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Bibelexegese ohne gesellschaftliche Rahmenbedinungen nicht sinnvoll möglich
#1
Hallo Forenfreunde,

... die Deutung und Interpretation von Bibeltexten bedarf m. E. fundierter Kenntnisse des historischen Kontextes. Der Hinweis des Stellenwertes bestimmter Aussagen ist in dieser Hinsicht dann auch unerlässlich.

1) Es stellt sich für mich jedoch die Frage, ob eine Auslegung von Texten für die heutige moderne offene Gesellschaft überhaupt möglich ist. Es gilt hier insbesondere zu bedenken, dass 2 feste Größen in der Gegenwart an Bedeutung verloren haben, nämlich :

a) die Familie als Grundanker der Gesellschaft
b) Autoritätshaltung gegenüber der Obrigkeit im allgemeinen.

Vor diesem Hintergrund muss man immer wieder damit rechnen, dass dieses Manko als Einwand benutzt werden kann.

2) Auf der anderen Seite sollen Bibelbotschaften m. E. Anhaltspunkte geben für ein besseres Sozialverhalten in der
Gesellschaft und dieses Grundbedürfnis ist allerdings sehr wohl auch zeitlos. Es bedarf hier einer Differenzierten Perspektive die viele Prediger nach meinem Eindruck nicht überzeugend hinbekommen.
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#2
Ich halte eine Bibelauslegung für die heutige, moderne zeit nach wie vor für möglich. Diese Möglichkeit sehe ich nicht an einen aktuellen Zeitgeist gebunden, oder durch ihn limitiert. Diejenigen, die sich dem aktuellen Zeitgeist anpassen, mögen zwar mit den Lehren der Bibel nichts mehr anzufangen wissen, dennoch sollte jeder Mensch genug Selbstbewusstsein entwickeln dürfen, um in Bezug auf den Wert der biblischen Lehren für die heutige moderne Zeit zu einem eigenständigen Urteil zu kommen.

Wir bekommen ja beinahe täglich mit, zu was es führt, wenn die zwei festen Größen, die du erwähnst, an Bedeutung verlieren. Das muss man doch nicht gutheißen, oder?
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#3
Das ist durchaus ein legitimes Argument, denn Werte wie Solidarität und Loyalität dürften Zeitlos sein solange es Menschen gibt. Das zudem Rücksichtslosigkeit und Egoismus einen gesellschaftszersetzenden Charakter hat dürften selbst eingefleischte Ateisten inzw. einräumen müssen. Vor diesem Hintergrund kann man diese Position auch heute noch gut vertreten.

Dennoch gibt es ja auch heute Probleme, welche vor zweitausend Jahren keine bzw. keine bedeutsame Rolle gespielt haben. Da fallen m. E. abgeleitete Botschaften häufig nicht auf fruchtbaren Boden.
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#4
(16-01-2020, 12:37)Kreutzberg schrieb: Das ist durchaus ein legitimes Argument, denn Werte wie Solidarität und Loyalität dürften Zeitlos sein solange es Menschen gibt. Das zudem Rücksichtslosigkeit und Egoismus einen gesellschaftszersetzenden Charakter hat dürften selbst eingefleischte Ateisten inzw. einräumen müssen. Vor diesem Hintergrund kann man diese Position auch heute noch gut vertreten.

Auch wenn Christen angeblich ca. 1 Drittel der Menschheit ausmachen, merkt man ziemlich wenig davon, dass es unter ihnen nur Altruisten gibt.
Trumps Wählerschaft und seine bedingungslosesten Anhänger bestehen sogar zum größten Teil aus besonders Bibel-gläubigen Christenmenschen. Aber mal ganz davon abgesehen, gibt es auch noch andere Kulturen auf der Welt in denen es diese gesellschaftliche Solidarität gibt.

Die "Loyalität" ...die gibt es auch unter Gaunern und Mördern..
Die Chancen, dass wir "eingefleischten Atheisten" in diesem Zusammenhang reuhig was einsehen und einräumen, stehen ziemlich schlecht. Zumal auch wir Teil der Gesellschaft sind...ganz ohne zersetzende Absichten.

