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06-09-2025, 00:49
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 06-09-2025, 01:16 von Sinai.)
Bei einem Ausflug hielt die Wandergruppe zur Brotzeit an. Eine Kollegin (protestantische Ungarin) hatte ihr Brot zu Hause vergessen und ich wollte ihr eine Scheibe von meinem Wecken runterschneiden. Sie sprang auf und sagte laut: "Brot gehört gebrochen!"
Dies ging mir nicht aus dem Kopf. Ich fragte sie und sie erzählte mir ausführlich von der Lesung oder Nachahmung der biblischen Erzählung, aus Lukas und Korinther
Biblisch: der Prediger berichtet von der Handlung: "sie brachen das Brot"
Sie erzählte mir, dass auch bereits die Essener in Gütergemeinschaft lebten, untereinander das Brot brachen
Somit denke ich trotz Sprachschwierigkeiten bei ihrer Übersetzung von ungarischen in deutsche Religionsbegriffe,
dass es nicht auf die Art des Brotzerkleinerns ankommt (brechen, zerreißen, schneiden, zersägen) sondern auf den Umstand des Teilens!
Das Brotbrechen ist ein Hinweis des Teilens von Essen, Trinkwasser (in der Wüste oft mehr wert als Essen), Kleidung, Sandalen
Dann sagte ich ihr, dass ihr Einspruch vorhin kindisch war - da musste sie laut lachen
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Bei einem "Abendmahl" mag die Formalie "Brot brechen" angebracht erscheinen. Beim "Teilen" leuchtet mir die Chose nicht ein, wenngleich viele Völker das Brotschneiden (in Scheiben) nicht praktizieren, sondern Stücke herausbrechen und zu etwas anderem dazu essen. In einem solchen Fall kann ich das Befremden gut vertehen, wenn jemand anfängt Brot zu schneiden.
Es gibt einfach Gewohnheiten, die wir so und andere anders machen. Beispiele: Nur besondere Fischmesser benutzen, Kartoffeln nur mit der Gabel zerteilen oder gar auf dem Teller zerquetschen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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Ich glaube, das liegt daran, dass Mazzes ohne Triebmittel gebacken wurden und werden, also ohne Sauerteig und ohne Hefe. Hart wie Knäckebrot! Kann weder geschnitten noch durch Messer mit Wellenschliff zersägt werden, es würde sofort zerkrümeln
Daher wurde in biblischer Zeit das Brot gebrochen
Das Bauernbrot in Deutschland ist ein Mischbrot aus 2/3 Roggenmehl und 1/3 Weizenmehl mit Sauerteig und etwas Hefe, es ist nicht spröde und kann daher nicht gebrochen werden, es muss geschnitten oder zersägt werden, notfalls zerrissen
Und im 11. Jahrhundert war die Frage ob das Brot beim kirchlichen Abendmahl original biblisches Mazzes oder gesäuertes Brot sein soll, ein gewaltiges Thema. Der Azymenstreit !
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07-09-2025, 18:05
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07-09-2025, 18:18 von Sinai.)
(06-09-2025, 21:19)Ekkard schrieb: Kartoffeln nur mit der Gabel zerteilen oder gar auf dem Teller zerquetschen.
Habe mich erkundigt. Das stammt aus der Zeit um 1750 bis 1780 - wenn Offiziere eingeladen waren, wurde besonders sorgfältig gekocht, jedenfalls lange genug, dass die Kartoffeln weich wurden. Man konnte sie mit der Gabel zerteilen und dann auf dem Teller zerquetschen
Es galt somit bei Tisch als ausgesprochen unhöflich, sogar ungezogen, die Kartoffeln mit dem Messer zu schneiden - ein Affront gegen die Hausfrau! Man hätte dadurch mutwillig demonstriert, dass die Kartoffeln (aus Geiz oder Unwissenheit; eines ärger als das andere) zu kurz gekocht wären
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07-09-2025, 18:10
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07-09-2025, 18:36 von Sinai.)
Off Topic:
Bei meinen Sprachstudien in England war ich einmal bei einer Familie von Earls zu Tisch
Die Erbsen wurden beim Essen nicht mit der Gabel aufgespießt und nicht von der Gabel auf die Schaufel genommen, sondern mit dem Messer mühsam auf den Rücken der umgedrehten Gabel geschoben, von wo sie gerne wieder herunterrollten - ein Geduldsspiel!
Weiß jemand den Grund dafür?
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Religions- oder Tischmanierenforum?
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Könnte es sein, dass englische Aristokraten dadurch demonstrieren wollen, dass sie zum Essen viel Zeit und Muße haben? Aber dadurch wird doch die Hauptspeise Fleisch oder Fisch kalt
Ich behalf mir dahingehend, die Erbsen zuerst mit dem Gabelrücken leicht unrund zu quetschen, und sie dann erst mit dem Messer auf den umgedrehten Gabelrücken zu schieben
Glücklicherweise waren die Erbsen ganz weich gekocht
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Dabei fällt mir ein, dass man in Frankreich das Baguette bei Tisch zerreißt. Zersägen mit einem Sägemesser oder Schneiden mit einem gewöhnlichen Messer wäre ungewohnt, brechen funktioniert nicht, dazu ist der Teig unterhalb der Rinde nicht spröde genug
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07-09-2025, 18:56
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07-09-2025, 19:22 von Sinai.)
