Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Was ist Materie ? Was ist Materialismus ?
(25-12-2020, 10:44)Felix schrieb: @Holmes: Dein Beitrag #68

Physiker, die an die Echtheit von Geisterfotos aus spiritistischen Sitzungen glauben, ordnen diese Geister und ihre Welt nicht einer Transzendenz in dem von dir zitierten Sinne zu, sondern einem bislang nicht zugänglichen Frequenzbereich.

In der Mathematik, die weder der Naturwissenschaft noch der Geisteswissenschaft eindeutig zugeordnet wird, gibt es den Begriff der transzendenten Zahl. Hier ist der Transzendenzbegriff kaum mehr als eine Zufallsbezeichnung, die auch anders lauten könnte.

Alleszermalmer Kant, den du so sehr schätzest, befasst sich in seiner kleinen vorkritischen Schrift "Träume eines Geistersehers" (1766) ablehnend mit den okkulten Lehren des Emanuel Swedenborg. Drei Jahre zuvor, am 10.08.1763, schrieb er noch bewundernd an Fräulein Charlotte von Knobloch in einem ausführlichen Brief, den man sich im Internet auf 7 Seiten herunterladen kann: "Die folgende Begebenheit scheint mir unter allen die größte Beweiskraft zu haben und benimmt wirklich allem erdenklichen Zweifel die Ausflucht."

Es folgt die Beschreibung, wie Swedenborg sich am 19.07.1759 in einer Gesellschaft von mehreren Dutzend Leuten in Göteborg befindet, auf einmal unruhig wird und den Anwesenden entsetzt berichtet, wie gerade in seiner 400 Kilometer entfernten Heimatstadt Stockholm, wo er ein Haus besitzt, ein schrecklicher Brand wütet. Diese Vision erweist sich später als zeitgenau erfolgte Tatsache. Damals gab es noch kein Telefon.

Unsere Materie ist somit für Gedankenkräfte, also Geistiges, ohne technische Hilfsmittel durchlässig. Okkultisten freuen sich über ihren Gewährsmann Kant und zitieren ihn gerne. Auch Sigmund Freud, der sich über die "okkulte Schlammflut" beklagte, war sich nicht sicher, was es mit der Telepathie auf sich habe.

Die Unterscheidung zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft halte ich für sehr irreführend, denn es gibt auch genügend Philosophen welche selbst Naturalisten sind und weder einen Geist noch einen anderen Supranaturalismus zulassen. Streng genommen fällt die Naturwissenschaft auch in den Bereich der Philosophie, so sehe ich das. Sie bedient sich einer spezifischen philosophischen Methode und auch ein Naturwissenschaftler stellt gern viele philosophische Fragen, deshalb nannte Newton sein Werk ja auch "die mathematischen Grundlagen der Naturphilosophie". Bis ins späte 19. Jh. hat man die Physik als auch Teilgebiet der Philosophie betrachtet und mit dem Erfolg von vielen Wissenschaftlern wurde daraus dann eine einzelne spezifische "Disziplin".

Manche theoretische Physiker kann man auch kaum noch von Mathematikern/Philosophen unterscheiden. Hawking war eins dieser Beispiele, denn er gab der Philosophie gerne immer einen schönen Sidekick und diskutierte gerne über Gott und die Welt mit Roger Penrose oder Karl Popper. Penrose selbst diskutiert auch gerne mit Philosophen und nennt sich selbst einen "Platoniker" und das überrascht mich kaum, denn Philosophie und Physik sind sehr nah beieinander. 