Es sind immer und überall die selben Vollhorste, die mal einsehen sollten, dass nichts mehr die Menschheit spaltet, als ihr eigener religiöser oder ideolgischer "Absolutarismus", welcher zudem auch immer zu vielen anderen die klare Sicht auf die Welt versperrt.

(16-01-2020, 12:37)Kreutzberg schrieb: Dennoch gibt es ja auch heute Probleme, welche vor zweitausend Jahren keine bzw. keine bedeutsame Rolle gespielt haben. Da fallen m. E. abgeleitete Botschaften häufig nicht auf fruchtbaren Boden.

Demokratie ist kein Gottesstaat. Es gibt also auch andere Ideale und Werte mit denen man eine gute und lebenswerte Gesellschaft haben kann........
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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#5
Beitrag # 1
(14-01-2020, 14:22)Kreutzberg schrieb: Es stellt sich für mich jedoch die Frage, ob eine Auslegung von Texten für die heutige moderne offene Gesellschaft überhaupt möglich ist.

Hallo 'Kreutzberg' - meinst Du tatsächlich Bibelexegese (Bibelauslegung auf der Uni) oder meinst Du Bibelpredigt ?

Die Überschrift des Threads ist mir nicht ganz klar

Bibelauslegung ist zeitlos und dürfte immer möglich sein. Beispielsweise die knifflige Auslegung des Buches Daniel mit seiner interessanten Materialsymbolik: die Statue mit dem Haupt aus Gold, Brust und Armen aus Silber, Bauch und Hüften aus Kupfer (oder aus Bronze; je nach "Übersetzung"), Beine aus Eisen, Füße aus Eisen und Ton. Bei den Füßen aus Eisen und Ton erkennen manche Bibelexegeten das Römische Reich, da Rom eine Mischkultur war.
Oder die theologische Auslegung der wundersamen Brotvermehrung (fünf Brote und zwei Fische)
Oder die theologische Auslegung der Ehernen Schlange

Bibelpredigt dürfte heute auf - geringfügig - mehr taube Ohren stoßen als noch vor 10 Jahren
Da dürfte es Dir fast so gehen wie Lot, der vergeblich in Sodom und Gomorrah predigte

Aber einzelne Menschen guten Willens wirst Du heute sicher finden. Und wenn es nur 1 % ist.
Wenn Du die Frohe Botschaft vor 1000 Leuten predigst, werden dann 990 weggehen, aber 10 lauschen.

Das ist doch keine schlechte Ausbeute ??

Geh doch in den Hyde Park und stell dich dort im Speaker's Corner auf eine mitgebrachte Bierkiste, kannst sie ja in Papier einpacken

Die Bibel kannst Du auch in anderen Ländern gefahrlos predigen: in der Schweiz, in Deutschland, Holland, Frankreich usw

Sehr gerne würde man dich in manchen ländlichen Gegenden der USA hören
Ich denke hier beispielsweise an die Amish
Allerdings brauchen die keinen Prediger von außen, die haben selbst welche - und würden Dich verjagen
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#6
(16-01-2020, 12:37)Kreutzberg schrieb: Dennoch gibt es ja auch heute Probleme, welche vor zweitausend Jahren keine bzw. keine bedeutsame Rolle gespielt haben. Da fallen m. E. abgeleitete Botschaften häufig nicht auf fruchtbaren Boden.
Welche Probleme meinst du und mit welchen abgeleiteten Botschaften würdest du ihnen begegnen?
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#7
Die meisten Kritiker führen an, dass die damalige Gesellschaft als Patrichat geprägt war und die Sozialstrukturen einen öffentlichen Dialog auf Augenhöhe besser möglich war. Daher spiele seinerzeit Solidarität und ungeschriebene Stilregeln ja auch eine andere Rolle als heute.
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#8
(14-01-2020, 14:22)Kreutzberg schrieb: 1) Es stellt sich für mich jedoch die Frage, ob eine Auslegung von Texten für die heutige moderne offene Gesellschaft überhaupt möglich ist. Es gilt hier insbesondere zu bedenken, dass 2 feste Größen in der Gegenwart an Bedeutung verloren haben, nämlich :

a) die Familie als Grundanker der Gesellschaft
b) Autoritätshaltung gegenüber der Obrigkeit im allgemeinen.

Deine a) und b) Beispiele sind aber ein sehr Deutsches Phänomen. Im ganz breiten Rest der Welt ist es nicht so.
In Deutschland wird jemand ^der es geschafft hat^ zwar anerkannt, aber nicht gefeiert, sondern man will dessen Stellung selber einnehmen oder zumindest von demjenigen profitieren. Deswegen findet das Leben der Schönen und Erfolgreichen fast ausschließlich fernab der öffentlichen Zugänglichkeit statt.
Es gibt keine Obrigkeit mehr in Deutschland, es gibt nur arm und reich. 

Und die Familie ist schon noch der Anker, aber in Deutschland herrscht selbst in der Familie immer ein knallharter Konkurrenzkampf, weil es in Deutschland diese Eigenart/Unart gibt das jede Person immer strikt getrennt gesehen wird. Sobald sich zwei oder mehr zusammentun gibt es immer Konkurrenz.

Insgesamt ist es aber noch sehr Christlich bei uns da das GG auf christlichen Werten basiert und da sich die Kirchen über Jahrhunderte in den Städten und Gemeinden verwurzelt haben. Jedes Dorf hat selbst wenn es nur einen Bäcker und einen Bauernhof hat immer mindestens eine Kirche.
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#9
Bibelexegese bedarf zunächst der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht. Erst wenn man die Frage stellt, welchen Wert das, was man liest für die heutige Zeit hat, muss man sich darüber Gedanken machen.
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#10
Wieso sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen denn uninteressant ?
Wenn eine moderne Vermittlung von Bibeltexten Zuspruch erfahren soll, muss der Vermittler der Lehrinhalte eigentlich die Mentalität der Zuhörer mitberücksichtigen, weil sonst die Ansprache nicht richtig funktionieren kann.

Der Denkansatz "wie sage ich es, dass der jenige das auch versteht" kommt schließlich nicht von ungefähr ...
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#11
(24-01-2020, 12:24)Kreutzberg schrieb: Wieso sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen denn uninteressant ?
Wenn eine moderne Vermittlung von Bibeltexten Zuspruch erfahren soll, muss der Vermittler der Lehrinhalte eigentlich die Mentalität der Zuhörer mitberücksichtigen, weil sonst die Ansprache nicht richtig funktionieren kann.


Da hast Du sicher recht.
Allerdings geht es in diesem Thread laut der Überschrift nicht um eine wirksame Ansprache oder Predigt, sondern um das Thema der Auslegung: "Bibelexegese ohne gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht sinnvoll möglich"

Bei der Exegese soll man den Zuhörern keinesfalls nach dem Mund reden. Das wäre unehrlich

Ich glaube, 'Kreutzberg', Du hast Dich bei der Erstellung der Überschrift vergriffen Icon_smile

Du hast wahrscheinlich gemeint: "Bibelpredigt ohne gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht sinnvoll möglich"

Stimmts ?
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#12
(24-01-2020, 19:39)Sinai schrieb: Bei der Exegese soll man den Zuhörern keinesfalls nach dem Mund reden. ...

Du ('Kreutzberg') hast wahrscheinlich gemeint: "Bibelpredigt ohne gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht sinnvoll möglich"
Exegese ist im wesentlichen Übertragung von Texten aus einem Kulturkreis in den unseren (oder einen anderen). Von "nach dem Munde reden" kann keine Rede sein! Und eine Bibelpredigt ist auch Exegese. Also ist das Thema schon zutreffend gestellt.
Es kann höchstens dabei herauskommen, dass Exegese letztendlich Brüche enthält, weil sich unsere Denkstrukturen in den Jahrhunderten seit der Antike geändert haben (Geistesentwicklung). Vor allem zu nennen ist das, was man damals für "wissenschaftlich" hielt, im Gegensatz zu dem, was man heute darunter versteht. Einen anderen "Bruch" findet man in den Erzähltraditionen. Da, wo wir Zustandsbeschreibungen erwarten, haben die Bibelautoren Werdensgeschichten erzählt, so als wären Zeugen dabei gewesen.

