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Oschophorien
#1
Ursprünglich waren die Oschophorien - sie fanden im Monat Pyanepsion (Oktober/November) statt - wohl ein Erntedankfest bzw. ein Dankfest für reichliche Weinernte gewesen. Im 7. oder 6. Jh vC nahm das Fest offenbar den Charakter eines Ehrenfestes für ↗Dionysos und ↗Ariadne an. Ein Erntedank- und Weinfest (wie die ↗Anthesterien auch) ist es aber immer geblieben.

Nach ↗Plutarch (Plut. Thes. 23) wurden das Fest des Tragens der Rebzweige (ὤσχονς), von ↗Theseus gestiftet. Mit der Theseussage und den Vorgängen, die sich auf der Fahrt nach ↗Kreta und der Rückfahrt nach ↗Athen begeben haben sollen, wurde es sehr früh (jedenfalls nicht später als im 6. Jh vC) verknüpft (Deubner 142). Die mit dem Fest verbundenen Bräuche waren dem Andenken an Dionysos und Ariadne verpflichtet.

Zunächst fand ein Festzug (πομπή) von einem städtischen Dionysos-Heiligtum (vermutlich dem Limnaion1) zum Bezirk der ↗Athena Skiras2 im Phaleron3, wo sich ein Kultlokal des Dionysos (Ώσχοφόριον = Oschophorion) befunden hatte, statt. Während des Festzuges wurden Loblieder auf Dionysos gesungen. Dem Festzug gingen zwei junge Männer in Mädchenkleidern4, die mit Trauben behangene Rebzweige trugen, voran.

Nach dem Festzug traten junge Männer verschiedener Phylen (Verwaltungsbezirke) gegeneinander im Wettlauf an. Der Lauf führte vom Oschophorion zum Heiligtum der Athena Skiras (Preller 165). Nach welchen Regeln die Wettkämpfe ausgerichtet waren, ist nicht bekannt. Jedenfalls dürfte es mehrere Sieger gegeben haben. Als Siegespreis bekamen diese im Oschophorion in der "Fünftrankschale" ein Gemisch aus ↗Wein, Honig, Gerstenmehl, Frischkäse und Öl gereicht (Deubner 144)5.

Das Fest war für alle Mitglieder der Gemeinschaft offen. Auch Kinder und ↗Sklaven nahmen daran teil.



1) Das Limnaion lag nach Thukidides (2. 15) im Bereich der ↗Athener ↗Akropolis, konnte aber bis heute archäologisch nicht nachgewiesen werden.
2) Von ↗Salamis aus hatte sich im Phaleron eine Kultstätte der Athena Skiras festgesetzt.
3) Phaleron = Östlich von Piräus, am Saronischen Golf gelegener attischer Verwaltungsbezirk, Ort und alter Hafen von Athen (heute Paleo Faliro).
4) Die jungen Männer entstammten vornehmen Familien. Sie mussten noch lebende Eltern haben (Nilsson 165). Die jungen Männer in Mädchenkleidern sollten daran erinnern, dass Theseus anstelle der Jungfrauen, die er König ↗Minos als Tributleistung hätte übergeben sollen, mädchenhaft aussehende, aber sehr kampfstarke junge Männer auf die Fahrt nach Kreta mitgenommen hatte.
5) Deubner erwähnt in diesem Zusammenhang einen Bericht, der der Chrestomathie des Proklos entnommen ist.



Literatur:
Ludwig Preller. Griechische Mythologie Bd 1 – Theogonie und Götter. 21860 Berlin. Verlag Weidmannsche Buchhandlung.
Martin P. Nilsson. Griechische Feste von Religiöser Bedeutung. 1906 Leipzig, Verlag B. G. Teubner.
Ludwig Deubner. Attische Feste. 1932 Berlin. Nachdruck 1966 Wien. Verlag Anton Schroll & Co.




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MfG B.
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