22-09-2012, 22:25
(22-09-2012, 19:22)Richard Bastian schrieb: Angenommen Jesus wäre Gott und die Geschichte wäre wahr so wie sie in der Bibel steht: Warum kommt der vor 2000 Jahren und nicht heute? Die Menschen, so Menschen wie wir, gibt es jetzt seit mind. 200.000 Jahren, warum ist der nicht viel früher gekommen? Warum nicht heute, jetzt?Du bist viel zu sehr fixiert auf die historische Faktizität von Mythen und Legenden. Theologische Texte deuten eine bestimmte, historische Situation – und wir können uns nur fragen, ob eine solche Deutung oder Teile davon heute relevant sein kann bzw. können.
Die zu deutende Situation war um Jesu Wirken herum gekennzeichnet durch die Besatzung Palästinas durch das Regime „Rom“. Insbesondere die jüdische Bevölkerung litt doppelt einmal durch die Steuern, durch Willkür und Fremdverwaltung, zum Anderen religiös, geistlich. Es bestand eine tiefe Sehnsucht, in Ruhe und Frieden ihren Glauben und ihre Bräuche zu leben. Jesus lehrte eine Zeitenwende hin zu einem (jüdisch geprägten) Friedensreich (natürlich ohne das Regime „Rom“!). Das Problem bestand mindestens seit dem Jahre 70 darin, dass Rom militärisch nicht abzuschütteln war. Also wurde das Regime gewissermaßen „unterwandert“ durch straff organisierte Gemeinden quer durch das römische Imperium – immer den Blick streng ausgerichtet auf die „Zeitenwende“. Und im römischen Reich gab es neben den Juden auch andere unterprivilegierte Menschen zuhauf! Alle sie ließen sich in für die Regierung in Rom beängstigendem Umfang durch die Botschaft anstecken. Der Rest ist bekannt: Rom integrierte das Christentum und machte eine Staatsideologie daraus, die bis heute in den Köpfen herum geistert.
Die christliche Lehre beinhaltet, auf den Punkt gebracht nur eins: Die goldene Regel für alle – insbesondere auch die Herrscher! Vom politisch verstandenen Friedensreich Jesu ist praktisch durch die Integration als Staatsreligion nichts geblieben – bis heute.
Ob Jesus Gott ist, warum er nicht vor 200000 Jahren erschienen ist, warum zu Juden und Römern oder warum nicht heute? – Alles irrelevanter Firlefanz! Der Glaube (die Beziehung des Individuums zum Allgemeinen) hängt davon nicht ab.
(22-09-2012, 19:22)Richard Bastian schrieb: Warum kommt ca. 500 Jahre danach ein anderer Prophet?Land und Leute im arabischen Raum hatten eine Situation, die die Menschen nach neuen Wegen suchen ließ. Ich weiß nicht, welche Beweggründe die ersten Eiferer für den neuen Propheten hatten. Immerhin müssen sie sehr gute Motive gehabt haben. Anderenfalls kommt eine solche Bewegung nicht in Schwung.
(22-09-2012, 19:22)Richard Bastian schrieb: Jesus könnte Sich ohne Probleme ins Internet oder auf alle TV-Satelliten draufgeben, sodass überall zur gleichen Zeit für wer weiß wie lange nur sein Kanal zu sehen wäre, warum tut er das nicht? Kann er das nicht?Das Problem bei derartigen Fragen ist das Weltbild, das zumeist aus dem Volksglauben stammt, der nach Konkretisierungen schreit. Religion oder allgemeiner Weltanschauung ist jedoch die „Beziehungskiste“ der Menschen zum Allgemeinen. D. h. ein Mythos hat die Aufgabe das Denken über „den Menschen“ so zu gestalten, dass das Individuum in seiner Gesellschaft möglichst „gut“ (anständig, höflich, rücksichtsvoll, eingebunden) lebt. Wir erleben das ganze Gegenteil in dem Augenblick, wo Gesellschaften verschiedener Weltanschauungen aufeinander treffen. Sofort werden wir misstrauisch, ablehnend, hasserfüllt, planen Kriege.
(22-09-2012, 19:22)Richard Bastian schrieb: Warum hat Gott nur einen Sohn und keine Tochter? Sind Frauen weniger wert als Männer?Das ist selbst bei deinem heiß geliebten Islam so. Die Antwort ist simpel und steht schon im Forum. Religion ist immer auf den ihr eigenen gesellschaftlichen Kontext bezogen! Und dreimal darfst du raten, wer dort relevant und öffentlich etwas kund tun durfte.
(22-09-2012, 19:22)Richard Bastian schrieb: Und wenn der schon alle Sünden auf sich geladen hat warum leben wir denn überhaupt noch?Auch hier gilt: Was wir einander nicht vergeben können, ist grundsätzlich erst einmal nicht vergeben. Gott oder nicht.
Wo doch alles vergeben wird wenn man daran glaubt.
(22-09-2012, 19:22)Richard Bastian schrieb: Angenommen das alles stimmt nicht: Sind wir denn wirklich selbst für unser Tun verantwortlich?So, wie du hier Religion verkündest, stimmt sie tatsächlich nicht – viel zu sehr mythenverhaftet, viel zu wenig gegenwärtig, zu wenig „geerdet“, wie es im Christenjargon heißt. Unsere Probleme sind nicht Gott, Götter, himmlische Institutionen, Trinität und was der mythischen Gegenstände und Institute mehr sein mögen, sondern praktisches Tun, Verhalten anderen gegenüber, Zuhören, Ausgleichen, …
(22-09-2012, 19:22)Richard Bastian schrieb: Jetzt forschen wir schon 200.000 Jahre lang und haben immer noch keine Antwort darauf ob es Gott gibt oder nicht, sind diese Forschungen in dieser Richtung vielleicht sinnlos?Die Frage nach Gott ist überraschend kurz, gemessen an der Menschheitsgeschichte. Denn eigentlich taucht sie erst im Mittelalter auf. Vorher stand Gott, standen die Götter selten zur Debatte. Erst in der Neuzeit, vermutlich sogar erst seit der Aufklärung hat man die Gottesbeweise zu führen versucht, schließlich als nutzlose Gedankenspielerei erkannt – und aufgegeben.
Zum Schluss der Kürze wegen: kursiv = Frage Richard-Bastian, normaler Text = Antwort Ekkard
Sind Propheten nötig oder waren alle nutzlos? Nein, es ging immer um die Kritik an Herrschaftsstrukturen bis hin zu deren Zerstörung.
Können wir nicht alle unsere Gesetze selbst erarbeiten? Das tun „wir“ zumal in einer Demokratie.
200.000 Jahre lang keine Gesetze für Moral, warum hat die Menschheit überlebt? Falsch, Moral hat es immer gegeben, seit Menschen in Horden leben – manchmal sehr grausame Moral!
Sind Moralgesetze nötig? Oder haben diese Gesetze unsere selbstverständlich gewesene Moral verdorben, abgetötet? Wie bitte? – „selbstverständliche Moral“? Wovon träumst du?
Oder ist hier in Deutschland nichts besonders? So ist es!
Warum ist dann der Papst heute ausgerechnet einer aus Deutschland? Zufällige kirchenpolitische Konstellation!
Was wäre wenn Jesus wiederkommen würde und er wäre auch ein Deutscher?Jesus kommt nicht so wieder, wie der kleine Palästinenser von einst. Das ist ein Mythos, eine Richtschnur für stetig verantwortliches Handeln.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard