05-01-2019, 13:06
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ](04-01-2019, 18:55)Geobacter schrieb: [ -> ]Die Evolution schafft keine schönen Dinge.Und eine Tomate ist nicht rot...
(Natürlich nicht. Rot ist ja auch eine Farbempfindung, die erst im Auge im Gehirn in der Psyche des Betrachters entsteht.)
Hmm. "Rot" ist zwar eine Farbempfindung, die auf verschiedene Weise erzeugt werden kann, aber im Prinzip stecken dahinter handfeste physikalische und biologische Phaenomene. Bei Begriffen wie "Schoenheit" kommt man dagegen noch in ganz andere Bereiche der subjektiven Empfindung; oder fallen Dir da einige objektive Erklaerungsmodelle ein? So ad hoc wuerde ich eventuell an Bevorzugung von Symmetrie als Mittel zur Beurteilung der "Unbeschaedigtheit" denken. Gut, das ist eventuell etwas fuer einen anderen Thread.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ](04-01-2019, 17:17)Ulan schrieb: [ -> ]"Die Evolution" denkt gar nichts. Sie ist kein Wesen, hat kein Ziel und ist nicht gerichtet.Die Evolution denkt nicht... okay, einverstanden. Mit letzterer Aussage, dass die Evolution nicht gerichtet sei, schießt du aber weit über's Ziel hinaus. Selbstverständlich ist sie das. Trend geht bspw. in Richtung zunehmende Komplexität, Diversifizierung (im biol. Sinne) sowie eine effektivere Anpassung an sich dynamisch verändernde Umweltbedingungen. Daran ändern auch zeitlich-/räumlich-lokale Abweichungen nichts.
Okay, gut, das war wohl im Bezug auf den Gesamtprozess, aus der Richtung des Ergebnisses gesehen, falsch. Dass unsere Oekosysteme heutzutage weit weniger anfaellig fuer veraenderte Umweltbedingungen sind als die im Erdaltertum, scheint wohl recht klar zu sein. Ich habe ja auch darauf hingewiesen, dass der Vorgang der Selektion nicht zufaellig ist. Anpassung an die Umwelt kann man wohl als "Richtung" des Gesamtprozesses sehen.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ](04-01-2019, 17:17)Ulan schrieb: [ -> ]Wie gesagt, das Wort "Evolution" beschreibt einen Vorgang; eine sehr simple Abfolge von zwei Geschehnissen. Der erste Schritt ist zufaellig (die Veraenderung), der zweite nicht (die Auswahl); wobei das Ereignis, das den Auswahlprozess veranlasst, wiederum zufaellig sein kann.Hinter der Evolution der Lebewesen steckt (mehr oder weniger) ein stochastisches, metaheuristisches Optimierungsverfahren. Hat man längst erkannt, wurde entsprechend und in Form Evolutionärer Algorithmen auch nachgeahmt bzw. modelliert.
Ja, ich habe versucht, das etwas simpler auszudruecken. Auch meine Beispiele waren simplifiziert.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ]Denn das Problem von Optimierungsverfahren ist, dass in der Regel (eigentlich fast immer) nur näherungsweise Lösungen bzw. lokale Optima gefunden werden. Bereits 2-3 Entwurfsparameter genügen, um mathematische/numerische Methoden zur Suche nach einem globalen Optimum zum Scheitern zu verurteilen.
Siehe z.B. die ausgesprochen suboptimale Loesung der Synapsiden was die Lunge angeht. Aus dem lokalen Optimum werden wir nie herauskommen, jedenfalls nicht ohne genetisches Engineering, da unser System zu komplex ist, um einen Umbauprozess zu ueberstehen.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ]Die Spezies Mensch muss sich freilich erst noch bewähren - nur ein bisschen mehr als 100 Mio. Jahre müssen wir noch durchhalten, um die Dinos zu schlagen. Aber ihre Chancen scheinen - zumindest in der Theorie - besser zu sein. Ein Meilenstein wäre etwa die Kolonisierung anderer Planeten - das haben die Dinos selbst in 100 Mio. Jahren nicht geschafft, für uns Menschen könnte das schon in 100 oder 1000 Jahren Wirklichkeit werden (vielleicht auch erst in 10000 oder 100000 Jahren, was immer noch eine verdammt kurze Zeitspanne wäre). Wäre das geschafft, könnte die Spezies Mensch* selbst eine Katastrophe planetaren Ausmaßes überleben und die Evolution hätte tatsächlich eine optimalere Lösung gefunden.
*um auch die Transhumanisten zu bedienen: ja, es könnte auch eine Art Spezies Modellserie von Cyborgs sein
Mal sehen, ob wir unsere theoretischen Moeglichkeiten auch umsetzen. Optimierungsverfahren sind ja, wie Du auch thematisiert hast, trickreich. In stabilen Phasen ist der Spezialist das Optimum, in turbulenten Phasen der Generalist. Das Problem ist also auch in unseren Gesellschaften, dass derjenige, der vorsorgt, in der stabilen Phase benachteiligt ist. Ressourcen dafuer auszugeben, Loesungen voranzutreiben, die eventuell nie (bzw. nicht in absehbarer Zeit) jemand braucht, ist immer ein schwieriger Vorschlag, solange nicht noch andere Vorteile dabei herausspringen. Typische menschliche Loesungen sind meist mit einem Zeithorizont von bestenfalls einer Generation gedacht.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ](04-01-2019, 17:17)Ulan schrieb: [ -> ]das Wort "Evolution" beschreibt einen Vorgang; eine sehr simple Abfolge von zwei Geschehnissen. Der erste Schritt ist zufaellig (die Veraenderung), der zweite nicht (die Auswahl); wobei das Ereignis, das den Auswahlprozess veranlasst, wiederum zufaellig sein kann.Jein... Zufällig erscheinen solche Ereignisse (bspw. Meteoriteneinschlag) nur im Rahmen zeitlich-/räumlich-lokaler Grenzen. Wenn bspw. in den nächsten 1000 Jahren ein Häufchen Meteoriten auf der Erde einschlägt, ist das mehr oder weniger zufällig. Über hinreichend große Zeitabschnitte hinweg ist das aber ein fast sicheres Ereignis (d.h. es stellt sich weniger die Frage des 'Ob', sondern nur des 'Wann').
Fuer einen Statistiker ist das sicherlich so. Dieses Beispiel kommt wohl statistisch haeufig genug vor, um Vorsorgemassnahmen als angeraten erscheinen zu lassen. Gegen den Ausbruch eines Supervulkans koennen wir aber eh nichts machen. Letzterer ist aber trotzdem zufaellig, auch wenn er mit Sicherheit kommt.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ](04-01-2019, 17:17)Ulan schrieb: [ -> ]Was meinst Du, warum Du ueberall auf dem Internet diese CAPTCHA-Bildchen beantworten musst. Im Prinzip trainierst Du hier die Roboter von morgen, ihre Kamerabilder richtig zu deuten.Ja... Wobei man aber nicht ohne Grund nur noch ungern von "künstlicher Intelligenz", sondern lieber von "maschinellem Lernen" spricht. KIs können verdammt gut darin sein, fest definierte Aufgaben zu lösen, aber stell' mal bspw. einem Schachcomputer die Aufgabe, Kaffee zu kochen.
Sollte eine KI aber jemals eine wissenschaftliches Paper veröffentlichen, welches ein Peer Review übersteht und zum wissenschaftlichen Fortschritt beiträgt, ja, dann ziehe ich meinen Hut!
