Ekkard schrieb:Nochmals zurück zu den Beispielen von Moski: Es ist einfach eine unzulässige, populistische Redeweise, hier von "Unterwanderung" zu reden und jedesmal die Frage anzuschließen: "Einzelfall?"
Der unzulässige Redestil suggeriert Abweichungen von unserem normalen Rechtssystem. Dies ist jedoch nicht der Fall. Jeder Angeklagte hat das Recht, individuell gehört zu werden. In erster Linie geht es darum, die Positionen der Kontrahenten "ausreichend zu würdigen". Selbstverständlich spielen dabei Herkunft und Tradition eine Rolle - wie bei ur-deutsch-christlichen Bürgern auch. Die Zahl der nach außen unverständlich erscheinenden Urteile ist daher recht hoch. Ganz selbstverständlich trifft diese Aussage auch auf Urteile zu, die sich im muslimischen Milieu abspielen.
Gut. Machen wir's konkret.
Du bist als Schöffe bei Gericht bestellt. Vor dir steht ein Mann, der seine Frau ins Koma geprügelt hat. Nach drei Wochen stirbt die Frau, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Da kein niederer Beweggrund (Mordlust, Geschlechtstrieb, Habgier etc.) nachzuweisen ist, fällt Mord (§ 211 StGB) weg. Also Totschlag (§§ 212, 213 StGB) oder schwere Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB).
Nun kommt der Mann aber aus dem östlichen Afrika (Sudan, Tschad, Somalia oder so). Dort gibt es Stämme, nach deren Sitten und Gebräuchen das Verstoßen der Ehefrau, die Ehebruch begangen hat, durchaus üblich ist. Das Verstoßen ist dabei nichts weiter als das Aussetzen der Frau in der Wüste, was meist gleichbedeutend mit dem Tod ist - von daher wird das direkte Totschlagen der Ehefrau im gleichen Maße akzeptiert. Von daher hat der Mann gemäß seines von Kindheit an erlernten Verhaltenskodex reagiert.
Nun darfst du als Schöffe Urteil und Strafmaß festlegen. Was machst du?
Schaltest du den Wertehintergrund des Angeklagten aus, weil hier in Deutschland niemand einen anderen Menschen totschlagen darf? Entscheidest du dich für Totschlag, was mindestens fünf Jahre Gefängnis bedeutet?
Oder berücksichtigst du die Gesetze, die der Mann von kleinauf an gelernt hat, verhängst eine Strafe gemäß § 226 StGb von drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden? Und wie machst dieses Urteil den Eltern der Toten klar? Dass der Angeklagte aufgrund seiner Herkunft das Recht hatte, seine ungetreue Ehefrau umzubringen?
Wie hast du geschrieben:
Ekkard schrieb:Jeder Angeklagte hat das Recht, individuell gehört zu werden. In erster Linie geht es darum, die Positionen der Kontrahenten 'ausreichend zu würdigen'. Selbstverständlich spielen dabei Herkunft und Tradition eine Rolle.
Wenn dir jemand ins Haus einsteigt und dich beraubt, weil das bei ihm zuhause durchaus üblich ist, dann akzeptierst du das also? Eine hehre Haltung, muss ich schon sagen.
Aber genau das - der Einfluss von Normen und Regeln, die unserem Wertekanon völlig zuwider laufen - muss m.E. verhindert werden. Eine gegenteilige Bewegung ist aber im Gange.
Grüße
Moski
Ich bin gegen Religion weil sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen (Richard Dawkins)

