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Vernunft und Glaube?
#1
Zum Verhältnis von Vernunft und Glaube ist in Wissenschaft-online.de gerade (16.12.2011) ein Artikel erschienen: *http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1134325&template=d_sdwv_sd_pdf_login&_z=859070. Christian Tapp wirft hierin viele der wohlbekannten Widersprüchlichkeiten auf und ihre Behandlung quer durch die Religionsgeschichte. Er kommt zu interessanten und begründeten Aussagen, wie diese: "Bibeltexte widerlegen keine Wissenschaft".

Der Artikel ist leider nicht frei zugänglich. Die ganze Ausgabe vom 16.12.2011 kann aber für 1 € herunter geladen werden.

Ich sehe gerade, dass der Artikel einzeln kostenlos verlinkt wurde:
*http://www.spektrum.de/alias/religionsphilosophie/vernunft-und-glaube/1136062
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#2
Ein interessanter Text, der einigen Gesprächsstoff abgeben könnte.
MfG B.
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#3
Zuersteinmal begeht der Autor einen Kategorienfehler:
Der Artikel heißt "Vernunft und Glaube?", handelt jedoch von der Vereinbarung von Vernunft und Theologie.
Mit der alltäglichen Verhaltensweise des Gläubigen hat das wenig zu tun.

Die These vom Autor lautet:
Vernunftfreundlichkeit gehört zum christlichen Glauben – und zwar seinem Selbstverständnis nach und nicht von außen aufgezwungen.

Dann erkennt er richtig:
Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaube so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, mit den Vernunfterkenntnissen der Philosophie und sogar mit sich selbst?
Er versucht diese Widersprüche mit einer Neuinterpretation aufzulösen. Generell kann er die alten Inhalte jedoch nicht einfach ablegen, wie es die Vernunft nahelegt - der Grund, weshalb Theologie keine Wissenschaft ist.
Tapp legitimiert diese Hermeneutik mit der Ansicht, die alten Texte erheben keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern enthalten eine zeitlose Wahrheit. Kann man machen, ist jedoch willkürlich.

So geht er dabei vor:
Exegeten müssen einen Text also dahingehend sortieren, was als direkter Aussageinhalt gelten kann (zum Beispiel die Schöpfung durch Gott) und was der bildhaften Ebene zuzurechnen ist, die nur bestimmte Inhalte verdeutlichen soll (der Schöpfungsablauf in sechs Tagen).
Nun, wie vollzieht man diese Trennung? Bleibt letztendlich subjektive Interpretationssache. Und ist eine verstandene Metapher auch als Metapher gemeint gewesen?

Dann geht er das Problem der Theodizee an:
Wie verträgt sich die Existenz eines allmächtigen, allgütigen und allwissenden Gottes mit dem vielen Übel in der Welt? Sicher: An gewissen Übeln sind die Menschen selbst schuld. Für sie sollte man Gott nicht verantwortlich machen. Es bleiben aber die physischen Übel, die nicht auf menschliches Handeln zurückgehen.
Wenn Gott bei den menschengemachten Übeln nicht eingreift, widerspricht dies bereits seinen Eigenschaften.

Weiter wollte ich nicht mehr lesen.

Die Frage nach Vernunft und Glaube muss man anders angehen:
Hitchens hatte sich nicht mit der Beweisbarkeit der Existenz eines Gottes rumgeschlagen, sondern die realen Auswirkungen reliösen Handelns moralisch bewertet.
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
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#4
(17-12-2011, 12:24)humanist schrieb: Zuersteinmal begeht der Autor einen Kategorienfehler: Der Artikel heißt "Vernunft und Glaube?", handelt jedoch von der Vereinbarung von Vernunft und Theologie.
Der Artikel spricht eine Reihe von Themen an, die auch die Stellung der Theologie umfasst. Mit der alltäglichen Verhaltensweise des Gläubigen hat er in der Tat wenig zu tun; dies hat sich der Autor auch nicht vorgenommen.

Die zentrale Aussage kommt erst gegen Ende.
Christian Tapp schrieb:Bei all den Problemen (den Widersprüchen und ihren Lösungsversuchen) könnte man fragen: Warum überhaupt der ganze Aufwand? Warum denn muss der Glaube all seine Widersprüche auflösen? Warum muss Theologie unbedingt auch Wissenschaft sein wollen? Warum sich nicht einfach auf den Standpunkt privater Überzeugungen und weltanschaulicher Entschiedenheit zurückziehen?
Diese Fragen lassen sich nicht mehr von außen beantworten. Denn sie zielen auf das, was jemanden, vom Standpunkt des Glaubens selbst aus betrachtet, so eng an die Vernunft bindet – und die Theologie so eng an die vernunftgebundene Wissenschaftlichkeit. Deshalb muss im Folgenden von innen her argumentiert werden.
Der christliche Glaube verstand sich immer als ein Glaube für den ganzen Menschen. Er ist, in den Worten von Anselm von Canterbury (1033 – 1109), fides quaerens intellectum – Glaube, der nach Einsicht verlangt. Zentraler Inhalt der christlichen Verkündigung ist ein Heilsangebot Gottes, das nicht nur die emotionale Seite des Menschen betrifft oder nur sein Privatleben oder seine moralische Orientierung. Es geht um den ganzen Menschen. Wo Zustimmung "von ganzem Herzen" verlangt ist, lässt sich die Vernunft nicht am Eingang abgeben.
Dabei geht es letztlich um das Suchen und Fragen des Menschen selbst. Wenn wir in unserem Leben einen Sinn suchen, einen letzten Grund, auf den wir bauen können, einen Halt, ein Fundament, etwas oder jemanden, das/der unsere Welt im Innersten zusammenhält (womit hier einmal nicht die starke Kernkraft gemeint ist), dann suchen und fragen wir ja auch als ganze Menschen. Antworten, die nur einen Teil unseres Menschseins ansprechen, werden über kurz oder lang unbefriedigend bleiben.
Vom christlichen Standpunkt aus liegt der Grund für die Vernunftbindung des Glaubens in Gott selbst. "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott", so beginnt das Johannesevangelium. Es schreibt der göttlichen Schöpfermacht zu, logos zu sein – was nicht nur Wort bedeutet, sondern auch Vernunft oder Sinn. Das nimmt die Aussage von der alles zusammenfügenden, einrichtenden und ordnenden Schöpfermacht Gottes aus der ersten Schöpfungserzählung auf. Der zufolge war die Erde erst "wüst und wirr", dann ordnet Gott sie, schafft Gestirne, Pflanzen, Tiere und den Menschen, "und sah, dass es gut war". Gott ist demnach der Grund für die Ordnungsstrukturen der Welt, sein logos der Grund dafür, dass die Welt für uns verstehbar ist.
Demnach ist deine zu Tapp parallele Feststellung zutreffend, dass Vernunftfreundlichkeit zum Glauben gehört. Was also ist mit den Widersprüchen?

(17-12-2011, 12:24)humanist schrieb: (Tapp) versucht diese Widersprüche mit einer Neuinterpretation aufzulösen. Generell kann er die alten Inhalte jedoch nicht einfach ablegen, wie es die Vernunft nahelegt - der Grund, weshalb Theologie keine Wissenschaft ist.
Tapp legitimiert diese Hermeneutik mit der Ansicht, die alten Texte erheben keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern enthalten eine zeitlose Wahrheit. Kann man machen, ist jedoch willkürlich.
Eben weil in den Glaubenstexten "der ganze Mensch" angesprochen wird, genügt es nicht, einfach die teils grundsätzlichen Widersprüche, wie du schreibst, abzulegen, wie es die Vernunft nahelegt. Nein, die Vernunft verlangt danach, die Umstände (möglichst) aller Menschen zu sehen und zu betrachten. Angesichts großer Verluste muss Religion z. B. auch mal auf wissenschaftlich-statistische Aussagen zugunsten der verletzten Psyche verzichten und notfalls Gott anklagen.
Also, es wird gar nicht darauf ankommen, die im Text genannten Widersprüche vollkommen zu beseitigen, sondern als (durchaus unangenehme, existenzbedrohende) Vielfalt des Lebens zu begreifen.
Deshalb der Theologie die Wissenschaftlichkeit abzusprechen, ist weitgehend unberechtigt. Denn überall dort, wo ein Thema ergebnisoffen erforscht werden kann, ist Theologie durchaus (staatlich zu fördernde) Wissenschaft bzw. Wissen schaffend. Und, so stellt Tapp fest, auch notwendig für die religiöse Offenheit, damit eben keine "abgeschotteten Sonderwelt aus Fideismus, Biblizismus, Kreationismus, Traditionalismus oder gar Fundamentalismus" innerhalb der Gesellschaft entsteht. Dem stimme ich durchaus zu.

(17-12-2011, 12:24)humanist schrieb: Die Frage nach Vernunft und Glaube muss man anders angehen:
Hitchens hatte sich nicht mit der Beweisbarkeit der Existenz eines Gottes rumgeschlagen, sondern die realen Auswirkungen religiösen Handelns moralisch bewertet.
Muss man? Ich behaupte: nein. Man kann selbstverständlich andere Aspekte des sicher schwierigen Verhältnisses zwischen den verschiedenen in der Gesellschaft kursierenden Grundüberzeugungen und der Vernunft hervor heben. Da ist Tapp nicht der Einzige.

Hier geht es aber um die Mühe, die Vielfalt des Erlebens auf der Sachebene einerseits und der psychischen Ebene, zu der auch die jeweilige Grundüberzeugung gehört, andererseits verständlich, d. h. der Vernunft zugänglich, zu machen.

Der recht viele Themen anpackende Artikel gibt eine gute Übersicht und vermeidet viele Einseitigkeitsfallen, in die man selbst so gerne tappt. (Ich schließe mich da gar nicht aus).

Den Schlussabsätzen kann ich mich anschließen:
Christian Tapp schrieb:Inkompatibilität zwischen dem Glauben und einer bestimmten Art von Philosophie liegt meist weniger an der philosophischen Methodik oder dem Arbeitsstil als vielmehr an Inhalten. So ist der ontologische Naturalismus, der behauptet, dass es nur dasjenige gibt, was naturwissenschaftlich fassbar ist, wohl unvereinbar mit dem Glauben. Anders der methodische Naturalismus, der nur fordert, sich in der Naturwissenschaft auf das empirisch Fassbare zu beschränken: Damit sollte eigentlich kein Gläubiger ein Problem haben.

Auf den Punkt gebracht: Eine Religion, deren Gott vom Wesen her vernünftig ist, wird sozusagen von ihrer höchsten Instanz her auf ein positives Verhältnis zur Vernunft festgelegt. Dieses ist freilich kein gemütliches Ruhekissen, sondern dauernder Anspruch, Widersprüche zu beseitigen und Verstehen zu ermöglichen. Der Gläubige muss stets aufs Neue die Spannung aushalten zwischen der Treue zu den Wurzeln und dem Anspruch auf Vernunftmäßigkeit, der zum Kern des christlichen Gottesbilds gehört.

Im Grunde spielt auch der (religiöse) Glaube keine so große Rolle, wie es hier scheinen mag. Denn das soziale Leben des Menschen schließt eine Reihe von Widersprüchlichkeiten ein, die nur nicht so wie eine Bibel niedergeschrieben werden.

Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#5
(18-12-2011, 20:15)Ekkard schrieb: Warum denn muss der Glaube all seine Widersprüche auflösen? Warum muss Theologie unbedingt auch Wissenschaft sein wollen? Warum sich nicht einfach auf den Standpunkt privater Überzeugungen und weltanschaulicher Entschiedenheit zurückziehen?

ja genau!

niemand verlangt das

warum dann aber wird das ständig getan?

widerspruchslosigkeit zu behaupten, wissenschaftliche aussagen treffen zu wollen und sich eben nicht einfach auf den standpunkt privater überzeugungen und weltanschaulicher entschiedenheit zurückzuziehen?

das ist nicht das problem der vernunftdenker, sondern der gläubigen, welche solches betreiben

