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Jesus Tempelvergleich : Beispiel für verklärte Sprache
#31
(22-02-2018, 18:39)Kreutzberg schrieb: Guten Tag,

... eine Aussage von Jesu erregte viele Pharisäer als er in Jerusalem sich aufhielt. Der Abriss und Neubau des Tempels 

Ein sehr interessantes Thema.

Mir fallen dazu zwei Stellen des NT ein:

Mk 14:57 f  "Einige der falschen Zeugen, die gegen ihn auftraten, behaupteten:
Wir haben ihn sagen hören: Ich werde diesen von Menschen erbauten Tempel niederreißen und in drei Tagen einen anderen errichten, der nicht von Menschenhand gemacht ist."


2 Petrus 3:8  "Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind."

Abgesehen davon, daß von falschen Zeugen die Rede ist, sind mit drei Tagen wohl 3000 Jahre gemeint.
Ja, es ist hier wirklich eine "verklärte Sprache", wie ja auch der Titel dieses Threads signalisiert.

Vielleicht läßt die Wiederöffnung des Tempels deshalb so lange auf sich warten ?
Wenn man der biblischen Argumentation folgt, wäre erst im Jahre 3070 mit der Wiedereröffnung des Tempels zu rechnen
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#32
Jesus war also für Historiker zu unbedeutend. Das ist als Fazit etwas dürftig. Ist es nicht so, dass Jesus als echter Unruhestifter bei den Römern kaum in Erscheinung getreten ist. Ein Prediger mit pazifistischer Einstellung war ja zu keinem Zeitpunkt für die Besatzer eine ernsthafte Bedrohung. Bei den Römern trat Jesus nur verhältnismäßig kurz in Erscheinung. Das erklärt auch die kargen Angaben bei Chronisten wie Josefus.

`Kunigunde Keuzerin` führt teilweise an, dass die Überlieferung von der Authensität zweifelhaft ist. Das ist natürlich schwer zu sagen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese Aussage ausgesprochen markant ist. Eine solche Ankündigung bleibt normaler Weise gut im Gedächtnis hängen.

Weshalb Jesus jedoch nicht selten eine verklauselierte Sprache anwandte ist ja schon einmal hier erörtert wurde.

Ein Sprachstil den "nur die Juden" aber "nicht die Römer" verstanden, bot sicherlich einen gewissen Schutz vor unliebsamen Nachstellungen. Da das von mir angesprochene Beispiel jedoch auch als Provokation für die Römer verstanden werden kann ist dieser markante Satz dennoch sehr erstaunlich.

Für mich ist es nach wie vor unverständlich, weshalb Jesus mit dieser Aussage die unbestreitbar vorhandene heikle Gesamtsituation noch weiter angeheizt hat, es sei denn er wollte sich gegenüber den skeptischen Juden irgendwie beweisen. Das jedenfalls wäre plausibel für mich.

::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Ein anderer Satz der fatale Nachwirkungen mit sich brachte für die ersten Frühchristen ist ja noch grasser :
("Wer mein Blut trinkt und mein Fleisch ist, der bleibt in mir und ich in ihn") - es ist klar, dass für viele Römische Bürger die Christen auf Grund dieses Bekenntnisses irgendwann des "Kannibalismuses" verdächtigt wurden.
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#33
(27-08-2018, 13:45)Kreutzberg schrieb: Ein Sprachstil den "nur die Juden" aber "nicht die Römer" verstanden, bot sicherlich einen gewissen Schutz vor unliebsamen Nachstellungen. Da das von mir angesprochene Beispiel jedoch auch als Provokation für die Römer verstanden werden kann ist dieser markante Satz dennoch sehr erstaunlich.

Für mich ist es nach wie vor unverständlich, weshalb Jesus mit dieser Aussage die unbestreitbar vorhandene heikle Gesamtsituation noch weiter angeheizt hat, es sei denn er wollte sich gegenüber den skeptischen Juden irgendwie beweisen. Das jedenfalls wäre plausibel für mich.

Ich denke immer noch, dass derart psychologisierende Interpretationen zu kurz greifen. Wenn wir mal theoretisch davon ausgehen, dass wir auf tatsaechlich passierte Geschehnisse schauen, waere es recht einfach gewesen, unter dem Radar der Besatzungsmacht zu bleiben, wenn Jesus darauf verzichtet haette, in einem koeniglichen Triumphzug in die Stadt einzuziehen. Hier hat er laut NT sehr oeffentlich seinen Anspruch auf den Koenigstitel erhoben.

Dass diese Episode erst einmal folgenlos blieb, ist fuer mich ein weiteres Zeichen, dass die Geschichte so, wie sie erzaehlt wird, nicht stimmen kann.

(27-08-2018, 13:45)Kreutzberg schrieb: Ein anderer Satz der fatale Nachwirkungen mit sich brachte für die ersten Frühchristen ist ja noch grasser :
("Wer mein Blut trinkt und mein Fleisch ist, der bleibt in mir und ich in ihn") - es ist klar, dass für viele Römische Bürger die Christen auf Grund dieses Bekenntnisses irgendwann des "Kannibalismuses" verdächtigt wurden.

Nun ja, das Ritual ist ja eindeutig kannibalistisch. Wenn man katholische Dogmas zusammenzaehlt, ist es sogar "echter" Kannibalismus. Fuer Nichtkatholiken bleibt es natuerlich ein symbolischer Akt.

Der Vorwurf war natuerlich nur einer von vielen. Viele fruehe Verurteilungen von Konvertiten zum Juden- oder Christentum waren aufgrund von Atheismus.
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#34
(27-08-2018, 13:45)Kreutzberg schrieb: Ein anderer Satz der fatale Nachwirkungen mit sich brachte für die ersten Frühchristen ist ja noch grasser :
("Wer mein Blut trinkt und mein Fleisch ist, der bleibt in mir und ich in ihn") - es ist klar, dass für viele Römische Bürger die Christen auf Grund dieses Bekenntnisses irgendwann des "Kannibalismuses" verdächtigt wurden.


Ich halte dieses Argument für Unsinn.  Sicher hat der dümmste römische Soldat gewußt, daß das religiöse Symbolsprache war. 
Außerdem war Jesus seit Jahrzehnten tot - woher denn echtes Blut und Fleisch nehmen ??

Die Wortspielerei mit dem "Kannibalismus" wurde von protestantischer Seite im preußischen Kulturkampf (Höhepunkt um 1875) halb ernst in Umlauf gebracht, um die Transsubstantion der Katholiken ins Lächerliche zu ziehen . . .

Da fällt mir ein anderer derartiger "Vorwurf" gegen Christen ein, diesmal beträfe er auch die Protestanten:
In Fernost wurde um 1880 manchmal behauptet, die Christen betrieben Inzest - weil sie einander als Brüder und Schwestern anreden, und dennoch heiraten, und Geschwisterehe ist nicht gestattet

In diesem Thread geht es ums Thema "verklärte Sprache" - und so sind nun mal viele Wörter zu sehen: Fleisch und Blut Christi, Brüder, Schwestern, Lamm Gottes, . . . 

Im Bibelhebräischen hat das Wort Lamm die Zweitbedeutung Knecht
Wenn Jesus als Lamm Gottes bezeichnet wird, so geht das auch nicht ansatzweise in Richtung Tierverehrung
Jesus als Knecht Gottes

Dadurch ist besonders das NT so schwierig zu lesen. Denn es ist in Altgriechisch geschrieben, verwendet aber Codes die nur von Althebräisten verstanden werden können oder von Leuten mit einem sehr guten Althebräisch Wörterbuch

