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An Gott glauben,trotz des Holocausts?
#1
Hallo alle zusammen!
Zur Zeit behandeln wir in unserem Religionskurs das Thema Theodizee und haben dazu ein Buch gelesen, in der ein sehr religiöser Jude zur Zeit des Holocausts als Jugendlicher in ein Konzentrationslager verschleppt wird und von seinen Erlebnissen berichtet. Er überlebte die grauenhaften Qualen, jedoch wendete er sich nach dieser Zeit von Gott ab und glaubt nicht mehr an ihn.

Auf der Grundlage dieser Geschichte sollen wir nun erörtern,ob es überhaupt noch möglich ist eingedenk der Verbrechen in den Kzs der Nationalsozialisten, an Gott zu glauben?!

Weil ich es sehr schwer finde diese Frage zu beantworten,hoffe ich dass ihr mir weiterhelfen könnt und vll eine Diskussion über diese Frage entsteht ;)

Grüße Blümchen


#2
Hallo Blümchen,

ein sehr interessantes Thema.
Das Theodizee-Problem bezieht sich auf den Widerspruch eines, auf der einen Seite, allmächtigen gütigen Gottes und auf der anderen Seite, die Übel in der Welt.
Theoretisch hätte Gott also die Möglichkeit und auch die Güte einzugreifen, tut es aber nicht.

Leibnitz spricht in diesem Zusammenhang von der besten aller möglichen Welten. Eine bessere Welt ist demzufolge nicht möglich und die Übel sind notwendig.

Nun ja, das mag vieleicht nicht unbedingt befriedigen.

Viele meinen auch, dass der Mensch durch Gott eine Art Selbstverantwortung erhalten hat. Der Mensch ist also nicht lediglich Werkzeug Gottes, sondern kann seine Welt aktiv selbst gestalten. Er wird damit freier aber auch verantwortlicher für seine Taten.
Es ist also quasi der Mensch der die Übel tut, nicht Gott.

Wieder andere sehen gerade hierin die Aufgabe, die Prüfung die der Mensch durch Gott erhalten hat. Der Mensch muss sich also beweisen und eigenständig versuchen das Gute zu fördern, das Böse einzugrenzen. Am jüngsten Tag wird Gott dann richten.

Weiterhin kann man sagen dass das Leben im Diesseits eher "nebensächlich" ist. Es erwartet einen ja noch das Jenseits.
Wer hier leidet, wird dort belohnt.

Du siehst also, dass es sehr wohl trotz der Verbrechen im dritten Reich möglich ist an Gott zu glauben.
Allerdings ist es genauso verständlich aufgrund solcher Verbrechen Abstand vom Glauben zu nehmen.

Es sei außerdem angemerkt, dass der Nationalsozialismus nicht das erste Verbrechen der Menschheit war.
Leid gab es auch vorher schon und gibt es heute auch noch.
#3
Der Mensch ist in seine Freiheit hinein geboren. Der Mensch kann Gutes und Böses bewirken. Demnach stellt sich die Frage, wo denn der Mensch in Auschwitz war. Eine entmenschlichte Zeit wie auch heute noch. Zum Beispiel der Hunger in der Welt, Kriege, Konflikte, die mit Gewalt ausgetragen werden. Genozide. Die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat. Ausbeutung des Menschen von Menschen. Verarmung durch Unterdrückung (Systeme, Diktaturen)...

Wo ist der Mensch, das ist die Frage.
#4
Die so genannte Theodizee, die in der Frage gipfelt: "Warum hat Gott dieses oder jenes Unglück zugelassen?"

wurde im Laufe der Geschichte mehrfach gestellt und verschieden beantwortet. Leibnitz sagte sinngemäß, wir leben in einer optimalen Welt. Wenn Gott etwas zulässt, dann weil es anders nicht ging, ohne dieses Optimum zu verlassen oder zu zerstören.

