18-07-2012, 10:06
(17-07-2012, 23:51)Ekkard schrieb: Wenn man "ungläubig" ist, also alle Beziehungen zur Welt als relativ empfindet, dann mag das Hereinnehmen Gottes als zusätzlicher Ballast erscheinen.
Dies verkennt die Gefühlslage der meisten Menschen, die ihre Welterfahrung auf ein Ganzes hin ordnen. Das Gefühl, für sich und andere verantwortlich zu sein, leitet sich von der Sehnsucht nach einer über allem menschlichen Kleinkram stehenden Persönlichkeit ab. Der Gottesglaube ist ein wunderbares Kleinod, das in unserem Geist aufblitzt, wenn wir uns allein und der Welt ausgeliefert fühlen. Daran ändert auch alle Ratio nichts, eben weil sie uns in der Analyse - Zerlegung, Zerfaserung - ohne ein Ganzes zurück lässt.
Umgekehrt wird ja wohl ein Schuh draus. Die Sehnsucht nach einer "über allem stehenden Macht" kommt wohl eher daher, dass man a) Dinge nicht verstehen kann und Erklärungen braucht - "Gott hat es so gemacht", b) für seine Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden will und immer schön ein Ausrede parat hat - "Gott hat es so gewollt" und c) Traditionen und Herschaftsstrukturen rechtfertigen will - "die göttliche Ordnung".
Was da aufblitzt, ist nichts weiter als eine körpereigene Psychodroge - nicht Beten an sich macht glücklich, sondern die Gefühle, die dabei angesprochen werden (und die man auch anders hervorrufen kann). Siehe auch "Wer glaubt, wird nicht unbedingt glücklich" *http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/studie-zur-religiositaet-wer-glaubt-wird-nicht-unbedingt-gluecklich-a-789365.html
Das Ganze ist auch dann noch da, wenn ich versuche, es rational erfasse und analysiere - wo sollte es sonst hin? Ich brauche - wie in einer Galerie - nur wieder zwei Schritte zurücktreten, um das Gemälde in seiner Gesamtheit zu erfassen. Die Detailstudie half mir aber, es besser und intensiver zu sehen.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)