Insbesonders bei der Geheimen Offenbarung (Apokalypse) zeigt sich das auf Schritt und Tritt. Wer dieses Buch auf Deutsch liest, kommt nicht weiter. Er muß zuerst das altgriechische Wort suchen, und dann dieses Wort im Althebräischen suchen, und vor allem im althebräischen AT suchen. 
Das griechischsprachige AT namens Septuaginta bringt ihn da keinen Millimeter weiter.
Hier ist der Strong eine gute Hilfe, er beinhaltet gute Wörterbücher in Bibelhebräisch, Aramäisch, Altgriechisch. 
Man kann jedes Wort in AT und NT anklicken
Aber auch das Lexikon :: bibelwissenschaft.de ist oft hilfreich. Siehe hier:
Nehmen wir das Wort Wermut in der Geheimen Offenbarung. Was soll denn das bedeuten? Erst wenn man weiß, daß mit dieser bitteren Pflanze im Althebräischen das Wort "Unrecht" gemeint ist (Amos 5:7), dann gibt das überhaupt erst einen Sinn.

Die Sprache im NT ist verklärt - und manchmal auch codiert 

Aber auch im AT gibt es so manche Codes. Siehe die Materialsymbolik bei Daniel
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#35
(01-09-2018, 11:21)Sinai schrieb: Ich halte dieses Argument für Unsinn.  Sicher hat der dümmste römische Soldat gewußt, daß das religiöse Symbolsprache war. 
Außerdem war Jesus seit Jahrzehnten tot - woher denn echtes Blut und Fleisch nehmen ??

Die Wortspielerei mit dem "Kannibalismus" wurde von protestantischer Seite im preußischen Kulturkampf (Höhepunkt um 1875) halb ernst in Umlauf gebracht, um die Transsubstantion der Katholiken ins Lächerliche zu ziehen . . .

Laut katholischem Dogmen handelt es sich nicht um Symbolismus. Wer sagt, dass die Wandlung des Brots in Fleisch symbolisch und nicht real ist, ist ein Haeretiker. Aus katholischer Sicht ist Deine Position also haeretisch. Die Lateransynode von 1079 dazu:

„[…] dass das Brot und der Wein, die auf dem Altar liegen, durch das Geheimnis des heiligen Gebetes und durch die Worte unseres Erlösers substanzhaft[7] gewandelt werden (subtantialiter converti) in das wahre, eigene und lebensspendende Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus und nach der Konsekration der wahre Leib Christi (verum corpus Christi), […], und das wahre Blut Christi (verum sanguinem Christi), […], nicht nur durch das Zeichen und die Kraft des Sakramentes, sondern in der Eigentlichkeit der Natur und der Wahrheit der Substanz (in proprietate naturae et veritate substantiae) ...“

Zum Kannibalismus wird es dadurch, dass man diese Lehre mit der Lehre ueber die Natur Christi kombiniert. Christus ist, laut Dogmen, nicht nur wahrer Gott, sondern auch wahrer Mensch. Da in der Transsubstantiation das Brot in den wahren Leib Christi verwandelt ist, Christ aber wahrer Mensch, ergibt sich das mit dem Kannibalismus logischerweise daraus. Haetten sich die Katholiken auf einen symbolischen Akt verstaendigt (was uebrigens in der vordogmatischen Periode durchaus eine von einigen Leuten vertretene Position war), waere das nicht so. So aber hat sich die RKK ohne Not in diese Ecke gestellt.

Da also Christen behaupteten, den wahren Leib Christi zu verzehren, ergab sich der Vorwurf des Kannibalismus auch in antiken Zeiten von selbst. Das war einer der normalen Vorwuerfe an Christen. Verurteilungen gab es auch regelmaessig wegen Atheismus.
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#36
(01-09-2018, 16:41)Ulan schrieb:
(01-09-2018, 11:21)Sinai schrieb: Ich halte dieses Argument für Unsinn.  Sicher hat der dümmste römische Soldat gewußt, daß das religiöse Symbolsprache war. 
Außerdem war Jesus seit Jahrzehnten tot - woher denn echtes Blut und Fleisch nehmen ??

Die Wortspielerei mit dem "Kannibalismus" wurde von protestantischer Seite im preußischen Kulturkampf (Höhepunkt um 1875) halb ernst in Umlauf gebracht, um die Transsubstantion der Katholiken ins Lächerliche zu ziehen . . .

Laut katholischem Dogmen handelt es sich nicht um Symbolismus. Wer sagt, dass die Wandlung des Brots in Fleisch symbolisch und nicht real ist, ist ein Haeretiker. Aus katholischer Sicht ist Deine Position also haeretisch. Die Lateransynode von 1079 dazu:

( . . . )

„ . . . das Geheimnis des heiligen Gebetes . . . in proprietate naturae et veritate substantiae ...“

Zum Kannibalismus wird es dadurch, dass man diese Lehre mit der Lehre ueber die Natur Christi kombiniert. 

Da also Christen behaupteten, den wahren Leib Christi zu verzehren, ergab sich der Vorwurf des Kannibalismus auch in antiken Zeiten von selbst. Das war einer der normalen Vorwuerfe an Christen. Verurteilungen gab es auch regelmaessig wegen Atheismus.


Ich denke, wir sollten nicht den Fehler machen, unterschiedliche Epochen zu vermischen.
 1.)  Die Christenverfolgungen in Rom fanden 249 - 311 statt.
 2.)  Die Lateransynode fand 1079 statt !
 3.)  Heute wird niemand als Häretiker bezeichnet, der den Wortlaut der Lateransynode von 1079 nicht kennt. Den kennen selbst manche studierte Geistliche nicht.

Außerdem schreibst Du sehr richtig, daß hier in dem Text dieser Lateransynode von 1079 wörtlich von einem Geheimnis die Rede war, es kann niemand der Vorwurf gemacht werden, wenn er sich in einem Geheimnis nicht auskennt . . .
Dazu der verwirrende Text in einer schon damals toten Sprache (Latein), den fast niemand lesen konnte
Ein für das Volk bindender Text wurde nie in Latein geschrieben! Das war ein Schmankerl für Theologen der hohen Sorte, die das Geschlecht der Engel diskutierte (Scholastiker)
Derartige Spitzfindigkeiten waren nie für das Volk bestimmt

Und man muß bedenken, daß die Jahre um 1079 eine sehr aufgeheizte Zeit war, 1054 war die Zeit der Kirchenspaltung zwischen Rom und Byzanz 

Und wenn man liest, welche religiösen Ansichten die Juden oder die Moslems um 1079 verbreiteten, so findet man auch dort manche historische Delikatessen (um es höflich auszudrücken)
Man lese nur die Responsen des RaMBam (Rabbi Maimonides) hundert Jahre später, wo er sich mit schweren theologischen Problemen und Lehren des Judentums auseinandersetzt, die dort seit Generationen kursierten

Ich denke, die Zeit ab 1050 war eine Zeit der heftigsten Diskussionen in Christentum und Judentum

Doch wir sollten hier nicht den Fehler machen, antike Anschuldigungen des Römischen Staates gegen Christen aufzuwärmen. 1079 war das Christentum staatstragende Reichskirche

Die Idee, Katholiken auch nur gedanklich des Kannibalismus zu zeihen, ist wohl ebenso konstruiert wie die Idee, Katholiken der Tierverehrung zu zeihen weil sie das 'Lamm Gottes' anrufen (siehe meinen vorigen Beitrag), oder Christen jedweder Konfession des Inzests zu zeihen, weil die sich als Brüder und Schwestern bezeichnen, und dennoch heiraten  Icon_smile

Wie der Titel des vorliegenden Threads andeutet, handelt es sich um eine "verklärte Sprache"

Und daß aus heutiger oder mittelaltelicher katholischer Sicht die Position, daß Katholiken keine Kannibalen sind, häretisch wäre, vermag ich nicht zu glauben
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#37
(01-09-2018, 20:42)Sinai schrieb: Und daß aus heutiger oder mittelaltelicher katholischer Sicht die Position, daß Katholiken keine Kannibalen sind, häretisch wäre, vermag ich nicht zu glauben

Nun, die offizielle Position der RKK ist keine Glaubensfrage, und als Kannibalen sehen sich Katholiken natuerlich nicht, auch wenn es sich aus der Doktrin so ergibt. Die RKK hat leider mehrere nicht zusammenpassende Positionen zur Doktrin erklaert, nicht nur bezueglich der Transsubstantiation.

Ich weiss ja nicht, welchen religioesen Hintergrund Du hast, aber Du bist in guter Gesellschaft, was die Transsubstantiation angeht. In einer Pew Research Studie, wo gefragt wurde, ob gemaess katholischer Doktrin die Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und Blut Jesu als symbolisch verstanden wird oder tatsaechlich, haben selbst 41% der Katholiken die Frage falsch beantwortet und "symbolisch" gewaehlt. Allerdings sind sowohl Bibelkenntnis und Kenntnis der eigenen Doktrin bei Katholiken im allgemeinen recht schwach (zumindest in den USA, wo es dazu brauchbare Statistiken gibt).

Das direkte Zitat aus der Studie:
"About half of those polled (52%) say, incorrectly, that Catholicism teaches that the bread and wine used for Communion are symbols of the body and blood of Jesus. Just four-in-ten people correctly answer that, according to the Catholic Church, the bread and wine actually become the body and blood of Jesus. Even many Catholics are unaware of their church’s teaching on this topic; while 55% of Catholics get the question right, more than four-in-ten Catholics (41%) say the church teaches that the bread and wine are symbols of Christ’s body and blood, and 3% say they do not know what the church’s teaching is. Still, Catholics perform better on this question than does any other religious group."
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#38
(01-09-2018, 16:41)Ulan schrieb: Die Lateransynode von 1079 dazu:

„[…] dass das Brot und der Wein, die auf dem Altar liegen, durch das Geheimnis des heiligen Gebetes und durch die Worte unseres Erlösers substanzhaft[7] gewandelt werden (subtantialiter converti) in das wahre, eigene und lebensspendende Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus und nach der Konsekration der wahre Leib Christi (verum corpus Christi), […], und das wahre Blut Christi (verum sanguinem Christi), […], nicht nur durch das Zeichen und die Kraft des Sakramentes, sondern in der Eigentlichkeit der Natur und der Wahrheit der Substanz (in proprietate naturae et veritate substantiae) ...“

Im Jahre 1079 hatten manche Wörter eine andere Bedeutung als heute.  Wer weiß, was man damals gemeinhin unter "Substanz" und "substanzhaft" verstand?
Heute kennen wir 94 Elemente, im Jahr 1079 kannte man die 4 Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde

Und was sagte im damaligen Naturverständnis der lateinische Satz in proprietate naturae substantiae ?  Was verstand man 1079 unter "Natur" ?

Siehe auch den der altgriechischen Begriff psyche 
In der Septuaginta und im NT meinte man die unsterbliche Seele damit, heute ist Psyche ein Erkenntnisobjekt der Medizin
Lateinische und altgriechische Begriffe hatten so manchen Bedeutungswandel 

Zudem ist zu sagen, daß in der Lateransynode von 1079 Berengar von Tours folgendes Bekenntnis ablegte:
„[…] dass das Brot und der Wein, die auf dem Altar liegen, durch das Geheimnis des heiligen Gebetes und durch die Worte unseres Erlösers substanzhaft gewandelt werden (subtantialiter converti) in das wahre, eigene und lebensspendende Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus und nach derKonsekration der wahre Leib Christi (verum corpus Christi), […], und das wahre Blut Christi (verum sanguinem Christi), […], nicht nur durch das Zeichen und die Kraft des Sakramentes, sondern in der Eigentlichkeit der Natur und der Wahrheit der Substanz (in proprietate naturae et veritate substantiae) ...“ 
Quelle:  Abendmahlsstreit - Wikipedia
Berengar von Tours war ein Mann der frühen Scholastik

