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07-09-2017, 06:53
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07-09-2017, 06:57 von aion.)
Diese Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit.
Die großen Buchreligionen sehen sich selbst immer in einer Prophetenlinie, die vom Stifter der eigenen Religion abgeschlossen ist. Jesus wird, auf Basis der ihm nachgesagten Selbstaussagen, in diese Linie gesetzt. Somit kam für den Islam Mohammed nach Jesus und korrigierte die Botschaft des Christentums. Für die Bahai ist Baha'u'llah der (vorerst) letzte Prophet und das (vorläufige) Siegel der Propheten. Ihnen gemein ist, dass sie auch den eigenen Religionsstifter als Propheten und nichts anderes betrachten. Das ist verständlich, da der Mensch gemeinhin dazu neigt, zeitlich nicht über sich selbst hinauszudenken.
Im Christentum ist das insofern etwas anderes, dass nicht Jesus als das Siegel aller Propheten gesehen wird, sondern als derjenige, durch und in dem sich Gott offenbart hat. So wie die Großoma mit dem Enkel auf dem Spielplatz tollt und in ihm ganz seinen Vater erkennt, erkennen Christen in Jesus seinen Vater. Über diese Offenbarung kann aus christlicher Sicht nichts hinausgehen: ein Prophet kann niemals eine neue Botschaft bringen, die dem Wesen Gottes widerspricht, wenn er denn ein wahrer Prophet ist.
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(07-09-2017, 06:53)sanctus schrieb: Im Christentum ist das insofern etwas anderes
das Christentum feiert im Advent die Ankunft des göttlichen Kindes
dieselbe Ankunft ist aber auch bei jedem anderen Menschen möglich,
denn durch den Jesus-Glauben werden selbst strafmündige Verbrecher
zeitlebens als neue Menschen wiedergeboren
das Neue im Christentum ist die Abkehr vom unschuldigen und reinen Kleinkind
als vermeintliches Ziel der Schöpfung
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Das interessante Thema des vorliegenden Threads lautet: Hat das Christentum das Prophetendenken überwunden?
Leider wurde darüber nicht diskutiert.
Ich meine, der Schreiber der Geheimen Offenbarung (Apokalypse) muß als Prophet gewertet werden.
Ein Unglücksprophet zwar, er machte aus der Frohbotschaft Jesu eine unheimliche Drohbotschaft (die halbe Menschheit ausrotten), aber eben ein Prophet
Denn er brachte eine völlig neue Lehre!
Aus einer neuen Religion der Liebe machte er eine Kampfreligion
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(07-09-2017, 06:53)aion schrieb: So wie die Großoma mit dem Enkel auf dem Spielplatz tollt und in ihm ganz seinen Vater erkennt, erkennen Christen in Jesus seinen Vater.
Ein sehr liebes Paradigma. Die Uroma erkennt im Urenkel dessen Vater. Von derartigen Ähnlichkeiten hört man immer wieder.
Aber im theologischen Sinn meines Erachtens nicht brauchbar. Denn Jesus war ganz das Gegenteil seines Vaters.
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(12-09-2017, 18:57)scilla schrieb: denn durch den Jesus-Glauben werden selbst strafmündige Verbrecher
zeitlebens als neue Menschen wiedergeboren
Das ist aber erst seit wenigen Jahren so
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Der Unterschied zwischen einer göttlichen Inkarnation und einem Propheten ist ja erstmal nicht so groß. Beide sind was ihre Individualität angeht "geläutert", d.h. sie handeln im Namen oder im Willen Gottes, und führen so gottgewollte Änderungen auf der Welt durch. Der Unterschied ist wohl eher in der Machtfülle zu sehen.
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01-09-2018, 16:10
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01-09-2018, 16:12 von Ulan.)
Das mit der Inkarnation ist ja sowieso eher die Sondermeinung eines Evangeliums, das es irgendwie zum christlichen Dogma geschafft hat (zwei andere Evangelien koennte man so deuten). Wenn man auf das Evangelium des Markus schaut, so ist das Bild genau so wie bei Koenig David oder einigen Propheten: der Geist Gottes ging auf sie nieder und veraenderte sie. Hier ist das Beispiel der Belehrung Sauls durch Samuel (1Sam 10:6):
"6 Dann wird der Geist des HERRN über dich kommen und du wirst wie sie in Verzückung geraten und in einen anderen Menschen verwandelt werden."
Im Markus-Evangelium passiert mit Jesus dasselbe. Der Geist Gottes gehr auf ihn nieder und treibt ihn, Dinge zu tun, die ihm ansonsten gar nicht eingefallen waeren.
