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Religion oder Philosophie
#1
Viele meinen ja, darunter auch Buddhisten selbst, dass der Buddhismus eigentlich eine Philosophie/Geisteswissenschaft sei, und in unserem Sinne weniger eine Religion.
Warum aber?
Ist es nicht so, dass der Buddha, als er erleuchtet war, auch das Wesen der Natur verstanden hat und somit auch sein Prinzip?
Werden im Buddhismus existenzielle Fragen der Menschen nicht beantwortet wie, woher komme ich? Wie ist die Welt entstanden? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn des Lebens? Und so weiter.
Oder ist der Buddhismus doch wie viele behaupten nur eine Lebensphilosophie, das nur erklärt, wie man aus dem Leidenskreislauf der Wiedergeburten sich befreien kann?
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#2
Das liegt schlicht an der jeweiligen Religionsdefinition.

Der Buddhismus wird in der Regel deshalb nicht als Religion angesehen, weil es da nicht um die Anbetung eines "Gottes" geht, welcher die Regeln herabsandte.

Ich jedoch finde, daß so eine Definition die Grenzen zu eng zieht und würde den Buddhismus durchaus als Religion bezeichnen.
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#3
(11-08-2009, 21:38)melek schrieb: Ich jedoch finde, daß so eine Definition die Grenzen zu eng zieht und würde den Buddhismus durchaus als Religion bezeichnen.

Das sehe ich ja auch so. Für mich muss Religion nicht zwangsweise irgendetwas mit höheren Mächten oder Göttern zu tun haben. Wenn eine Lehre, Lebensfragen des Menschen beantworten kann, dann zählt sie für mich auch zur Religion.
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#4
(11-08-2009, 21:10)atman schrieb: Viele meinen ja, darunter auch Buddhisten selbst, dass der Buddhismus eigentlich eine Philosophie/Geisteswissenschaft sei, und in unserem Sinne weniger eine Religion

eine philosophie vielleicht schon - aber mit "geisteswissenschaft" (also philosophie als akademischer lehre) hat er wohl eher nichts zu tun

Zitat:Warum aber?
Ist es nicht so, dass der Buddha, als er erleuchtet war, auch das Wesen der Natur verstanden hat und somit auch sein Prinzip?

warum sollte das so sein?

wodurch soll sich denn buddhas beitrag zum naturverständnis auszeichnen?

mir ist siddharta gautama als naturwissenschaftler kein begriff

Zitat:Werden im Buddhismus existenzielle Fragen der Menschen nicht beantwortet wie, woher komme ich? Wie ist die Welt entstanden? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn des Lebens? Und so weiter

ja, natürlich. so wie in vielen anderen religionen und/oder philosophien auch

dazu darf sich schließlich jeder ausdenken, wozu er lustig ist. man darf das bloß nicht mit wissen oder gar wissenschaftlichkeit verwechseln

Zitat:Oder ist der Buddhismus doch wie viele behaupten nur eine Lebensphilosophie, das nur erklärt, wie man aus dem Leidenskreislauf der Wiedergeburten sich befreien kann?

wie verstehst du hier "erklärt"?

imho ist das weniger eine erklärung als eine durch nichts gestützte behauptung.
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#5
(11-08-2009, 21:10)atman schrieb: Viele meinen ja, darunter auch Buddhisten selbst, dass der Buddhismus eigentlich eine Philosophie/Geisteswissenschaft sei, und in unserem Sinne weniger eine Religion.
Religion beinhaltet Heilslehre, Ritus und tranzendentes (bzw zu transzendentierendes) Prinzip. Ist also alles da.

(11-08-2009, 21:10)atman schrieb: Ist es nicht so, dass der Buddha, als er erleuchtet war, auch das Wesen der Natur verstanden hat und somit auch sein Prinzip?
Sehe ich zwar auch so, aber darin liegt kein Kriterium für oder gegen Religion - oder habe ich Dich falsch verstanden?
Natürlich war Shakyamnie weder ein Philosoph, Geistes-, oder Natur"wissenschaftler" im heutigen Sinn - ich würde sagen, er war zuallererst ein Praktiker - aber einer mit höchst analytischem Verstand.

Und sind dann tatsächlich mehrere Dinge, die er vor 2500 Jahren erkannt hat und die im Westen überhaupt erst seit 100 Jahren oder erst in allerletzter Zeit langsam von der Wissenschaftsfront ins Populäre hineintröpfeln:

Als Prinzip "Anatta" (Nicht-Ich) und die Kehrseite "Paticcasamupada" (Bedingtes Entstehen)
Als Methodologie: Nichts gelten lassen was nicht a) validierbar und b) falsifizierbar sei.

(11-08-2009, 21:10)atman schrieb: Werden im Buddhismus existenzielle Fragen der Menschen nicht beantwortet wie, woher komme ich? Wie ist die Welt entstanden? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn des Lebens? Und so weiter.

Nun ja, zumindest können die Antworten darauf von der Lehre abgeleitet werden - der Buddha selbst hätte diese Fragen wohl als "falsch gestellt" bezeichnet - seine Lehre wollte er ausschließlich auf die Frage nach dem Leiden, seinen Ursachen und deren Überwindung begrenzt sehen.

(11-08-2009, 21:10)atman schrieb: Oder ist der Buddhismus doch wie viele behaupten nur eine Lebensphilosophie, das nur erklärt, wie man aus dem Leidenskreislauf der Wiedergeburten sich befreien kann?

Zwei unterschiedlichen Dinge bedingen sich zwangsläufig: Buddhismus - Religion in seiner konkreten gewachsener Form unterschiedlicher Traditionen und der Dharma - die Lehre (über das Leiden) - man kann das eine ohne das andere schwerlich haben.

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#6
(12-08-2009, 17:15)anna4 schrieb: Und sind dann tatsächlich mehrere Dinge, die er vor 2500 Jahren erkannt hat und die im Westen überhaupt erst seit 100 Jahren oder erst in allerletzter Zeit langsam von der Wissenschaftsfront ins Populäre hineintröpfeln:

Als Prinzip "Anatta" (Nicht-Ich) und die Kehrseite "Paticcasamupada" (Bedingtes Entstehen)
Als Methodologie: Nichts gelten lassen was nicht a) validierbar und b) falsifizierbar sei

das ist interessant:

inwiefern sind "Nicht-Ich" und "Bedingtes Entstehen" (was auch immer beides sein mag) "seit 100 Jahren oder erst in allerletzter Zeit langsam von der Wissenschaftsfront ins Populäre hineingetröpfelt"?

mir sind diese begriffe in wissenschaftlichem kontext nicht geläufig

und wenn nur gelten soll, was validierbar und falsifizierbar ist - wie kommt man dann zur reinkarnationslehre?
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#7
(12-08-2009, 17:23)petronius schrieb:
(12-08-2009, 17:15)anna4 schrieb: Und sind dann tatsächlich mehrere Dinge, die er vor 2500 Jahren erkannt hat und die im Westen überhaupt erst seit 100 Jahren oder erst in allerletzter Zeit langsam von der Wissenschaftsfront ins Populäre hineintröpfeln:

Als Prinzip "Anatta" (Nicht-Ich) und die Kehrseite "Paticcasamupada" (Bedingtes Entstehen)
Als Methodologie: Nichts gelten lassen was nicht a) validierbar und b) falsifizierbar sei

das ist interessant:

inwiefern sind "Nicht-Ich" und "Bedingtes Entstehen" (was auch immer beides sein mag) "seit 100 Jahren oder erst in allerletzter Zeit langsam von der Wissenschaftsfront ins Populäre hineingetröpfelt"?

mir sind diese begriffe in wissenschaftlichem kontext nicht geläufig

Wieso sollten heutige Naturwissenschaftler seinen Begriffsapparat benutzen?
Zum "Nicht-Ich" empfehle ich exemplarisch mal Herrn Singer, dann weist Du auch warum das heute manchen völlig "neu" ist :)
"Bedingtes Entstehen" im engeren Sinne beschreibt die Leidensentstehung - muß hier jetzt nicht besonders interessieren. Im weiteren Sinne wird damit folgendes Prinzip umrissen:

"Nichts entsteht allein aus sich selbst heraus, nichts allein aus einem (völlig) anderen, nichts allein aus diesen beiden und nichts ohne Ursache und Bedingung"

Das ist die Abkehr von linearen Wirkungsketten und "letzten Ursachen", zugunsten eines Koditionalnexus - ein völlig anderes Verständnis von "Kausalität" als im Westen bis zur Mitte letzten Jahrhunders.

Zitat:und wenn nur gelten soll, was validierbar und falsifizierbar ist - wie kommt man dann zur reinkarnationslehre?
"Man" weiß ich nicht, aber im Dharma findest Du keine.


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#8
(12-08-2009, 17:34)anna4 schrieb: Wieso sollten heutige Naturwissenschaftler seinen Begriffsapparat benutzen?
Zum "Nicht-Ich" empfehle ich exemplarisch mal Herrn Singer, dann weist Du auch warum das heute manchen völlig "neu" ist :)
"Bedingtes Entstehen" im engeren Sinne beschreibt die Leidensentstehung - muß hier jetzt nicht besonders interessieren. Im weiteren Sinne wird damit folgendes Prinzip umrissen:

"Nichts entsteht allein aus sich selbst heraus, nichts allein aus einem (völlig) anderen, nichts allein aus diesen beiden und nichts ohne Ursache und Bedingung"

Das ist die Abkehr von linearen Wirkungsketten und "letzten Ursachen", zugunsten eines Koditionalnexus - ein völlig anderes Verständnis von "Kausalität" als im Westen bis zur Mitte letzten Jahrhunders

du spielst auf die überwindung des kartesischen weltmodells als uhrwerk an?

naja, aus deiner beschreibung des "bedingten entstehens" kann ich das nicht ablesen, es nur mit viel wohlwollen hinein interpretieren

was ein hr. singer im zusammenhang mit "nicht-ich" zu sagen haben soll, weiß ich nicht

rein vom stilistischen her aber erinnert mich das ganze fatal an die diversen bemühungen der muslime, die wahrheit des koran zu "beweisen", indem dieser bereits ergebnisse der modernen wissenschaft vorweggenommen haben soll

auch fritjof capra hat ja schon über "das tao der physik" räsonniert, was auch sicher gut und beeindruckend zu lesen war. trotzdem sind solche sozusagen literaturwissenschaftlichen vergleiche ("was kann hier wohl gemeint gewesen sein?") naturwissenschaftlich wenig aussagefähig bzw. von eher anekdotischem wert

Zitat:
Zitat:und wenn nur gelten soll, was validierbar und falsifizierbar ist - wie kommt man dann zur reinkarnationslehre?
"Man" weiß ich nicht, aber im Dharma findest Du keine

?

bitte noch mal und auf deutsch

du meinst, buddha hat nie gesagt, mensch werde wiedergeboren, bis er das nirvana erreicht?

ich höre und staune...
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#9
(11-08-2009, 22:48)atman schrieb: Wenn eine Lehre, Lebensfragen des Menschen beantworten kann, dann zählt sie für mich auch zur Religion.

Den Zusammenhang kann ich nicht ganz verstehen.

Manche Äußerlichkeiten lassen beim Buddhismus auf eine Religion schließen, aber Siddharta Gautama hat letztendlich die Mittel seines eigenen Geistes benutzt und einen 'mittleren Weg' propagiert, der alle Extreme vermeidet.
So ist es eigentlich die Vorgabe für ein bewusstes aktives Handeln.
Wenn man diesen Vorgaben aber nur glaubt und nicht aktiv umsetzt, kann das alles natürlich zur Religion werden, denn da ist wohl Glauben Vorraussetzung.

Aber Buddhismus an sich ist keine 'Glaubenssache', sondern eher der Weg zur Erkundung seines Selbst.
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#10
(12-08-2009, 18:06)petronius schrieb: Wieso sollten heutige Naturwissenschaftler seinen Begriffsapparat benutzen?
(12-08-2009, 17:34)anna4 schrieb: Zum "Nicht-Ich" empfehle ich exemplarisch mal Herrn Singer, dann weist Du auch warum das heute manchen völlig "neu" ist :)
"Bedingtes Entstehen" im engeren Sinne beschreibt die Leidensentstehung - muß hier jetzt nicht besonders interessieren. Im weiteren Sinne wird damit folgendes Prinzip umrissen:

"Nichts entsteht allein aus sich selbst heraus, nichts allein aus einem (völlig) anderen, nichts allein aus diesen beiden und nichts ohne Ursache und Bedingung"

Das ist die Abkehr von linearen Wirkungsketten und "letzten Ursachen", zugunsten eines Koditionalnexus - ein völlig anderes Verständnis von "Kausalität" als im Westen bis zur Mitte letzten Jahrhunders

(12-08-2009, 18:06)petronius schrieb: du spielst auf die überwindung des kartesischen weltmodells als uhrwerk an?

Ach, das geht hinein bis in die 40/50iger letzten Jahrhunderts.
Und noch heute fragt jeder Dödel nach der letzten Ursache und wo der Anfang wäre - es gibt schlicht keine/keinen.

(12-08-2009, 18:06)petronius schrieb: naja, aus deiner beschreibung des "bedingten entstehens" kann ich das nicht ablesen, es nur mit viel wohlwollen hinein interpretieren.
Da braucht man nix hineinzuinterpretieren, steht doch klar dar: Es gibt keine linearen Ursache-Wirkungsketten, es gibt aber auch nichts ohne Ursachen und Bedindungen - nämlich Möglichkeiten. Ausführlich abgehandelt übrigens bei Nagarjuna - die Kurzbeschreibung stammt allerdings schon von Shakyamuni.

(12-08-2009, 18:06)petronius schrieb: was ein hr. singer im zusammenhang mit "nicht-ich" zu sagen haben soll, weiß ich nicht.
Prof. Dr. Wolf Singer, der Hirnforscher. Ich werde das jetzt aber nicht referieren :)

(12-08-2009, 18:06)petronius schrieb: rein vom stilistischen her aber erinnert mich das ganze fatal an die diversen bemühungen der muslime, die wahrheit des koran zu "beweisen", indem dieser bereits ergebnisse der modernen wissenschaft vorweggenommen haben soll.

Nö, es geht ja hier nucht um irgendwelche konkreten "Erfindungen", sondern um bestimmte Denkmodelle, die in einem bestimmten zeitlichen Kontext erstmalig auftraten.
In ein Sprüchebuch wie den Koran kann man natürlich alles reinlesen - die Sutras und Sastras aus Indien sind jedoch von grundsätzlich anderer Qualität: das sind argumentative Lehrreden.
Gottlob sieht die Quellenlage In Pali, Sanskrit und Chinesisch nicht so dürftig aus - den Moslims haben wir es allerdings wesentlich zu verdanken, daß dieses Gedankengut erst in der Neuzeit nach Europa kam.

(12-08-2009, 18:06)petronius schrieb: auch fritjof capra hat ja schon über "das tao der physik" räsonniert, was auch sicher gut und beeindruckend zu lesen war. trotzdem sind solche sozusagen literaturwissenschaftlichen vergleiche ("was kann hier wohl gemeint gewesen sein?") naturwissenschaftlich wenig aussagefähig bzw. von eher anekdotischem wert
Das sehe ich ganz genau so. Ich will damit auch keine Naturwissenschaft betreiben, für mich ist das Religion und ich stelle lediglich deren philosophische Essenz heraus.


(12-08-2009, 18:06)petronius schrieb: du meinst, buddha hat nie gesagt, mensch werde wiedergeboren, bis er das nirvana erreicht?
ich höre und staune...

"Mensch" als Bezeichnung einer Gattung (wozu seine Sozialisation gehört) schon, aber nicht jener konkrete Mensch dort wird als anderer konkreter Mensch hier "wiedergeboren".
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#11
(12-08-2009, 19:06)anna4 schrieb: Und noch heute fragt jeder Dödel nach der letzten Ursache und wo der Anfang wäre - es gibt schlicht keine/keinen

eher nicht "jeder". das beschränkt sich doch auf die "dödel" aus einer bestimmten glaubensecke

Zitat:Da braucht man nix hineinzuinterpretieren, steht doch klar dar: Es gibt keine linearen Ursache-Wirkungsketten, es gibt aber auch nichts ohne Ursachen und Bedindungen - nämlich Möglichkeiten

nun ist aber genau das sicher nicht stand des naturwissenschaftlichen wissens. selbstverständlich gibt es auch lineare wirkzusammenhänge, wenn auch die meisten nichtlinear sind. und "möglichkeiten" gibt es immer - das ist eine nullaussage. daß es in nichtlinearen systemen zu chaotischem verhalten kommt und somit eine vorhersage nicht möglich ist, hat eigentlich nichts damit zu tun, daß es "möglichkeiten gibt"

Zitat:Prof. Dr. Wolf Singer, der Hirnforscher. Ich werde das jetzt aber nicht referieren :)

wie schade. dann kann ich dazu auch nichts sagen

Zitat:"Mensch" als Bezeichnung einer Gattung (wozu seine Sozialisation gehört) schon, aber nicht jener konkrete Mensch dort wird als anderer konkreter Mensch hier "wiedergeboren".

und wie ist die wiedergeburt des menschen als gattung validierbar und falsifizierbar?
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#12
(12-08-2009, 19:21)petronius schrieb:
(12-08-2009, 19:06)anna4 schrieb: Und noch heute fragt jeder Dödel nach der letzten Ursache und wo der Anfang wäre - es gibt schlicht keine/keinen
eher nicht "jeder". das beschränkt sich doch auf die "dödel" aus einer bestimmten glaubensecke

Na nach meiner Wahrnehmung ist das eine ganz tief und sehr allgemein verwurzelte Überzeugung, ohne daß die Leute großartig drüber nachdenken oder das als ihr religöses Dogma begreifen.

(12-08-2009, 19:21)petronius schrieb:
Zitat:Da braucht man nix hineinzuinterpretieren, steht doch klar dar: Es gibt keine linearen Ursache-Wirkungsketten, es gibt aber auch nichts ohne Ursachen und Bedindungen - nämlich Möglichkeiten

nun ist aber genau das sicher nicht stand des naturwissenschaftlichen wissens. selbstverständlich gibt es auch lineare wirkzusammenhänge, wenn auch die meisten nichtlinear sind.

Ich sprach in meinem Ausgangsposting nicht vom "Stand naturwissenschaftlichen Wissens", sondern was sich da (erst) in den letzten 100-50 Jahren getan hat und was nun mühsam ins gesellschaftliche Bewußtsein tröpfelt.

Bis zum Anfang des letzten Jahrhundert kannte und untersuchte man man im Westen nur lineare Systeme - etwaige "Störgrößen", sofern sie nicht so stark in der Versuchsanordnung zum Tragen kamen drückte man mal schell in den Skat "Starke Kausalität" und behalf sich mit Stochastik.
Erst ab den 30ern gelang der Zugang zu nichtlinearen Systemen - z.B. in der Hydrodynamik - aber das sind ja keine getrennten Dinge. Lineares und nichtlineares Verhalten wird nur durch die Bedingungen bestimmt, denen ein System unterworfen wird, sie gehen ineinander über.

(12-08-2009, 19:21)petronius schrieb: und "möglichkeiten" gibt es immer - das ist eine nullaussage.
Nö, Kausalität spricht man wenn stets die gleiche Ursache stets gleiche Wirkung (und nicht ne andere Möglichkeit) hat (schwache Kausalität) oder ähnliche Ursachen ähnliche Wirkungen (und nicht ne andere Möglichkeit) haben (starke Kausalität).
Anders als in (vielfach) bedingten Sytemen, in denen je nach Bedingungskonstellation völlig unterschiedliche Möglichkeiten der Folgen beobachtet werden können.

(12-08-2009, 19:21)petronius schrieb: daß es in nichtlinearen systemen zu chaotischem verhalten kommt und somit eine vorhersage nicht möglich ist, hat eigentlich nichts damit zu tun, daß es "möglichkeiten gibt"

Doch natürlich, diese unterschiedlichen Möglichkeiten ergeben sich an den Bifurkationstellen. Diese sind Ausdruck des Bedingungsgefüges.

(12-08-2009, 19:21)petronius schrieb:
Zitat:Prof. Dr. Wolf Singer, der Hirnforscher. Ich werde das jetzt aber nicht referieren :)
wie schade. dann kann ich dazu auch nichts sagen

Nur kurz: die moderne Hirnforschung kann beim besten Willen keinen "Ich-Ort" oder "Ich-Instanz" ausmachen, keinen "Entscheider" keinen "Willens-Kern" o.ä. - da ist nichts, was als Kern unseres "Ichs" ausgemacht werden kann, das "Ich" ist ein reines Gedankenkonstrukt.
So schon Shakyamuni.


(12-08-2009, 19:21)petronius schrieb:
Zitat:"Mensch" als Bezeichnung einer Gattung (wozu seine Sozialisation gehört) schon, aber nicht jener konkrete Mensch dort wird als anderer konkreter Mensch hier "wiedergeboren".

und wie ist die wiedergeburt des menschen als gattung validierbar und falsifizierbar?

Ganz einfach dadurch, daß immer wieder ähnliche Verhaltensmuster der Gattung "Mensch" auftauchen und beobachtbar sind und auch immer auf die selben Ursachen zurückgeführt weden können.

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#13
Bin jetzt mal n paar Tage abwesend - dann gern wieder.
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#14
(12-08-2009, 21:38)anna4 schrieb: [quote='petronius' pid='53140' dateline='1250097669']
Na nach meiner Wahrnehmung ist das eine ganz tief und sehr allgemein verwurzelte Überzeugung, ohne daß die Leute großartig drüber nachdenken oder das als ihr religöses Dogma begreifen

meine wahrnehmung ist eine andere

Zitat:Lineares und nichtlineares Verhalten wird nur durch die Bedingungen bestimmt, denen ein System unterworfen wird, sie gehen ineinander über

nicht zwangsläufig

Zitat:Doch natürlich, diese unterschiedlichen Möglichkeiten ergeben sich an den Bifurkationstellen. Diese sind Ausdruck des Bedingungsgefüges

diese "möglichkeiten" sind aber nun auswirkungen der nichtlinearität und nicht ihr ausgangspunkt

Zitat:Nur kurz: die moderne Hirnforschung kann beim besten Willen keinen "Ich-Ort" oder "Ich-Instanz" ausmachen

wie sollte sie auch?

wer behauptet, daß das der fall sein müßte?

Zitat:keinen "Entscheider" keinen "Willens-Kern" o.ä. - da ist nichts, was als Kern unseres "Ichs" ausgemacht werden kann, das "Ich" ist ein reines Gedankenkonstrukt.
So schon Shakyamuni

daß die hirnforschung ein "ich" ausmachen können müßte ist genauso weltfremd wie die vorstellung, die hirnforschung müsse "gedanken lesen" können. das "ich" ist in erster linie eine frage des bewußtseins und nicht der gedanken, auch wenn der klassische satz des descartes einen hier auf die falsche fährte lockt

Zitat:Ganz einfach dadurch, daß immer wieder ähnliche Verhaltensmuster der Gattung "Mensch" auftauchen und beobachtbar sind und auch immer auf die selben Ursachen zurückgeführt weden können

die logik dieses schlusses kann ich nicht nachvollziehen

weil jeder mensch, der hunger hat, nach etwas zu essen sucht, und die ursache immer ist, daß er noch nichts gegessen hat - ist das ein beweis für wiedergeburt?

:icon_cheesygrin:
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#15
(13-08-2009, 09:17)petronius schrieb: meine wahrnehmung ist eine andere
Dann haben wir das ja geklärt.

Zitat:Doch natürlich, diese unterschiedlichen Möglichkeiten ergeben sich an den Bifurkationstellen. Diese sind Ausdruck des Bedingungsgefüges
(13-08-2009, 09:17)petronius schrieb: diese "möglichkeiten" sind aber nun auswirkungen der nichtlinearität und nicht ihr ausgangspunkt.
Daß sie ihr "Ausgangspunkt" wären, habe ich jedenfalls nicht behauptet.
Noch einmal zu Erinnerung: Statt von einer mechanistischen "Ursache-Folge"-Kette redet Shakyamuni über dynamische "Bedingungen-Möglichkeiten".
Etwas, was wir hier erst seit ca 60 Jahren tun.

Zitat:Nur kurz: die moderne Hirnforschung kann beim besten Willen keinen "Ich-Ort" oder "Ich-Instanz" ausmachen
(13-08-2009, 09:17)petronius schrieb: wie sollte sie auch?
wer behauptet, daß das der fall sein müßte?

Daß es ein zentrales, autonomes "Ich" (in den Fasetten von Person, Persönlichkeit, Individualität ...) gibt, ist das westliche Glaubensbekenntnis, es ist das Axiom der westlichen Zivilisation.
Also ist es ja nicht unvernünftig, sich dieser Frage mittles Hirnforschung zu nähern, was denn dieses "Ich" nun eigentlich sei.

Zitat:keinen "Entscheider" keinen "Willens-Kern" o.ä. - da ist nichts, was als Kern unseres "Ichs" ausgemacht werden kann, das "Ich" ist ein reines Gedankenkonstrukt.
So schon Shakyamuni
(13-08-2009, 09:17)petronius schrieb: daß die hirnforschung ein "ich" ausmachen können müßte ist genauso weltfremd wie die vorstellung, die hirnforschung müsse "gedanken lesen" können. das "ich" ist in erster linie eine frage des bewußtseins und nicht der gedanken, auch wenn der klassische satz des descartes einen hier auf die falsche fährte lockt.

Wie und wo sich "Bewußtsein" bildet ist sehr wohl eine Frage die sich die Hirnforschung stellt. Eine klassische Zugangsmöglichkeit ist die, danach zu fragen, wie (und was) Entscheidung trifft. "Ich"?

Zitat:Ganz einfach dadurch, daß immer wieder ähnliche Verhaltensmuster der Gattung "Mensch" auftauchen und beobachtbar sind und auch immer auf die selben Ursachen zurückgeführt weden können
(13-08-2009, 09:17)petronius schrieb: die logik dieses schlusses kann ich nicht nachvollziehen
weil jeder mensch, der hunger hat, nach etwas zu essen sucht, und die ursache immer ist, daß er noch nichts gegessen hat - ist das ein beweis für wiedergeburt?
Da das nix spezifisch Menschliches ist, kann das ja wohl auch kaum gemeint sein.
Shakyamuni geht es vielmehr darum, welche Bedingungen dazu führen, daß dukkha (vulgo "Leiden") immer "wiedergeboren" wird.

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