Damals war theologisch eine heftige Zeit. Seit 1050 gab es laufend Umbrüche in Judentum und Christenheit
Man denke an die Spaltung der Christenheit in Westkirche und Ostkirche 1054, der Islam kochte wieder einmal über und die Kreuzzüge standen vor der Tür, das Judentum war seit 1050 schwer gespalten, worauf dann 100 Jahre später der RaMBaM seine berühmten Responsen schrieb. 1076 begann in Worms der Investiturstreit, der im selben Jahr im Canossagang mündete. Invasion der Normannen ins byzantinisch beherrschte Süditalien, worauf der Papst dem byzantinischen Gouverneur der Provinz Hilfe versprach, unter der Bedingung, dass die bisher östlichen Kirchen dieses Gebiets den westlichen Ritus übernehmen sollten, also ungesäuertes Brot in der Eucharistie  (vgl. Morgenländisches Schisma - Wikipedia), 1066 normannische Invasion in England.
Überall Streit und Hader. Es war eine religiös aufgewühlte Zeit
Im Westen hatten die Scholastiker ihre große Stunde

Der erwähnte Berengar von Tours war nicht unumstritten:
"Mehrfach wurde Berengar durch verschiedene Synoden der Irrlehre bezichtigt und zur Rücknahme seiner Ansichten gezwungen, die er jedoch ebenso oft widerrief."  Berengar von Tours - Wikipedia

1079 war das Christentum Staatsreligion.
Die Christenverfolgungen von 249-311 waren ein ganz anderes Thema, damals wurden Christen angeklagt, oft mit widersinnigsten Behauptungen.

Aber kehren wir zu Berengar von Tours (1079) zurück. Sein Bekenntnis vor der Lateransynode war vielleicht nicht ganz freiwillig. Vielleicht hatte dieser Scholastiker wieder einmal etwas unpassendes gesagt und wurde der Irrlehre bezichtigt - damals eine gefährliche Sache. Um seinen Kopf zu retten, sein inbrünstiges öffentliches Bekenntnis. Vielleicht hatte man ihm diesen überschwenglichen Text "empfohlen", um sich so der Anklage der Irrlehre zu entziehen. Vielleicht waren es seine eigenen Worte. Wie dem auch sei, der Verfasser des Textes verwendete Begriffe, die damals nicht von jedem gleich verstanden wurden.

Um diesen Text überhaupt verstehen zu können, müßte er erst vom Spätlateinischen ins heutige Deutsch übersetzt werden können. Ich fürchte, daß dies nicht möglich ist. Denn manche spätlateinischen Begriffe waren damals nicht eindeutig - da verstand jeder Theologe etwas ganz anderes darunter

Eine Wiederverlautbarung mit heutiger Sprache durch die katholische Kirche wäre angebracht.
Bei staatlichen Gesetzen macht man das auch.
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#39
Die Ergebnissse der Konzile sind so auch heute noch gueltig. Finde Dich damit ab. Spaetere Praezisierungen auf Folgekonzilen haben hieran grundsaetzlich nichts geaendert. In der Eucharistie liegt fuer Katholiken das wahre Blut und das wahre Fleisch Jesu vor, und das als symbolisch zu bezeichnen gilt als Haeresie.
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#40
Das Konzil welches Kaiser Konstantin einrief sollte das Christentum sicherlich befrieden. Dazu gehören obligatorische Glaubensgrundsätze. Der Streit der Kirchengelehrten hierüber hat offenbar das Christsein zeitweise doch intensiv
bestimmt haben.  Ich bin mir aber nicht im klaren darüber, ob dadurch auch die Motivation entstanden sind die Apokryphen auszulöschen.

Das Pastore bestimmte Kernaussagen Jesu individuell interpretieren, zeigt dass eine zentrale Glaubensdeutung nicht
richtig greifen kann. Der Katholizismus ist in der jüngeren Neuzeit im Alltagsgrau recht eintönig geworden.

Ich bin jedoch immer wieder erstaunt wenn ein Pastor auf der Kanzel Zitate aus der Bibel als eindeutige Glaubens-
Wahrheit anpreist, obwohl die verklärte Sprache ja eine Interpretation ja gerade herausfordert.

Die unmissverständliche Botschaft welche immer wieder betont wird kann ich in der Bibel keineswegs an allen
Stellen erkennen, vielleicht lese ich aber auch die falschen Bibeltexte ...
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#41
(03-09-2018, 11:43)Kreutzberg schrieb: Die unmissverständliche Botschaft welche immer wieder betont wird kann ich in der Bibel keineswegs an allen
Stellen erkennen

Leider stimmt das.  Eine unmißverständliche Botschaft wäre anders formuliert. 

Beispiel:  Wenn jemand sein Testament macht, so bemüht er sich, dieses unmißverständlich zu formulieren. Denn wenn er tot ist, können ihn seine Erben nicht mehr fragen, wie er dies und jenes gemeint hat. Er wird die Posten seines Besitzes präzise beschreiben. 

Nicht die helle Kuh gehört meinem Sohn, wenn er eine weiße und eine semmelblonde besitzt. Er wird genau schreiben: die semmelblonde Kuh mit dem dunklen Fleck am Hals. Aber den Fleck am Hals wird er nur dann erwähnen, wenn die andere (weiße) Kuh keinen dunklen Fleck am Hals hat. Sollte jedoch die andere (weiße) Kuh einen braunen Fleck am Hals haben, so wird er ein anderes Unterscheidungskriterium nehmen - beispielsweise die semmelblonde Kuh mit der Narbe am rechten vorderen Knie. Da muß man sich halt anstrengen. 

Andernfalls ist das ein boshaftes Testament, der Alte will es seinen Kindern zeigen. Er will, daß sie nach seinem Tod so richtig verzweifelt sind, sich die Haare raufen und zu streiten beginnen. 

Manche Bibelstellen sind mißverständlich formuliert. Die Schreiber müssen das gewußt haben. 
Religionsstreitigkeiten waren vorprogrammiert. Diese begannen schon sehr bald, und mündeten schließlich in den Dreißigjährigen Krieg

Beispiel Bilderverbot. Katholiken und Christen der orthodoxen Kirchen haben Statuen oder Bilder beziehungsweise Ikonen in den Kirchen, und dies sicher in guter, gottwohlgefälliger Absicht. Bilderstürmer stießen die Statuen in den Kirchen um und rissen die Bilder herunter, um damit den Willen der Bibel zu erfüllen.  
Ob nun Bilder in Kirchen für Christen gut sind, weil eben die Thoraregeln für sie nicht mehr gelten (Beschneidung, Schweinefleisch) oder ob Bilder in Kirchen für Christen verboten sind, dürfte eben aus dem Bibelbefund nicht so ganz eindeutig hervorgehen. 

. . .  er will, daß sie zu streiten beginnen.

Dies würde sogar gut zu folgender rätselhafter Bibelstelle passen:
Lukas 12:49  "Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!"

Das ist keine "verklärte Sprache", sondern eine aggressive Sprache

Die christliche Religion lehrt, daß Jesus nach seiner Auferstehung einen verklärten Laib hatte. Das Wort verklären ist mittelhochdeutsch und hat eine positive Bedeutung, vgl. den Duden im Internet

Daß die Sprache Jesu "verklärt" war, habe ich noch nirgends gelesen. 
Vielleicht können wir uns darauf einigen, daß die Sprache Jesu "bildhaft" war
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#42
Es ist schon etwas länger her, da hatte ich einmal gemutmaßt dass Jesus gar keine neue Religion gründen sondern nur das Judentum erneuern wollte. Da habe ich mir aber sehr viel heftige Kritik gefallen lassen müssen.

Der Brockhaus war da jederzeit etwas eleganter : der spricht vom Religionsstifter.

Wir wissen leider nicht ob die damaligen einfachen Juden überhaupt mit einer echten Klartextsprache umgehen konnten.
Die Gefahr alles wörtlich zu nehmen hat nach meiner Wahrnehmung auch Jesus gesehen. Eine verklärte Sprache hat aber dann letzten Endes überhaupt dazu geführt, dass die späteren Kirchenväter intensiv Bibelexegese betrieben haben und die ist bekanntlich immer auch etwas subjektiv.
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#43
(03-09-2018, 18:26)Kreutzberg schrieb: Es ist schon etwas länger her, da hatte ich einmal gemutmaßt dass Jesus gar keine neue Religion gründen sondern nur das Judentum erneuern wollte. Da habe ich mir aber sehr viel heftige Kritik gefallen lassen müssen.

Das war wohl nicht hier. Unter Neutestamentlern ist das eigentlich die normale Annahme.

(03-09-2018, 18:26)Kreutzberg schrieb: Wir wissen leider nicht ob die damaligen einfachen Juden überhaupt mit einer echten Klartextsprache umgehen konnten.
Die Gefahr alles wörtlich zu nehmen hat nach meiner Wahrnehmung auch Jesus gesehen. Eine verklärte Sprache hat aber dann letzten Endes überhaupt dazu geführt, dass die späteren Kirchenväter intensiv Bibelexegese betrieben haben und die ist bekanntlich immer auch etwas subjektiv.

Ich denke, das Hauptproblem ist, dass z.B. die vier Evangelien tatsaechlich verschiedene theologische Positionen einnehmen und uns auch verschiedene Dinge erzaehlen, also sehr viel Meinung der eigentlichen Autoren durchscheint, was es von vorneherein nicht einfach macht, Positionen der Hauptfigur der Texte (Jesus) festzunageln. Zudem scheinen alle Texte Spuren von Ueberarbeitungen zu haben, die sie wohl an veraenderte Situationen anpassen sollten, so dass auch die Position innerhalb der Texte nicht immer klar ist. In so einer Situation gibt es naturgemaess viel Raum fuer Interpretation.
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#44
Das verstehe ich nicht ganz !!!

> nach mir vorliegenden Informationen sind 3 Evangelien inhaltlich "fast" identisch, weshalb man diese auch als synoptische Evangelien bezeichnet. Vor diesem Hintergrund ist die Vielstimmigkeit der christlichen Botschaft nach meiner Ansicht auch stark übertrieben. Es sind nach meiner Wahrnehmung vielmehr "Nuancen" die offenkundig den Unterschied ausmachen.

*********************************************************************************************

Eine interessante Überlegung führt mich zu einer gewagten Hypothese : eine schwammige Formulierung kennen wir ja auch heute noch, sogar in Gesetzestexten sind diese zu finden !!! - Es ist m. E. so, dass wer konkret wird  sich leider auch angreifbar macht. Der Schreiber der dagegen wage bleibt in seinen Aussagen, lässt natürlich Raum für Interpretationen. Vor diesem Hintergrund habe ich den Eindruck, dass dieses Manko bewusst in Kauf genommen wurde.
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#45
(06-09-2018, 14:00)Kreutzberg schrieb: synoptische Evangelien

Im Wikipedia gibt es einen Artikel "synoptische Evangelien"

Da gibt es unterschiedliche Ansichten: 
"Ein zentrales Thema bei der bibelwissenschaftlichen und exegetischen Erforschung der drei synoptischen Evangelien ist das sogenannte Synoptische Problem. Damit ist die Frage gemeint, wie die Übereinstimmungen und Unterschiede der ersten drei Evangelien in Wortlaut, Reihenfolge und Stoffauswahl erklärt werden können. Hierzu gibt es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verschiedene Hypothesen"

Deshalb wäre es sinnvoll, wenn Du schreibst, wie Deine Hypothese ausschaut.
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