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01-09-2018, 19:45
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01-09-2018, 19:58 von Sinai.)
Das interessante Thema des vorliegenden Threads lautet: Hat das Christentum das Prophetendenken überwunden?
Es kann die Frage gestellt werden, ob der Schreiber der Geheimen Offenbarung (Apokalypse) - ein Prophet war.
Bevor hier sinnvoll diskutiert werden kann, wäre zu definieren, was ein Prophet ist.
Gibt es da überhaupt eine wissenschaftliche, allgemeingültige Definition?
X) Aus christlicher Sicht war Daniel ein Prophet.
X) Aus jüdischer Sicht war Daniel interessanterweise kein Prophet. Begründung: "Der Tora zufolge sprechen Propheten (nevi’im) immer direkt mit Gott und nicht mit Vermittlern wie Engeln. Daniel dagegen habe nie direkt mit Gott gesprochen." Daniel - Wikipedia
X) Aus islamischer Sicht war Mohammed ein Prophet.
X) Aus mormonischer Sicht war Brigham Young ein Prophet.
War nun der Schreiber des letzten Buchs des NT ein Prophet ?
Abgesehen von der berechtigten Frage, ob es ein wesensfremdes Anhängsel ans Neue Testament ist, oder tatsächlich christlichen Geist (Feindesliebe etc) atmet. Manche verneinen dies. Besonders die Russisch Orthodoxe Kirche war von Anfang an nie begeistert von diesem Buch. Die Katholiken hatten es zwar von Anfang an im offiziellen Bibelkanon, aber da die Bibel nur in der Toten Sprache Latein geschrieben werden durfte, bestand ohnehin keine Gefahr, daß das Volk damit infiziert wird.
Wie dem auch sei. Die Geheime Offenbarung ist eine Prophezeiung - somit ist es nicht zu verhindern, den Schreiber einen Propheten zu nennen
Zudem betont er ja, das in göttlichem Auftrag geschrieben zu haben. Somit ein Prophet
Oder hat jemand eine stichhaltige Begründung, daß er kein Prophet war ?
Die Begründung von Rom, AB und HB scheint nicht haltbar zu sein - sie operiert hier mit der Definition, daß er eben kein Prophet war, sondern
ein "lieber Apostel"
Hier haben auch AB und HB trotz aller anderslautenden Beteuerungen ein Dogma
Der Begriff "Dogma" ist übrigens keineswegs auf die katholische Kirche beschränkt; siehe die Dogmengeschichte in der Volkswirtschaftslehre
Wenn es nun Dogmen sogar in der Volkswirtschaftslehre gibt, dann ist kein Grund zu sehen, daß AB und HB frei von Dogmen seien
Um es populärwissenschaftlich auszudrücken:
Einfach zu postulieren, der Schreiber der Geheimen Offenbarung, von dem wir nur den damals beliebten Vornamen Johannes kennen, sei kein Prophet gewesen, scheint etwas dürftig zu sein.
Wenn wir nun alles pro und contra abwägen, kann die Frage gestellt werden, ob der Schreiber der Geheimen Offenbarung (Apokalypse) - ein Prophet war.
Diese Frage klingt arg, zumindest ungewöhnlich, aber dieses Buch ist nicht christlich. Eine völlig neue, gegenteilige Lehre !
Statt Feindesliebe ist hier von einem Gemetzel die Rede
Andersgläubige werden verteufelt und sollen laut Prophezeiung massenhaft umgebracht werden (Halbe Menschheit)
Zwar ist auch in diesem Buch von einem Jesus die Rede, aber Jesus hießen damals viele
Das muß mir erst einmal jemand beweisen, daß hier von Jesus Nazoraios (Jesus dem Nazoräer) die Rede war
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01-09-2018, 21:19
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01-09-2018, 21:20 von Ulan.)
Nun, da so gut wie niemand Johannes von Patmos als Propheten bezeichnet, liegt die Beweislast der Untermauerung der Behauptung wohl bei Dir. Im Prinzip geht's dabei aber wohl um Formalien. Fuer Dich persoenlich kannst Du Dir die Propheten ja aussuchen, wie Du willst.
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01-09-2018, 22:18
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01-09-2018, 22:38 von Sinai.)
(01-09-2018, 21:19)Ulan schrieb: . . . Johannes von Patmos . . .
Nicht böse sein, aber für mich heißt er nicht " Johannes von Patmos"
Denn er wurde nicht auf Patmos geboren! Patmos war bloß der Ort seiner Verbannung
Für mich ist das ein Johannes unbekannter Provenienz
Johannes hießen damals viele
Siehe auch Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist
Der Johannes der Apokalypse kann doch gar nicht mit Johannes dem Evangelisten ident sein, da das Evangelium die Feindesliebe verkündet, die Apokalypse aber die Ausrottung der Ungläubigen
Im Übrigen ist es für mich unerklärlich, warum Christen die Apokalypse in den Bibelkanon aufnahmen.