Meine private Meinung ist eine andere und hat mit dem zu tun, was Glaube meiner Meinung nach ausmacht. Wer glaubt, nutzt Gottesvorstellungen (barmherzig, strafend, mythische Aussagen usw.). Das Wesen solcher Vorstellungen ist Motivation zur Verantwortung, zu Mut zur positiven Veränderung, zum Aufbrechen nachteiliger Strukturen und zu Ähnlichem.

Bleibt die Frage, ob man sich von Gott abwenden soll, weil ER ja offensichtlich nichts tut. Wer von vorneherein nicht an Gott glaubt, wird sich bestätigt fühlen, Motto: "Siehste!" Den Gläubigen kann ich nur vorhalten, Glaube und seine Gegenstände fälschlich wörtlich zu nehmen. Glaube ist ein Sinn- und Ordnungsschema. Seine Gegenstände (Gott, Teufel, Engel, Dämonen, Segen) besitzen nicht den Status wie z. B. der Vulkanismus oder die Schwerkraft. Ohne die menschliche Vorstellungskraft und ohne den Willen zur positiven Veränderung, ist der Glaube nichts.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#5
Lauf Leibniz wurde schon hingewiesen. Er ist für die Bildung des Begriffs "Theodizee" (= Gottesgerechtigkeit) verantwortlich. Er führte diesen Begriff ein, um den Zustand in der Welt, das Übel, das die Schöpfung sowohl physisch als auch moralisch durchdrungen hat, zu beschreiben und mit Gottes Gerechtigkeit in Einklang zu bringen.

Am Anfang seiner Überlegungen stand, so nimmt man an, Röm 3,5 (Ist‘s aber so, dass unsre Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit ins Licht stellt, was sollen wir sagen?).

Anlass, seine Überlegungen in einem Text festzuhalten, war ein Gespräch mit Kurfürstin Sophie Charlotte (1702) in Berlin über P. Bayles, der Vernunft und Glaube wegen des augenscheinlichen Übels in der Welt für unvereinbar hielt (in: Dictionnaire histrorique et critique).

Leibniz veröffentlicht seine Gedanken dazu unter dem Titel: Essais de Theόdizée sur la Bonté de Dieu, la Liberté de l’Homme et l’Origine du Mal.

Das Ergebnis, zu dem Leibniz kommt, hat Gundi schon zutreffend erläutert.

Kant griff die Gedanken auf, definiert den Begriff nochmals: "Unter Theodizee versteht man die Verteidigung der höchsten Weisheit des Welturhebers gegen die Anklage, welche die Vernunft aus dem Zweckwidrigen in der Welt gegen jene erhebt" (E. Kant: Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee, 1791).

Nach Kants Einsicht ist der Theodizee der Gedanke zugrunde zu legen, wonach Gott durch unsere Vernunft selbst der Ausleger seines durch die Schöpfung verkündigten Willens wird. Eine nicht sehr optimistische Sicht der Dinge!

Hegel meinte, die Rechtfertigung Gottes in der Geschichte sei der Entwicklungsgang und das wirkliche Werden des Geistes in der Weltgeschichte. Der Optimismus Hegels ist spätestens durch Ausschwitz widerlegt.

Das Problem selbst wurde natürlich auch schon vor Leibniz erkannt und in der Stoa, im Neuplatonismus, von Maimonides, etc. behandelt und beschrieben.

Dass das Problem philosophisch nicht lösbar ist, hat schon Kant erkannt. Im Angesicht von Ausschwitz empfinde ich das bestätigt. Das Leiden und das Unrecht in der Welt hält die Gottesfrage wach.