Auch aktuellere, beziehungsweise, direktere Debatten gab es mit Hawking und der Philosophie, denn da ging es auch um das Thema, welches wir schon in dem anderen Thread der Philosophie hatten, also um den wissenschaftlichen Realismus und dieser ist auch für die Physik äußerst interessant. Schaut man sich Berichte aus der Fachzeitschrift "Nature" an, dann findet man folgendes -

"Vier Jahre später war es dann auch nicht Hawking, sondern sein früher wissenschaftlicher Koautor George Ellis zusammen mit Joe Silk, die in der Zeitschrift „Nature“ dazu aufriefen, die „Integrität der Physik“ gegen diejenigen zu verteidigen, die experimentelle Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Theorien durch theoretische Eleganz und Erklärkraft ersetzen wollen."

und der Artikel geht auch interessant weiter: "Hawking hatte derweil die Philosophie zwar wiederholt als „tot“ bezeichnet, tummelte sich selbst aber weiterhin in einem ihrer Kerngebiete: der Diskussion des wissenschaftlichen Realismus. Seine Position eines „Modell-abhängigen Realismus“ – der Idee, dass es keine eindeutige Version der Realität jenseits von Modellvorstellungen gibt – sollte einen Ausweg aus der traditionellen Entgegensetzung von Realismus und Antirealismus weisen. Seine Ausbuchstabierung dieses Weges ließ aber die notwendig präzisen begrifflichen Mittel vermissen – die ihm die totgesagten Kollegen aus der Philosophie wohl hätten liefern können." Link zum FAZ-Artikel

Die Philosophie bietet also immer noch einen sehr schönen "Werkzeugkasten" für die Physik und dazu gehört immer noch die Wissenschaftstheorie, welche für einen theoretischen Physiker tatsächlich von großem Interesse sein kann. 

Zu deiner Kant-Geschichte noch kurz. Kant hat seine Kritik der praktischen Vernunft relativ spät fertiggestellt. Was Kant da geschrieben hat wird er wohl nachdem er seine Kritik geschrieben hat verwerfen, denn dort wird eindeutig festgelegt wie mit so einem "Ereignis" zu verfahren ist. Auch David Hume hatte eine schöne Philosophie bzw. Position zu Wundern:

"[i]„Um aber die Wahrscheinlichkeit gegen die Zeugenaussage zu steigern, wollen wir annehmen, dass die behauptete Tatsache, anstatt nur erstaunlich zu sein, wirklich ein Wunder ist, und ebenso, dass das Zeugnis für sich betrachtet einem vollen Beweis gleichkäme.“, Hume [/i]

Und dann gibt es noch aus einer Seminararbeit folgenden Schluss den ich gefunden habe, welchen ich für äußerst überzeugend halte:

  "Im Anschluss daran definiert Hume ein Wunder als eine Durchbrechung der Naturgesetze und stellt fest, dass ein Wunder daher den denkbar größten Grad an Unwahrscheinlichkeit besitzt, weil es auf natürlichem Weg ohne Eingriff in die Gesetzmäßigkeiten der Natur unmöglich sei und ein Wunder immer allen Erfahrungen widerspreche. Laut Hume sei die Unwahrscheinlichkeit der Täuschung oder der Lüge des Zeugen, die mit der des Wunders konkurriert, maximal gleich groß aber auf keinen Fall größer, da Täuschung oder Lüge nicht den Gesetzen der Natur widersprechen."

Hume folgert daraus, dass prinzipiell die Existenz von Wundern möglich sei, dennoch aber der Beweis einer Durchbrechung der Naturgesetze nicht leistbar wäre, da die Unwahrscheinlichkeit eines Wunders immer schwerer wiegen würde als die Unwahrscheinlichkeit einer Lüge oder einer Täuschung durch den Zeugen. Positiv formuliert: Letzterer Fall besitzt eine größere Wahrscheinlichkeit als das Auftreten eines Wunders." Wunderkritik vom Hume - Seminararbeit Link


Diese Zeugenaussage oder dieses Ereignis welches du also genannt hast fällt genau in dieses Schema.


Nachrichten in diesem Thema
RE: Was ist Materie ? Was ist Materialismus ? - von Davut - 19-12-2020, 14:16
RE: Was ist Materie ? Was ist Materialismus ? - von Davut - 20-12-2020, 01:28
RE: Was ist Materie ? Was ist Materialismus ? - von Holmes - 26-12-2020, 19:52
RE: Was ist Materie ? Was ist Materialismus ? - von Davut - 27-12-2020, 21:58

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Materialismus versus Bibel Sinai 126 84802 16-04-2019, 12:43
Letzter Beitrag: Sinai

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste