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Hierodulen
#1
Hierodulen (ἱερόδουλοι1 ἄνδρες / ἱερόδουλαι γυναῖκες = Heilige Sklaven / heilige Sklavinnen) waren ↗Sklaven und Sklavinnen, die einer Gottheit gehörten und für diese Tempeldienst verrichteten. Besonders zahlreich waren sie in kleinasiatischen Heiligtümern anzutreffen, wo sie im Rahmen von Fruchtbarkeitskulten auch der kultischen Prostitution dienten. Wenn in Heiligtümern (der ↗Aphrodite in ↗Korinth und auf dem ↗Eryx) durch weibliche Hierodulen Tempelprostitution betrieben wurde – die Frage wir kontrovers diskutiert2 -, ist das wohl auf orientalischen Einfluss und auf Kulte, die an diesen Orten einst für andere Göttinnen (↗Astarte?) gepflegt wurden, zurückzuführen.

In größeren Heiligtümern wurden die niedrigen Tempeldienste von Hierodulen ausgeführt. Im Gegensatz zu anderen Sklaven (Kriegsgefangene, Geschenke, Kaufsklaven etc.), die in den Besitz von heiligen Stätten gelangen konnten, durften sie nicht verkauft werden. Sie und ihre Nachkommen waren der Gottheit zum ewigen Besitz geweiht. Ihre wesentlichen Aufgaben waren, die ↗Priesterschaft zu bedienen, Hilfsdienste bei sakralen Handlungen zu leisten, die Viehherden, die der Gottheit gehörten, zu betreuen und zu beaufsichtigen sowie Dinge zu beschaffen und zu verwalten, die für den Kult benötigt wurden. Auch die Bewachung des Tempelschatzes gehörte zu ihren Aufgaben.

In den Stand der Hierodulen konnte man als Weihegeschenk3, auch durch Selbstschenkung an die Gottheit gelangen, hineingeboren werden oder durch die Tempelkasse zum besonderen Zweck angekauft werden. Auch in ↗Heiligen Bezirken aufgefundene (ausgesetzte) Kinder und Asylsuchende wurden, wenn man sie aufgenommen hat, in den Stand der Hierodulen versetzt4.

Die im ↗Jerusalemer Tempel dienenden Nethinim (Gegebene, Geschenkte) werden in griechischen Texten als ἱερόδουλοι bezeichnet (LXX 1Esra 8,22; Ios. ant. XI 5,1f.) und dürften in ihrer Funktion dem ebenso bezeichneten griechischen Tempelpersonal durchaus entsprochen haben.


1) Aus ἱερός (geweiht, heilig) und δοῦλος (Sklave) gebildet

2) Wenn die Tempelprostitution in griechischen Gemeinschaften von manchen Fachgelehrten, insbesondere von Theologen, gerne als Legende abgetan wird, darf man einwenden, dass sie für das vorrömische Korinth ausreichend belegt ist und für andere Orte vermutet werden darf. So gab es beispielsweise in Abydos (Kleinasien) einen Tempel der Aphrodite porne und auf Samos einen der Aphrodite hetaira (Stumpp 97). Anzunehmen, dass an solchen Orten Tempelprostitution gepflegt wurde, ist jedenfalls nicht abwegig.

3) Wie wir von ↗Pindar wissen, hatte ein Xenophon aus Korinth der Aphrodite für einen Sieg im olympischen Wettkampf 50 junge Frauen als Geschenk versprochen. "Gastfreundliche Mädchen", wie Pindar den Dienst, den diese Frauen im Tempel verrichten sollten, euphemistisch andeutet (Fragm. 94 n.d. Tusculumausgabe, Für Xenophon aus Korinth). 464 vC hatte dieser tatsächlich einen Doppelsieg (Stadionlauf und Pentathlon) errungen und sein Versprechen, wie angenommen werden darf, eingelöst.

4 Vgl. Max Ortner. Griechisch-römisches Religionsverständnis und Mysterienkulte als Bausteine der christlichen Religion. Dissertation Universität Wien 2009. Seite 25.


Literatur:
Bettina Eva Stumpp. Prostitution in der römischen Antike. 1998 Berlin, Akademie-Verl. (Diss. 1996 Tübingen).


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MfG B.
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