(28-02-2017, 00:35)Gundi schrieb: Man muss doch auch schauen, wie Begriffe definiert sind. So heißt es bei Wikipedia: "Religion ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente Kräfte ist... ."
Hier waere es doch eine gute Frage, was eine tranzendente Kraft denn eigentlich ist? Der Widerspruch zwischen Glauben und Evolution entsteht doch eigentlich erst, wenn eine solche transzendente Kraft Mikromanagement betreibt.
Bei so etwas finde ich es immer gut, wenn man einfach mal die theoretische Vorstellung betrachtet, unsere Welt sei nicht real, und wir wuerden in einer fortgeschrittenen Simulation leben*. Eine solche Simulation wuerde den Regeln folgen, die der Programmierer festgelegt hat, aber an und fuer sich die eigentlich sichtbaren Ergebnisse erst durch die Simulation selbst produzieren. Evolution folgt ja im Prinzip einem sehr simplen Algorithmus. Wer auch immer die simulierte Welt geschrieben hat, waere von innerhalb der Simulation nicht zu sehen, da die Simulation dafuer keine Moeglichkeiten eingebaut hat; er waere also transzendent. Die simulierte Welt ist auch erst in dem Moment entstanden, in dem die Simulation gestartet wurde. Die Bedeutung des tranzendenten Programmierers fuer die Simulation wuerde davon abhaengen, welchen Sinn diese haette. Ist der Programmierer nur am Resultat der Simulation interessiert und laesst die einfach laufen? Ist das eher ein Spiel und er greift direkt ein? Eine Religion wie das Christentum haette sich nach offizieller Lesart hier fuer die Spielvariante entschieden. Allerdings wurde das unter Glaeubigen schon immer untersdhiedlich gesehen, und die Deisten der Aufklaerungszeit hatten sich z.B. von der Vorstellung des Mikromanagements bereits verabschiedet und sich fuer die andere Variante, also Gott als simplen "Anstosser", entschieden.
Diese Unterschiede sind schon in der Bibel selbst angelegt. Du kannst sehen, dass die verschiedenen Texte dort weit auseinanderliegende Vorstellungen davon hatten, inwieweit Gott eigentlicht direkt in das Leben der Menschen eingreift. Ich denke mal, die Glaeubigen heutzutage liegen diesbezueglich ebenfalls auf einer breiten Skala. Insofern sehe ich da jetzt keine grundsaetzlichen Schwierigkeiten fuer einen Glaeubigen, sich vorzustellen, dass die Welt nach von Gott aufgestellten Regeln laeuft auch ohne, dass er da jeden kleinen Schritt entscheiden wuerde.
*Das soll jetzt nur als rein theoretische Ueberlegung gedacht sein. Es ist mir klar, dass ein Simulationsmodell letztlich auch nur einen infiniten Regress à la Turtles all the way down erzeugt und in dieser Hinsicht gedanklich nicht allzu weit von der bei Kreationisten beliebten Uhrmacher-Analogie entfernt ist, weshalb man das Modell nicht ueberbewerten sollte.