Und selbstverständlich stimme ich der Grundthese zu, dass Bibelexegese ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht möglich sind (also einmal der Antike und zum anderen unsere). Das hat zur Folge, dass man - sagen wir in hundert Jahren - anders interpretieren wird als wir heute. Genauso kommen uns Exegesen von vor 50 bis 100 Jahren auch schon fremdartig vor.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#13
(24-01-2020, 21:05)Ekkard schrieb: Exegese ist im wesentlichen Übertragung von Texten aus einem Kulturkreis in den unseren (oder einen anderen).


Exegese ist viel mehr als die "Übertragung" von Texten aus dem antiken biblischen Kulturkreis in den unseren.
Nimm etwa Ezechiel 1:4 mit dem Thronwagen Gottes oder die gesamte Offenbarung des Johannes (das letzte Buch des Neuen Testaments).

Da geht es nicht um die Erstellung eines Vokabelhefts, sondern um eine mühsame Exegese
es geht darum, aufzuspüren was die Schrift überhaupt sagen will

Dabei ist es aber völlig egal, ob der Leser ein Franzose ist oder ein Indianer oder ein Japaner

Die Texte sind völlig unverständlich und es ist egal, ob der "Drache" in Offb 20,3 ein chinesischer Drache ist, oder ob man sich einen Lindwurm aus dem Rheintal und dem Nibelungenlied vorstellt oder einen Tatzelwurm aus der alpinen Sagenwelt oder einen Leguan der Indianer

(24-01-2020, 21:05)Ekkard schrieb: Und selbstverständlich stimme ich der Grundthese zu, dass Bibelexegese ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht möglich sind


Zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist zu sagen, daß die Bibel sich nie an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Zeit anpassen wollte

Zwar war die Katholische Kirche immer sehr kompromißbereit - von Bibelpuristen wurde und wird ihr ständig vorgeworfen, daß sie allerlei antikes Brauchtum der europäischen Welt übernahm (der heilige Gambrinus soll angeblich bloß ein anderer Name für einen altgermanischen Biergott sein) und es werden ihr von den diversen Bibelpuristen der Weihnachtsbaum, die bunten Ostereier, der Osterhase, die Statuen, die Heiligen vorgeworfen

Die Bibelpuristen (diejenigen Leute, die ihre Religion sola scriptura begründen, von Luther bis zu den Zeugen Jehovas - aber auch an die Hussiten und die Puritaner und ihre vielen Derivate ist zu denken) empfinden die "Gesellschaft" als zu bekämpfendes Übel
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#14
(24-01-2020, 23:45)Sinai schrieb: Zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist zu sagen, daß die Bibel sich nie an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Zeit anpassen wollte.

Die Bibel selbst schon. Jeder Text darin atmet die Befindlichkeiten der jeweiligen Zeit, in der er geschrieben wurde, und befasst sich mit den Problemen seiner Zeit.

Exegese hat das schon immer von dieser urspruenglichen Zeit in den jeweils aktuellen Zeitraum zu heben versucht. Das findet man uebrigens schon in den Qumran-Texten, und das ist in der Sonntagspredigt auch nicht anders.
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#15
(25-01-2020, 11:29)Ulan schrieb:
(24-01-2020, 23:45)Sinai schrieb: Zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist zu sagen, daß die Bibel sich nie an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Zeit anpassen wollte.

Die Bibel selbst schon. Jeder Text darin atmet die Befindlichkeiten der jeweiligen Zeit


Absolut nicht.

Die Propheten lehnten sich immer gegen den Zeitgeist auf

Und die Bibel zeigt den ständigen Kampf gegen die Ägypter, gegen die Kanaaniter, gegen die Philister, gegen die Assyrer, gegen die Griechen, gegen den von den Römern eingesetzten Klientelkönig Herodes - und gegen den bei den Israeliten oft überhandnehmenden Zeitgeist: gegen die Verehrung des Goldenen Kalbes, gegen die Verehrung der Kultpfähle der Aschera, gegen den immer wieder einsickernden Baalskult

Dann kam Johannes der Täufer, der Umkehr predigte

Dann kam Jesus, der gegen das jüdische Establishment predigte
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