(07-09-2025, 18:45)d.n. schrieb: Religions- oder Tischmanierenforum?
Religion spielt bei Tisch sehr stark hinein!
Man denke an die jüdischen und arabischen Tischsitten
Bei den Katholiken wird gerne pompös gegessen, bei den Protestanten sieht man zweierlei:
In ländlichen protestantischen Gemeinden oder bürgerlichen Familien: einfach, praktisch, keine aufwändigen Tafeln, keine goldenen Bestecke (silberne nur bei Fisch) und kaum kunstvoll angerichtete Speisen, jedenfalls keine langen Rituale wie bei englischen Earls (die ja auch Protestants sind), sondern effizientes, geordnetes Essen
Ganz besonders interessant und herzlich und betont demokratisch ist das Käsefondue der protestantischen schweizer Bergbauern. Der Kessel mit dem geschmolzenen Käse steht in der Mitte des Tisches und jeder spießt ein Stück Brot (je nach Region Weiß- oder Schwarzbrot; im Flachland Weißbrot, in hochalpinen Gegenden Schwarzbrot) auf das Fonduespießchen und wälzt es im geschmolzenen Käse, alle essen aus demselben Topf!
Allerdings ist das Käsefondue derart beliebt, dass es nun längst auch von Katholiken geliebt wird und von vielen Menschen außerhalb der Eidgenossenschaft
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Dir muss echt fad sein
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08-09-2025, 17:42
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08-09-2025, 17:45 von Sinai.)
Brot auf dem Boden fallen zu lassen, wird in vielen muslimischen Ländern als unangemessen angesehen und dort ist Brot so zentral, dass es als respektlos gilt, es wegzuwerfen, selbst wenn es ausgetrocknet ist; dann wird arabische Brotsuppe daraus gemacht.
Sie heißt "Tharid"
Die Brotsuppe besteht aus Brotstücken, die in einer Schmorbrühe aus Gemüse und Fleischresten eingeweicht werden.
Manchmal wird sogar Gemüse (Kichererbsen, Weizengrütze etc) und kleine Fleischstücke hinzugefügt.
Das Brot saugt die Brühe auf, was der Suppe eine sättigende Konsistenz gibt.
Im Judentum hat das Brotbrechen eine sehr tiefe religiöse und symbolische Bedeutung, sowohl im Alltag als auch in rituellen
Zusammenhängen. Am Freitagabend zum Schabbat ist das Brotbrechen ein zentrales Ritual.
Zwei Brote (sing. Challah, plur. Challot) werden auf den Tisch gelegt, oft bedeckt
Der Hausherr spricht den Kiddusch-Segen über den Wein
Dann folgt der Brotsegen (Hamotzi):
"Baruch Ata... Hamotzi Lechem min ha'aretz"
("Gepriesen seist Du… der das Brot aus der Erde hervorbringt")
Das Brot wird gebrochen - nicht geschnitten - und an die Anwesenden verteilt
Christentum, Koran, Judentum sehen Brot als symbolisch für Leben, Gemeinschaft und Dankbarkeit
Die praktische Umsetzung unterscheidet sich, vom festgelegten Segen im Judentum über die sakramentale Bedeutung im Christentum bis zur kulturell-religiösen Achtung im Islam
In allen Fällen spielt Teilen und respektvoller Umgang eine zentrale Rolle
nicht-abrahamitische Religionen kennen Brot nicht als zentrales Nahrungsmittel: dort ist Reis, sind Nudeln dominant
Sicher hat das auch klimatische Ursachen: Im Fruchtbaren Halbmond, wo die Urväter der drei abrahamitischen Religionen lebten und als Nomaden umherzogen, gab es keinen Reis sondern Getreide - und Nudeln waren in der Wüste wegen des großen Wasserbedarfs bei der Zubereitung (in Wasser kochen) wenig beliebt - Brot backen kann man jedoch auch in der Wüste auf flachen heißen Steinen wenn die Sonne darauf brennt! Dies funktioniert übrigens am besten mit dünnem Teig - daher das Fladenbrot !
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08-09-2025, 18:25
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08-09-2025, 18:33 von Geobacter.)
(08-09-2025, 17:42)Sinai schrieb: Brot auf dem Boden fallen zu lassen, wird in vielen muslimischen Ländern als unangemessen angesehen und dort ist Brot so zentral, dass es als respektlos gilt, es wegzuwerfen, selbst wenn es ausgetrocknet ist; dann wird arabische Brotsuppe daraus gemacht.
Jaja, nur aber waschen sich halt viele Christen dafür viel zu wenig oft die Hände..
Zum Glück greifen sie aber beim "Schneiden" des Brotes, das Brot (in der Regel) immer mit der "anderen" Hand, als mit der, mit welcher sie sich hinten abwischen. Obwohl aber beim Brechen, das Brot immer mit beiden Händen gegriffen werden muss.
Beispiel: erbrochene Brotsuppe .. Brotbrechen schadet also "möglicherweise" Ihrer Gesundheit.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: Gestern, 14:49 von Sinai.)
Hängt diese erheiternde Meldung mit dem Nickname Geobachter zusammen ?
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