Ich bin mittlerweile alt genug, um die Entwicklung von meiner Kindheit, wo Computer fast mystische Objekte waren, die in ein paar wenigen Rechenzentren standen und mit unserem taeglichen Leben (fast) nichts zu tun hatten, bis zum heutigen Zeitpunkt, wo wir selbstlernende Maschinen in unserer Hosentasche herumtragen, mitbekommen zu haben. Selbst mein Studium war noch ziemlich "computerfrei", ausser einem einzigen Kurs und dann natuerlich dem Endspurt, wo es um richtige Forschung ging. Heute schreiben Programme anscheinend schon Programme. Mal sehen, wie die Welt in 20 Jahren aussieht, falls ich das noch erleben sollte.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ]Naja, da wäre ich sehr vorsichtig. Zwar spricht man nicht umsonst auch eigentlich von der "Evolution des Lebens", aber bspw. von einer "Evolution der Fussballclubs" zu sprechen, wäre schon ziemlich grober Unfug. Es sei denn, man möchte Vermögen und Erbmasse von Fussballclubs als "Erbanlage" und mithin als "Gen" bezeichnen...
Von "kosmischer Evolution" oder "kultureller Evolution" wird ja bspw. ebenfalls gerne gesprochen, aber auch hier finden teils gänzlich andere Prozesse als bei der biologischen Evolution statt. 'Evolution' ist auch mehr als nur ein Synonym für 'Entwicklungsgeschichte' . Letzterer Begriff ist viel allgemeiner - bspw. hat auch ein einzelnes Individuum eine Entwicklungsgeschichte (Ontogenese), durchläuft deshalb aber noch lange keine Evolution.
Ich finde Deine Reaktion hier uebrigens interessant. Weiter oben hast Du "Evolution" noch auf ein "stochastisches, metaheuristisches Optimierungsverfahren" reduziert, und jetzt werden ploetzlich spezifisch biologische Begriffe wieder interessant. Eines meiner Beispiele war uebrigens die Entwicklung von Sprachen. Dich stoert anscheinend der Mangel an sichtbarer "Optimierung", dabei wird auch Sprache durchaus staendig an die neue Umwelt angepasst.
(05-01-2019, 06:15)Noumenon schrieb: [ -> ]Jenen Individuen müsste es dann schon aber gelingen, mehr als 99.999% der gegenwärtig ca. 7,5 Mrd. lebenden Menschen auszurotten, denn für die Fortbestand einer Spezies genügt schon eine Handvoll und es wäre wohl auch nicht das erste Mal, dass der Mensch durch einen genetischen Flaschenhals geht. Die Lebensbedingungen auf der Erde müssten sich also schon ziemlich radikal und auch nachhaltig ändern, um die letzten Menschen vom Planeten zu tilgen. Da müsste wohl schon ein Nuklearer Winter o.ä. ausbrechen (Fallout lässt grüßen), wobei selbst das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen dürfte, um die Menschheit restlos zu terminieren (zahlreiche Atombunker weltweit dürften bspw. genügen, um eine lebensfähige Population zu erhalten). Ein Nuklearer Winter könnte zwar das Leben auf der Oberfläche für unzählige Generationen (Jahrhunderte) unmöglich machen, aber ob das reicht...? Hm...
Na ja, einige der moeglichen Katastrophen haben historisch das Leben auf der Erde fuer Jahrmillionen schwer gemacht. Inwieweit unsere existierenden Bunker tatsaechlich fuer Jahrhunderte vorgesorgt haben und auch die Notwendigkeiten eines Wiederanfangs bei vollkommenen Zivilisationszusammenbruch beruecksichtigen, weiss ich ehrlich gesagt nicht (Vault-Tec gibt's bei uns nicht). Aber okay, das sind alles Detailfragen. Ich faende es schon besser, wenn die Menschheit vielleicht doch ein Standbein auf einem anderen Himmelskoerper einrichten wuerde, anstatt die Karte nur auf diesen einen Planeten zu setzen, und sei es nur darum, die Technologien und das biologische Material fuer einen Wiederanfang aufzubewahren. Wer weiss, vielleicht kommt's ja noch dazu.