zum gegebenen Zeitpunkt wird er Engel schicken, die die Besatzer vernichten.
Da gibt es ein Beispiel im Alten Testament.
Ein fechten der Menschen ist nicht erforderlich – und wohl auch unsinnig, denn die israelitischen Hirten und Bauern zur Zeit Jesu sind keine ausgebildeten Krieger, haben keine Rüstungen, und sind daher den römischen Legionären ohnehin nicht gewachsen.

Fall B
"es gibt keinen allmächtigen Gott"
In diesem Falle greifen die Menschen zur Selbsthilfe.
Dann ist es lediglich ein nationaler Befreiungskampf, aber kein religiös motivierter Krieg.
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#13
Ich meine das so:

Entweder es gibt diesen Gott Israels, dem es ein Greuel ist, wenn römische Legionäre mit ihren römischen Kulten in Jerusalem hausen und in der Heiligen Stadt Schweine grillen, dann wird er die Besatzer vernichten – oder es gibt ihn nicht, dann ist ohnehin jedweder Kampf gegen die Römer unsinnig.

Gott allein kann die Römer vernichten – er ist ja allmächtig.

Ein jüdischer Partisanenkampf gegen Rom ist jedoch von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Siehe:

Jüdischer Krieg 66-70
Bar Kochba Aufstand 132-135

Wie könnte ein winziges Volk den Kampf gegen ein Imperium mit allen seinen Truppenreserven gewinnen ?
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#14
(04-10-2013, 12:39)Sinai schrieb: Gott allein kann die Römer vernichten – er ist ja allmächtig.

Natürlich. Und Jesus war Gottes Sohn, und nicht minder mit Macht ausgestattet. Jesus, wie ihn die Evangelien uns vor Augen führen, hat viele Wunder gewirkt, und so wie Er Tote auferweckt hat, hätte Er auch töten können. Er hätte sich nicht ausliefern lassen müssen, sondern hätte sich dem entziehen oder seine Widersacher wie nichts vernichten können. Aber daran hat Er nicht gedacht, es ging um den Willen seines "Vaters", dessen "Reich" eben nicht von dieser Welt ist.
Ich bleibe aber nach wie vor mit der Frage, was dieses Reich denn ist. Die vorigen Antworten, die Es im ideellen Sinn in dieser Welt ansiedeln finde ich nicht befriedigend, weil doch auf der Hand liegt, dass Jesus recht wenig auf diese Welt gegeben hat.

(Hatte ich schon mal verlinkt: +http://www.kleine-spirituelle-seite.de/tl_files/template/pdf/jesus_und_die_soziale_frage.pdf)
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#15
(04-10-2013, 12:53)eddyman schrieb: Ich bleibe aber nach wie vor mit der Frage, was dieses Reich denn ist. Die vorigen Antworten, die Es im ideellen Sinn in dieser Welt ansiedeln finde ich nicht befriedigend, weil doch auf der Hand liegt, dass Jesus recht wenig auf diese Welt gegeben hat

kann ich nicht so sehen

was könnte diesseitiger sein als die verpflichtung zur nächstenliebe?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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