(18-12-2011, 20:15)Ekkard schrieb: ...
Es schreibt der göttlichen Schöpfermacht zu, logos zu sein – was nicht nur Wort bedeutet, sondern auch Vernunft oder Sinn
...

genau - es schreibt zu

und weiter? was soll daraus folgen, daß irgendjemand irgendetwas zuschreibt?

das sagt noch überhaupt nichts darüber, daß eine solche zuschreibung auch zutreffend wäre in einem sinn, der über persönliches "ich glaub das halt aber" hinausgeht

(18-12-2011, 20:15)Ekkard schrieb: Deshalb der Theologie die Wissenschaftlichkeit abzusprechen, ist weitgehend unberechtigt

aufgrund von was genau sollte man sie ihr zusprechen?

(18-12-2011, 20:15)Ekkard schrieb: Denn überall dort, wo ein Thema ergebnisoffen erforscht werden kann, ist Theologie durchaus (staatlich zu fördernde) Wissenschaft bzw. Wissen schaffend

wo und wie oft ist denn diese ergebnisoffenheit gegeben?

theologische fakultäten unterstehen eben nicht allein dem staat, der sie fördert (finanziert). weshalb dann auch gerne mal theologen rausgeschmissen werden, die eben zu "ergebnisoffen geforscht" haben und zu den herrschenden unangenehmen schlußfolgerungen gekommen sind

(18-12-2011, 20:15)Ekkard schrieb: Auf den Punkt gebracht: Eine Religion, deren Gott vom Wesen her vernünftig ist, wird sozusagen von ihrer höchsten Instanz her auf ein positives Verhältnis zur Vernunft festgelegt

aber welche wäre das denn?

ich kenne keine

und komm mir jetzt nicht mit dem wortspiel "logos" - schau dir lieber an, wie dieser gott weiterhin im at geschildert wird. oder war das ein andere als der des johannes?

anders gesagt: aus der bibel kann man alles herauslesen, was man grade braucht. und auch das jeweilige gegenteil, wenn man will. mit "vernunft" hat das eher wenig zu tun, außer in einem recht zynischen sinn

aber schon klar: wer an einen gott der vernunft glauben will, wird sich einen solchen basteln. kein problem...



einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#6
Hallo Petronius,
ich muss voraus schicken, dass Vieles, wo "Ekkard" davor steht, von Christian Tapp stammt. In der Tat bestand mein Beitrag nur am Rande aus Anmerkungen von mir.

Zur Wissenschaftlichkeit von Theologie:
Theologie ist die Gründungswissenschaft der ersten Universitäten. Zugleich ist sie Quellenstudium, Sprachwissenschaft, historische Forschung, Textkritik, Literaturwissenschaft, und sie bedient sich der naturwissenschaftlichen Methoden.
Tapp kritisiert allerdings auch die "religiöse Bindung" (an die jeweilige Konfession). Mehr kann ich auch nicht dazu beisteuern. Rein gefühlsmäßig ordne ich die Theologie in die Geisteswissenschaften ein. Es ist durchaus in meinem Interesse festzustellen, auf welchem historischen Hintergrund meine Glaubenswurzeln zu entwirren sind. Und da will ich niemanden heran lassen, der sich nicht internationaler, öffentlichen Kritik stellen muss, also wissenschaftliche Universitas!
An den konfessionell "empfindlichen Stellen" möchte ich persönlich auch keine Katholiken haben. Gleichwohl interessieren mich deren Lehr-Erkenntnisse, auch wenn ich in Opposition dazu stehe.

Bestreben im Sinne der Vernunft, Widersprüche aufzulösen:
(20-12-2011, 00:19)petronius schrieb: das ist nicht das problem der vernunftdenker, sondern der gläubigen, welche solches betreiben
Das schreibt Tapp ja auch, indem er darauf hinweist, dass diese Probleme "von innen her" (also aus dem Kontext des Glaubens) zu bearbeiten sind. Gleichwohl ein Gebot, eine Notwendigkeit vernünftigen Denkens.

