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Christenverfolgungen in der römischen Kaiserzeit - Bion - 28-05-2012 ↗Nero Systematische Christenverfolgungen fanden unter Kaiser Nero nicht statt. Die Christen, die während der "neronischen Verfolgung" den Tod fanden, wurden nicht wegen ihrer Religion verfolgt, sondern der Brandstiftung bezichtigt und hingerichtet. Nachdem sich Nero mit der Beschuldigung konfrontiert sah, er habe (64 nC) ↗Rom anzündet lassen (Tac. ann. XV, 38; ↗Sueton Nero 38, 1), um es nach seinen Vorstellungen neu aufzubauen, waren ihm "die Chrestianer", die in der stadtrömischen Gesellschaft einen denkbar schlechten Ruf hatten, geeignete Opfer, um sich selbst von Verdächtigungen freizumachen (Tac. ann. XV 44, 2-8). Nach christlicher ↗Tradition haben im Zuge der "neronischen Verfolgung" auch ↗Petrus und ↗Paulus den Tod gefunden. ↗Domitian Für die von christlichen Autoren des 2. u. 3./4. Jhs [↗Tertullian, ↗Laktanz, ↗Eusebius) behaupteten Christenverfolgungen unter Domitian finden sich außerhalb der christlichen Texte keinerlei Belege. Tertullian versteigt sich dazu, Domitian mit "den Grausamkeiten nach ein halber Nero" zu beschreiben (Tert. apol. 5,4). Laktanz und Eusebius sind von Tertullian abhängig. Da die christlichen Schriftsteller, besonders Tertullian (LThK, Bd 2, 1128), dazu neigten, die sog. "schlechten Kaiser" zu be- und die "guten Kaiser" zu entlasten, geht die neuere Forschung davon aus, dass Christenverfolgungen unter Domitian nicht oder nur in geringem Ausmaß stattgefunden haben. J. Bleicken, Verfassungs- u. Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches, Bd. 2, S. 160f. K. Christ: Die römische Kaiserzeit, S. 25 E. Dassmann: Kirchengeschichte I, S. 100 DKP, Bd. I, 1162 P. Pilhofer: Das NT und seine Welt, S. 343f. Auch ob Domitian das in der ↗Johannesoffenbarung beschriebene "Tier" sei, wird neuerdings infrage gestellt. H. Kraft bietet dafür Kaiser ↗Nerva an (weil die Zahl 666 als M. Nέρουα aufzulösen ist), P. Pilhofer plädiert, im "Tier" Kaiser Trajan, Th. Witulski, Kaiser ↗Hadrian zu sehen. H. Kraft: Die Offenbarung des Johannes U. Riemer: Das Tier auf dem Kaiserthron? P. Pilhofer: Das NT und seine Welt, S. 438 Th. Witulski: Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian ↗Trajan Dass Christenverfolgungen unter Trajan stattfanden, ist durch den berühmten ↗Pliniusbrief (X, 96) und das Antwortschreiben Trajans (X, 97) belegt. Unter Trajan reichte es aus, Christ zu sein, um hingerichtet zu werden. Blieb ein Beschuldigter nach Befragung mit Androhung der Todesstrafe dabei, sich zum Christsein zu bekennen, zog das die Todesstrafe nach sich. Beschuldigte, die leugneten und zur Bekräftigung die römischen Götter anriefen, diesen opferten und ev. auch ↗Christus verfluchten, wurden freigelassen. Anonyme Anzeigen durften auf Anordnung Trajans nicht verfolgt werden. Verfahren wurden nur eingeleitet, wenn Anzeigen von namentlich bekannten Personen vorlagen. Ausforschungshandlungen, denen keine Anzeige zugrunde lag - also staatliche Initiativen - durften nicht gesetzt werden. ↗Plinius berichtet, dass sich "die Seuche des maßlosen Aberglaubens über die Dörfer verbreitet" habe, "er aber Abhilfe schaffen habe können" und sich "die verödeten Tempel allmählich wieder füllten". ↗Mark Aurel Im Gegensatz zu Domitian, der als "schlechter Kaiser" von den christlichen Autoren Verfolgungshandlungen beschuldigt wurde, die er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht begangen hatte, kommt der "gute Kaiser" Mark Aurel, unter dem Christenverfolgungen größeren Umfangs nachweislich stattgefunden haben, im Spiegel der Geschichte gut weg. In seiner "Bittschrift für die Christen" an Mark Aurel und ↗Commodus preist ↗Athenagoras v. Athen die "weise Regierung" der beiden, ihre "Güte und Milde, Friedsamkeit, Menschenliebe und ihre Wohltaten", was, wie man weiß, auf die Christen bezogen nicht stimmte. Auch weitere, an Mark Aurel gerichtete ↗Apologien durch ↗Meliton v. Sardeis, ↗Apollinarius v. Hieropolis und ↗Miltiades konnten Christenverfolgungen nicht verhindern. Über die Todesbereitschaft der christlichen Märtyrer äußerte sich Mark Aurel abfällig (Selbstbetrachtungen 11,3). Verfolgungen fanden wohl nicht auf sein Betreiben, aber durchaus mit seinem Einverständnis statt. Besonders in Lyon und Vienne wurden unter der Regierungszeit des Philosophenkaisers Verfolgungshandlungen mit großer Härte betrieben (Eus KG V, 1). Als prominentester Märtyrer unter Mark Aurel ist ↗Justin Martyr zu nennen. Dass auch das Martirium ↗Polykarps in die Regierungszeit Mark Aurels fällt, wie von Eusebius behauptet (Eus KG IV, 15), ist weder gesichert noch wahrscheinlich. Eusebius verwechselte offenbar ↗Antoninus Pius mit Markus Aurelius (Antoninus) (Diss. V.-E. Hirschmann, Horrenda Secta, 2005, S. 41f.). ↗Septimus Severus Die Verfolgungshandlungen unter Septimus Severus fanden, wie Eusebius schreibt, an allen Orten, - nachweislich allerdings nur in Ägypten, Karthago und Kappadokien - statt, besonders intensiv waren sie in Alexandria (Eus KG VI, 1ff.). Unter Septimus Severus erlitt auch der Vater des ↗Origenes das Martyrium, sein Vermögen wurde konfisziert. ↗Maximinus Trax 235 nC hatte Maximinus Trax per Gesetz die Verfolgung der Führer der Kirche, also der Bischöfe, angeordnet (Eus KG VI, 28). ↗Decius Unter Kaiser Decius fand um etwa 250 nC die erste, das gesamte römische Reich umfassende Christenverfolgung statt. Decius erließ ein Gesetz, wonach alle Personen, die sich im römischen Reich ständig aufhielten, den Staatsgöttern zu Opfern hätten, um ihre Loyalität auf diese Weise unter Beweis zu stellen. Für vollzogene Opferhandlungen wurde eine Bestätigung (Opferbescheinigung) auf ↗Papyrus ausgestellt. Von solchen Opferbescheinigungen sind 46 Exemplare erhalten und in verschiedenen Museen verwahrt. Wer die Opferhandlung verweigerte, musste mit Gefängnis, Folterung und Hinrichtung rechnen (vgl. Eus KG VI, 39). Auch Origenes wurde unter Decius gefangengesetzt und schwer misshandelt. Offenbar hatte er sich von den Verletzungen, die ihm beigebracht wurden, nicht wieder erholt und verstarb als Spätfolge der erlittenen Torturen 254 nC in Tyros. Dass es nicht wenige gab, die sich der Aufforderung der Behörden beugten und sich vom christlichen Glauben distanzierten, beschreibt Eusebius (KG VI, 41) recht ausführlich. ↗Valerian Unter Valerian wurden die Christenverfolgungen wie unter Decius fortgeführt und verschärft, indem er für Christen ein generelles Versammlungsverbot erließ. Insbesondere gegen die Führung der Kirche, die Bischöfe, wurden unter ihm schärfste Maßnahmen ergriffen. Über die Verfolgungen unter Valerian berichtet Eusebius ausführlich (KG VII, 10-12), doch dürften die von ihm aufgegriffenen Berichte des ↗Dionysius v. Alexandrien (Eus. VII, 10,3) überzeichnet sein. Das unrühmliche Ende Valerians in persischer Gefangenschaft (260 nC) bezeichnete Laktanz als Strafe Gottes (Lact. mort. pers. 5). ↗Aurelian Seine militärischen Erfolge (u.a. sicherte er die Donaugrenzen, vertrieb die ↗Goten aus Thrakien, gewann das palmyrenische Sonderreich und das Sonderreich des Tetricus zurück) führte Aurelian auf Unterstützung des Sonnengottes zurück. Nachdem die Reichseinheit wiederhergestellt war, wandte er sich der Religionspolitik zu. Er erhob seinen persönlichen Schutzgott ↗Sol-Invictus zum Reichsgott, versuchte das Reich unter dem Sonnenkult zu stabilisieren und begann in seinem letzten Lebensjahr mit einer Christenverfolgung. Im Oktober 275 nC wurde er von Offizieren aus seiner Umgebung ermordet. In welchem Ausmaß Christen unter Aurelian verfolgt wurden, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen. Die Märtyrerakten, die auf Verfolgungshandlungen unter seiner Regentschaft verweisen, sind ( jedenfalls zum guten Teil) gefälscht (LThK, Bd 1, 1254). ↗Diokletian Unter Diokletian (und seinen Mit-Kaisern) fanden die letzten großen planmäßigen Christenverfolgungen im römischen Reich statt. Neben seinen Reichs- und Wirtschaftsreformen (Einrichtung der ↗Tetrarchie, Münzreform, Höchstpreisedikt, etc.) führte der Kaiser eine umfassende Religions- und Kultreform durch. Er belebte den ↗Roma- und ↗Apollon-Kult wieder und inszenierte einen ↗Jupiter- und ↗Herkules-Kult. Diokletian führte fortan den Beinamen "Jovius", sein Mit-Kaiser Maximianus den Beinamen "Herculius". In beiden Gottheiten wurden die Kaiser mitverehrt. Dass das zu Konflikten mit den christlichen Untertanen führen werde, war offenbar Programm. 299/300 nC wurde eine umfassende Säuberung des Beamtenapparats und des Heeres (Amtsträger, die sich zum Christentum bekannten, wurden entfernt) durchgeführt. 303/304 nC wurden in vier Edikten wirkungsvolle gesetzliche Maßnahmen gegen die Christen gesetzt. 1. Edikt: Zerstörung christlicher Kulträume und heiliger Texte; die Kultausübung wurde verboten. 2. Edikt: Der Klerus wurde gefangengesetzt. 3. Edikt: Der Klerus wurde verpflichtet, den Staatsgöttern zu opfern. Die Weigerung zog Folgen bis hin zur Todesstrafe nach sich. 4. Allgemeines Opfergebot für alle Christen. Die Gesetze wurden von den Tetrarchen mit unterschiedlichem Eifer vollzogen. Schwerpunkte der Verfolgungen lagen im Osten, dort wiederum vornehmlich in Ägypten. ● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons |