(10-08-2020, 09:42)Davut schrieb:(09-08-2020, 23:06)ha’adam schrieb:(09-08-2020, 21:33)Davut schrieb: Wie viele Bilder eines rachsuechtigen Gottes der Bibel soll ich Dir als "traumatisierter Typ" liefern?
Ein fachliches Video zum Thema Übersetzungen in dieser Frage hatte ich Dir gepostet - Du musst jetzt nicht den Suppenkasper mimen.
Das Video beantwortet meine Frage nicht - abgesehen davon, dass man nicht irgendwelche ominösen Videos braucht, um das Gottesbild des Alten Testaments nachzuzeichnen. Die Texte vom 1.Mos bis Richter zeichnen den rachsüchtigen Gott selbst deutlich genug. Die versteht jeder.
Da ja ha'adams einziges Argument ist, dass jeder, der seiner Ansicht nicht folgt, nicht auf der Hoehe der Wissenschaft ist, hier kurz eine Einordnung der Aussage.
Die Ansicht, das Konzept "Strafe" sei im AT nicht zu finden, ist ein Produkt der evangelischen Rechtfertigungstheologie, das nach dem zweiten Weltkrieg aufkam. In Deutschland war es wohl der Theologe Klaus Koch, der das mit seiner Postulierung des Tun-Ergehen-Zusammanhangs (der Religionspaedagoge Siegfried Zimmer benutzt in dem Video "Tat-Folge-Zusammenhang") anstatt des "westlichen" (das schliesst das antike griechische Denken ein) Strafgedankens zuerst formuliert hat, und unabhaengig von Koch noch ein daenischer Theologe.
Der wahre Kern hier ist wohl, dass im Hebraeischen grundsaetzlich ein engerer Zusammenhang zwischen der Tat und ihren Folgen besteht, also ein gewisser Automatismus. Wenn der werte Herr Zimmer uns aber erzaehlen will, dass das dem Strafgedanken grundsaetzlich entgegensteht, bricht das Modell spaetestens dort zusammen, wo es um das Strafwesen (ja, ich benutze den Ausdruck), das in der Tora angelegt ist, geht. Dort, wo es nur um Restitution geht, wie bei Diebstahl etc., kann ich dem guten Herrn Zimmer noch folgen; aber wenn er uns dann die Steinigung als direkte, nicht von Dritten auferlegte Folge von Gotteslaesterung verkaufen moechte, und nicht als Strafe, die in irgendeinem Gesetz festgelegt waere, hat er den Bogen endgueltig ueberspannt. Bei der Paradiesgeschichte laesst er die problematischen Passagen einfach aus.
Das mag alles gut gemeint sein (naemlich, um das Bild eines liebenden Gottes zu retten), aber hier wird mal wieder ein Konzept so ueberstrapaziert, dass es wieder falsch wird. Den Glauben an diesen Tat-Folge-Zusammenhang hatten die Menschen aber schon zur Zeit des AT verloren; das Buch Kohelet verwirft den Gedanken vollkommen, Ijob (Hiob) glaubt eh nicht daran, und das staendige Plaedieren in "Sprueche" zeigt auch ein Bild, dass das Konzept verteidigt werden musste, weil es offensichtlich nicht funktionierte. Im NT (und einigen Vorgaengertexten) wird die Folge dann endgueltig ins Jenseits/auf das Juengste Gericht vertagt.
Wie auch immer, der verlinkte Vortrag macht die Schwaechen dieser Idee ueberdeutlich. Da nuetzt es auch nichts, dass der gute Herr Prof. Zimmer dieselben Saetze x-mal wiederholt (wirklich, das Video haette man auf die Haelfte kuerzen koenne, oder sogar noch viel weniger, wenn die erste halbe Stunde zum deutschen Strafwesen weggefallen waere; zum Thema kommt er um die Minute 27); die Wiederholungen machen sie auch nicht richtiger.