Ich weiß schon, daß das Konzil das so entschied. Aber ich kann keinen sinnvollen oder auch nur nachvollziehbaren Beweggrund erkennen
Vermutlich weil in der Apokalypse der Name "Jesus" aufscheint . . . aber Jesus war damals ein geläufiger jüdischer Vorname, wie wir ja auch aus dem Alten Testament wissen.
Für mich endet das Neue Testament mit dem letzten christlichen Buch - Johannes der Apokalypse und Mohammed sind zwei spätere Propheten
Beweisen kann ich das natürlich nicht. Wenn Du nach Beweisen fragst, so muß ich passen. In all den religiösen Fragen (wer ist ein Prophet etc) konnte bisher niemand einen Beweis vorlegen.
In all den vielen Jahrhunderten wurde die Apokalypse tunlichst totgeschwiegen.
Auch nach der Kirchenspaltung von 1054
"In der Ostkirche wurde die Apokalypse wenig beachtet" siehe: Offenbarung des Johannes - Wikipedia
Die Westkirche hatte ohnehin bis Luther das Bibelverbot
Daß ich mit meiner Aussage, daß der Johannes der Apokalypse ein Prophet war, nicht ganz falsch liege, geht aus folgendem Statement über die Offenbarung des Johannes im Wikipedia hervor:
"Es ist das einzige prophetische Buch des Neuen Testaments" siehe: Offenbarung des Johannes - Wikipedia
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(01-09-2018, 22:18)Sinai schrieb: Nicht böse sein, aber für mich heißt er nicht "Johannes von Patmos"
Denn er wurde nicht auf Patmos geboren! Patmos war bloß der Ort seiner Verbannung
Für mich ist das ein Johannes unbekannter Provenienz
Johannes hießen damals viele
Egal ob das nun ein "richtiger" Name ist, "Johannes von Patmos" ist zumindest eindeutig. Da muss man nicht lange erklaeren, welchen Johannes man meint.
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(01-09-2018, 16:10)Ulan schrieb: Im Markus-Evangelium passiert mit Jesus dasselbe. Der Geist Gottes gehr auf ihn nieder und treibt ihn, Dinge zu tun, die ihm ansonsten gar nicht eingefallen waeren.
Nur konnte Jesus heilen, also die Suende hinwegnehmen (oder wie auch immer Er das gemacht hat). Das ist eben schon ein Unterschied in der Machtfuelle. Vgl. auch das erste Treffen zwischen Johannes dem Taeufer und Jesus.
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02-09-2018, 12:23
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 02-09-2018, 13:10 von Ulan.)
(02-09-2018, 12:05)eddyman schrieb: Nur konnte Jesus heilen, also die Suende hinwegnehmen (oder wie auch immer Er das gemacht hat). Das ist eben schon ein Unterschied in der Machtfuelle. Vgl. auch das erste Treffen zwischen Johannes dem Taeufer und Jesus.
Der Handelnde ist aber Gottes Geist. Das Heilen durch Jesus geschah ja sogar, ohne dass er es wollte oder irgendetwas dafuer tat (siehe Mk5:25, Mt9:20, Lk8:43). Er konnte in der Szene in den genannten Kapiteln nicht mal von sich aus feststellen, wer geheilt worden war. Jesus war hier eher so etwas wie eine Durchleitung. Jesus hatte keine Kontrolle ueber diese Macht.
Im Markus-Evangelium gilt das uebrigens fuer die meisten Heilungsszenen. Wenn man aufmerksam liest, tut Jesus eigentlich gar nichts, um die Heilung durchzufuehren (ausser in der wahrscheinlich spaeteren Einfuegung der Bethsaida-Szenen, wo Spucke zum Einsatz kommt). Er bringt die Leute nur dazu, sich selbst zu heilen. Die formulaische Heilungsformel in den synoptischen Evangelien ist "Dein Glaube hat Dich gerettet". Nicht "ich" oder "Gott" sondern "der Glaube" derjenigen, die an Krankheiten litten.
Im Johannes-Evangelium ist es natuerlich, wie in vielen christologischen Fragen, komplett anders.
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Ja, das stimmt. Deine Antwort zeugt von Schriftkenntnis. Aber der Unterschied bleibt ja  Dann koennte man sagen, er liegt in der gewaehrten Vollmacht.
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