Horkheimer hat die Frage um die Gerechtigkeit Gottes auf den Punkt gebracht: Anzunehmen, dass sie einen unbedingten Sinn [hätte], ohne Gott retten zu wollen, ist eitel.
MfG B.
#6
(26-11-2011, 18:54)Blümchen schrieb: Auf der Grundlage dieser Geschichte sollen wir nun erörtern,ob es überhaupt noch möglich ist eingedenk der Verbrechen in den Kzs der Nationalsozialisten, an Gott zu glauben?!

aber sicher ist das möglich

kommt halt drauf an, welcher gott gemeint ist, mit welchen eigenschaften man ihn ausstattet

der liebe kindergott, der seine gläubigen vor allem beschützt und den man nur anrufen muß, um geholfen zu kriegen, paßt natürlich weder mit den nazigreueln noch vergleichbaren atrozitäten anderer epochen und kulturen (nicht zuletzt den von den gottgläubigen selbst angerichteten) zusammen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#7
spannendes thema.
jedoch haben "genozoide", langfristig - dieser verantwortlichen strukturen schon einen auf den deckel gegeben und dadurch konnte die welt sehen, wie scheisse das war und sich dadurch weiterentwickeln - eine art kognitiv gesellschaftliche evolution würd ich das im moment nennen.

d.h es musste irgendwie "passieren" - weil die verantwortlichen gesellschaften vorher viel zu engstirnig waren, so weit zu denken, das man das verhindert hätte können. man musste es tun um der nachwelt zu zeigen, was das für eine kacke das ist.

und der einzelne ist nunmal wenn man so will opfer der gesellschaftlichen "haltung". jetzt weiss du warum einige "mächtige" so besessen sind, ihre haltung gesellschaftsfähig zu machen. durch solche taten, ist das nicht mehr so einfach eine ideologie massenfähig zu machen - weil der mensch eben durch solche handlungen selbst gelernt hat. man hätte das verhindern können, aber man wollte das einfach nicht um im nachhinein erkennen zu können das es falsch war.

TRY AND ERROR.

manchmal sucht der mensch halt selbst das übel und verbreitet es wie die pest, damit es dannach beobachten kann wie er selbst damit untergeht. erst durch diese verbildlichung dieser tat, wars in der geschichte so das die gessellschaft erst dannach so in ihrer kognition weiterentwickeln konnte, das er dann versucht hat diese tat wieder zu vermeiden um es dann als lächerlich anzusehen. vielleicht eine art gesellschaftlich kognitive intelligenz die dadurch angeregt wird.

beispiel: nehmen wir an das alte königtum in frankreich. man kann sich fragen, und gott verantwortlich machen, warum die so unfair mit ihrer bevölkerung umgehen. vielleicht kann man da das theodizee aufwerfen. "wenn es den doch gibt, warum beschützt der uns nicht, die armen bauern - die kaum was haben"?. aber wenn man das genauer betrachtet, gabs irgendwann die französische revolution und mit diesem impuls hat man die welt mit verändert. und diese französische revolution, der gedanke - diese rebellion schwebt immernoch in der haltung der masse. und trotz opfer ist dieser gedanke ein wervolles "gut", der bevölkerung.

gäbe es nicht diese unfairniss nicht, gäbe es auch nicht die idee der französischen revolution nicht. die gesellschaften hatten sich selbst aus eigenem freiem willen dazu entschlossen so zu handeln, und der einzelne der anders ist, steckt halt mit drin und ist warscheinlich sogar das ziel. also muss auch der mensch selbst die faulen früchte daraus tragen und seine eigene spezies opfern um in nachhinein zu erkennen, demütig zu werden - das positiv umzusetzen - da der mensch ein überlebens und anpassungstier ist.

und falls man gläubig ist, kann man den glauben nicht dafür verantwortlich machen - wie der kapität auf dem schiff sich entscheidet und die passagiere mitentscheiden.
man sitzt als einzelner mit einer anderen meinung mit im boot und muss halt mit der entscheidung der massse leben. daher ist das für mich in dem punkt keine glaubensfrage nur weil man mit geopfert wird -- da man sich grad mit in diesem boot befindet.
#8
(27-11-2011, 14:50)petronius schrieb:
(26-11-2011, 18:54)Blümchen schrieb: Auf der Grundlage dieser Geschichte sollen wir nun erörtern,ob es überhaupt noch möglich ist eingedenk der Verbrechen in den Kzs der Nationalsozialisten, an Gott zu glauben?!

aber sicher ist das möglich

kommt halt drauf an, welcher gott gemeint ist, mit welchen eigenschaften man ihn ausstattet

Beim Theodizee-Problem ist das eigentlich relativ klar umrissen. Gemeint ist die Vorstellung vom christlichen Gott, der Allmacht besitzt und gütig ist.

Andere Gottesvorstellungen führen ja oftmals gar nicht erst zu diesem Problem.
#9
(27-11-2011, 16:28)Gundi schrieb: Beim Theodizee-Problem ist das eigentlich relativ klar umrissen. Gemeint ist die Vorstellung vom christlichen Gott, der Allmacht besitzt und gütig ist.
Aus den "Seligpreisungen" in Math. 5, ist doch ersichtlich, daß die Gerechtigkeit Gottes im "Jenseits" und erst am Jüngsten Tag im "Diesseits" wirkt.
So sagt Jesus auch in Math.10,28: "Und fürchtet euch nicht vor denen die den Leib töten, aber die Seele nicht zu töten vermögen"
Und Math. 24,42: "Wacht also! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt"
Das gilt am Jüngsten Tag für die noch Lebenden ansonsten für die, die bis dahin sterben werden.
So ist es z.B. bei einer Naturkatastrophe mit vielen Toten, ein sterben
jedes Einzelnen der den Zeitpunkt nicht wusste. So wie es täglich zigtausendfach geschieht.
Wobei die in den Seligpreisungen erwähnten, im "Jenseits" keinen Nachteil haben.

#10
Verstehe. Und warum betet man dann zu Gott und bittet um seine Hilfe/Unterstützung?
Das war früher schon so, und machen heute auch noch viele. Du bestimmt auch.
Aber warum, wenn Gott sich erst am jüngsten Tage blicken lässt?
#11
(27-11-2011, 19:56)Gundi schrieb: Das war früher schon so, und machen heute auch noch viele. Du bestimmt auch.
Aber warum, wenn Gott sich erst am jüngsten Tage blicken lässt?
Beim meinem letzten Beitrag ging es um die Gerechtigkeit Gottes.
Bei den aufrichtig Betenden geht es um die Hilfe Gottes. Meistens hilft Gott und der Mensch merkt erst später, wenn überhaupt, daß ihm geholfen wurde.

#12
Tja Indy, dann bist ja auch du bei dem Theodizee-Problem angelangt.

Was glaubst du denn wie viele Menschen damals um Hilfe gebeten haben? Nur kam sie halt nicht.
Darum geht es doch die ganze Zeit...
#13
(27-11-2011, 20:49)Gundi schrieb: Tja Indy, dann bist ja auch du bei dem Theodizee-Problem angelangt.

Was glaubst du denn wie viele Menschen damals um Hilfe gebeten haben? Nur kam sie halt nicht.
Darum geht es doch die ganze Zeit...
Womit wir wieder bei Math. 10,28 sind.
Auch Jesus ist ohne Schuld gefoltert und getötet worden.

#14
Kannst du nicht mal klar was zum Thema sagen?

Nach deiner eigenen Argumentation (bete zu Gott und er hilft dir) entsteht das Theodizee-Problem.
Falls du das anders siehst, sprich es so aus, dass man sich den Sinn nicht erst selber zurecht suchen muss...
#15
(27-11-2011, 21:02)Gundi schrieb: Kannst du nicht mal klar was zum Thema sagen?

Nach deiner eigenen Argumentation (bete zu Gott und er hilft dir) entsteht das Theodizee-Problem.
Falls du das anders siehst, sprich es so aus, dass man sich den Sinn nicht erst selber zurecht suchen muss...
Scheinbar hast Du ein Theodizee - Problem, ich nicht.



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