(20-12-2011, 00:19)petronius schrieb: was soll daraus folgen, daß irgendjemand irgendetwas zuschreibt?

das sagt noch überhaupt nichts darüber, daß eine solche zuschreibung auch zutreffend wäre in einem sinn, der über persönliches "ich glaub das halt aber" hinausgeht
Richtig! Menschen mit der Grundhaltung, dass es eine göttliche Macht gibt, welche die Welt verstehbar (vernünftig) hergestellt hat, müssen sich im dieser Logik (und dem logos) von innen her (Tapp) abmühen. Für dich muss daraus gar nichts folgen - jedenfalls nicht an dieser Stelle.

(20-12-2011, 00:19)petronius schrieb:
(18-12-2011, 20:15)Ekkard schrieb: Auf den Punkt gebracht: Eine Religion, deren Gott vom Wesen her vernünftig ist, wird sozusagen von ihrer höchsten Instanz her auf ein positives Verhältnis zur Vernunft festgelegt.

aber welche wäre das denn?

ich kenne keine
Ist es nicht vernünftig, Diakonie zu betreiben, sozialen Ausgleich anzustreben, Katastrophen-Psychologie zu betreiben, Menschen Halt zu geben, ja auch gewisse gesellschaftliche Regeln?
Klar, es geht weitgehend um "soziale Vernunft" aber eben auch um einen vernünftigen (angemessenen, menschlichen) Umgang mit alten Texten, die nun mal traditionell Grundlagen des Glaubens sind.

(20-12-2011, 00:19)petronius schrieb: anders gesagt: aus der bibel kann man alles herauslesen, was man grade braucht. und auch das jeweilige gegenteil, wenn man will. mit "vernunft" hat das eher wenig zu tun, außer in einem recht zynischen sinn

aber schon klar: wer an einen gott der vernunft glauben will, wird sich einen solchen basteln. kein problem...
Genau dieses Argument ist aber eines für eine universitäre Diskussion über alte Texte (ihre Gegenstände, Riten und Traditionen), die eben nicht von kritikresistenten Autoritäten vor Ort interpretiert und dem Volk vorgekaut werden sollten. (Hier stimme ich Tapp vollkommen zu).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#7
(20-12-2011, 01:12)Ekkard schrieb: ich muss voraus schicken, dass Vieles, wo "Ekkard" davor steht, von Christian Tapp stammt

ja natürlich

ich hab das aber schon so verstanden, daß du tapp nicht zitierst, um ihm zu widersprechen

(20-12-2011, 01:12)Ekkard schrieb: Zur Wissenschaftlichkeit von Theologie:
Theologie ist die Gründungswissenschaft der ersten Universitäten. Zugleich ist sie Quellenstudium, Sprachwissenschaft, historische Forschung, Textkritik, Literaturwissenschaft, und sie bedient sich der naturwissenschaftlichen Methoden

die ersten universitten wurden gegründet, als man von naturwissenschaften noch gar keine ahnung hatte und schlicht alles unter religiösen gesichtspunkten behandelt wurde

und wo sprach-, geschichts-, literartrwissenschaft usw. betrieben wird, und sei es über religiöse themen, so nennt man sie eben
sprach-, geschichts-, literaturwissenschaft und nicht "theologie"

(20-12-2011, 01:12)Ekkard schrieb: Ist es nicht vernünftig, Diakonie zu betreiben, sozialen Ausgleich anzustreben, Katastrophen-Psychologie zu betreiben, Menschen Halt zu geben, ja auch gewisse gesellschaftliche Regeln?

erstens fragt sich, wie und zu welchem zweck das geschieht, und zweitens braucht es dazu keinen gott und keine religion

was also am "glauben" vernünftig ist, sind genau jene aspekte, die mit dem glauben gar nichts zu tun haben und überall anders auch zu finden sind


einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#8
(20-12-2011, 10:03)petronius schrieb: was also am "glauben" vernünftig ist, sind genau jene aspekte, die mit dem glauben gar nichts zu tun haben und überall anders auch zu finden sind
Ich bin sogar von der Äquivalenz (Gleichwertigkeit) vieler traditioneller Glaubensaussagen mit areligiösen Überzeugungen überzeugt. Und umgekehrt. Viele soziale und psychologische (gesellschaftlich wirksame) Gedanken der Moderne finden sich auch in den Religionen.

Tapp erklärt die Dinge "von innen heraus", also unter der Prämisse von Glaubensüberzeugungen (im engeren Sinne). Und richtig ist: Ich widerspreche nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#9
(20-12-2011, 12:27)Ekkard schrieb: Tapp erklärt die Dinge "von innen heraus", also unter der Prämisse von Glaubensüberzeugungen (im engeren Sinne)

das mag er gerne tun. wer hinter allem gott wähnt, wird ihn auch in allem finden

daß vernunft und glaube sich a priori widersprächen, ist nicht meine ansicht. denn es geht um völlig verschiedene bedeutungsebenen - einmal rational und einmal emotional bzw. als empfindung eines urvertrauens keiner rationalen begründung bedürftig (wie z.b. auch die liebe)

den glauben nun also irgendwie aus der vernunft herleiten bzw. die vernunftorientiertheit von glaubensaussagen behaupten zu wollen ist imho so überflüssig wie fragwürdig, insofern ja durchaus auch der vernunft oder den fakten widersprechendes als "glaubensaussage" verkauft wird. bezieht man sich aber selektiv auf nur die anders gearteten aussagen, wird man natürlich in sachen "vernunft und glaube" auch zu genau dem ergebnis kommen, das man schon als prämisse hineingesteckt hat

daß z.b. "Vernunftfreundlichkeit zum christlichen Glauben gehört – und zwar seinem Selbstverständnis nach" (so gibt humanist tapps zentrale these wieder) scheint mir angesichts der historischen evidenz schon eine recht kühne behauptung
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#10
Der Papst hat sich mal zum Thema geäußert :

*http://www.heise.de/tp/artikel/23/23547/1.html
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#11
(20-12-2011, 21:31)petronius schrieb: den glauben nun also irgendwie aus der vernunft herleiten bzw. die vernunftorientiertheit von glaubensaussagen behaupten zu wollen ist imho so überflüssig wie fragwürdig, insofern ja durchaus auch der vernunft oder den fakten widersprechendes als "glaubensaussage" verkauft wird. bezieht man sich aber selektiv auf nur die anders gearteten aussagen, wird man natürlich in sachen "vernunft und glaube" auch zu genau dem ergebnis kommen, das man schon als prämisse hineingesteckt hat
So, wie ich den Artikel von Christian Tapp verstanden habe, geht es nicht um die Herleitung / Uminterpretation von Glaubensaussagen, sondern um die im Glauben enthaltene Prämisse, dass Gott der Welt jene Ordnung mitgegeben hat, die sie der Vernunft zugänglich macht.

Wenn also Glaubensaussagen nicht zu verstehen sind, dann liegt das nicht am Glauben, sondern an einem Mangel. Dieser mag z. B. aus der Epoche der Texterstellung oder aus Widersprüchen des Lebens und der menschlichen Psyche stammen. Tapp widerspricht damit der These, nach des sich Glaube auf die grundsätzliche Unfähigkeit der Vernunft in Glaubensdingen zurück zieht. (Tapp bringt ein altes Lutherzitat, nach der die Vernunft "eine Hur' sei", die den Menschen verführe).

(20-12-2011, 21:31)petronius schrieb: daß z.b. "Vernunftfreundlichkeit zum christlichen Glauben gehört – und zwar seinem Selbstverständnis nach" (so gibt humanist tapps zentrale these wieder) scheint mir angesichts der historischen evidenz schon eine recht kühne behauptung
Wieso? Man muss Fehler der Vergangenheit nicht deshalb tradieren, weil sie lange Zeit als Wahrheiten verkauft wurden.

Zumindest zeitweise galt:
Wissenschaftler und Kirchenleute wie Nikolaus von Kues, zeigen sehr deutlich, dass man sich zu Gott dadurch bekennt, dass man die Welt (die Schöpfung) zu erforschen hat - durchaus in einem modernen Sinn mit Modellbildung und deren mathematischer Durchdringung.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#12
Danke, Mustafa, für den Link! Ich habe aus Zeitgründen nicht alles lesen können, aber der Tenor ist derselbe.

Wir müssten an anderer Stelle einmal klären, was es mit den Glaubensaussagen auf sich hat, die bei Christian Tapp nicht genannt werden, aber immer wieder Streitgegenstand sind wie leibliche Himmelfahrt oder unbefleckte Empfängnis. Solche Aussagen erscheinen unter dem Gesichtspunkt der (analytisch und naturbezogen vorgebildeten) Vernunft als unvernünftig, ja sogar der göttlichen Ordnung widersprechend.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#13
Ich denke, nur weil der Glaube als "vernünftig" angesehen werden kann, kann er von den meisten Gläubigen in unserer Gesellschaft auch geglaubt werden. Sonst wäre der Spagat zwischen Alltagsdenken und Religion zu gross und keiner könnte mehr glauben (oder "vernünftig") leben. "Mythische"
Relikte wie Jungfrauengeburt, Auferstehung werden als gegeben hingenommen oder uminterpretiert. Oder von den ganz "Unverbesserlichen" wortwörtlich geglaubt, wider alle Vernunft sozusagen!
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#14
(21-12-2011, 00:30)Ekkard schrieb: So, wie ich den Artikel von Christian Tapp verstanden habe, geht es nicht um die Herleitung / Uminterpretation von Glaubensaussagen, sondern um die im Glauben enthaltene Prämisse, dass Gott der Welt jene Ordnung mitgegeben hat, die sie der Vernunft zugänglich macht

anscheinend verstehge ich nicht, was hr. tapp überhaupt sagen und wen er wovon überzeugen will

ja nun, wenn er diese prämisse setzen will, so soll er halt. "gott" wird schließlich beliebig ales mögliche zugeschrieben und derlei behauptungen sind bekanntlich ebenso wenig zu widerlegen wie geschichten über unsichtbare grün-rosa karierte elefanten auf der rückseite des mondes

who cares?

(21-12-2011, 00:30)Ekkard schrieb: Wenn also Glaubensaussagen nicht zu verstehen sind, dann liegt das nicht am Glauben, sondern an einem Mangel

z.b. am mangel an vernunft bei der erstellung solcher aussagen

(21-12-2011, 00:30)Ekkard schrieb: Tapp widerspricht damit der These, nach des sich Glaube auf die grundsätzliche Unfähigkeit der Vernunft in Glaubensdingen zurück zieht

aha

wer hat denn eine solch platte these aufgestellt? es kommt ja wohl doch drauf an, was da gerade geglaubt werden soll - der vernunft widersprechendes oder mit ihr vereinbares

(21-12-2011, 00:30)Ekkard schrieb:
(20-12-2011, 21:31)petronius schrieb: daß z.b. "Vernunftfreundlichkeit zum christlichen Glauben gehört – und zwar seinem Selbstverständnis nach" (so gibt humanist tapps zentrale these wieder) scheint mir angesichts der historischen evidenz schon eine recht kühne behauptung
Wieso? Man muss Fehler der Vergangenheit nicht deshalb tradieren, weil sie lange Zeit als Wahrheiten verkauft wurden

man kann sie aber auch nicht leugnen oder gar als beweis des gegenteils verkaufen wollen

aber gut, hat halt der hr. tapp nach zweitausend jahren endlich herausgefunden, was das selbstverständnis des christlichen glaubens sein soll - dem dieser bisher widersprochen hat

(21-12-2011, 00:30)Ekkard schrieb: Zumindest zeitweise galt:
Wissenschaftler und Kirchenleute wie Nikolaus von Kues, zeigen sehr deutlich, dass man sich zu Gott dadurch bekennt, dass man die Welt (die Schöpfung) zu erforschen hat - durchaus in einem modernen Sinn mit Modellbildung und deren mathematischer Durchdringung.

ich würde jetzt das selbstverständis eines glaubens nicht an sorgfältig ausgewählten einzelfiguren festmachen wollen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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