30-07-2009, 10:28
(29-07-2009, 20:15)petronius schrieb: vergessen wir aber nicht das eigentliche thema des threads ...Mein Glaube kommt ganz sicher nicht allein aus meiner Tradition. Ich habe sehr lange Zeit in direkter Opposition zum tradierten Glaubensbetrieb gestanden, mir andere Glaubensrichtungen angesehen und bin von nichts davon "begeistert" worden. So kann ich sehr gut verstehen, wenn Menschen "nicht glauben" (im religiösen Sinne).
aus tradition? also einfach glauben, was einem halt immer erzählt worden ist?
(29-07-2009, 20:15)petronius schrieb: käme mir merkwürdig vor (könnte ich als grundsätzlich kritischer mensch nicht nachvollziehen, wäre insofern ein glaube, den ich "nicht ernst nehmen könnte", weil ihm imho die basis, die begründung, fehlt)Über diesen Zusammenhang ("Glaube durch Begründung") habe ich lange nachgedacht. Wie kann man Glaube begründen? Die Lösung dieses Problems ist mir in einem ganz anderen Zusammenhang klar geworden, nämlich bei der Philosophie des Fragens. Fragen grenzen das Denkmögliche ein, und sie geben eine Antwortmenge vor, die auch leer sein kann. Ferner: Auf welcher Grundlage denken wir überhaupt?
Verknüpft man das Problem mit dem Fragen und die Grundlagen des Nachdenkens, dann ergibt sich eine seltsam erscheinende Aussage:
Für das, was wir im innersten Kern glauben, gibt es keine Begründung. Sondern dieser Kern ist seinerseits der Grund für unser Fragen und Denken. Dieser Kern ist hochgradig gefühlsbesetzt und definiert unsere Motivation, unsere Handlungsbereitschaft, die Dinge, die wir vermeiden, durch die wir uns selbst definieren – gewissermaßen der persönliche Mythos.
Das Einzige, was diesen Kernbereich verändern kann, sind Wirkungsgeschichten, keine logischen Erklärungen. Denn „logisch“ erscheint nur, was sich mit Hilfe der im Kern (implizit) gespeicherten Prinzipien ergibt, sofern man sich dieser Prinzipien bewusst wird und zu logischer Überlegung überhaupt in der Lage ist. Spontane und gefühlsmäßige Reaktionen dürften die Mehrzahl der Fälle ausmachen.
Evolutionsbiologisch erscheint mir diese Verhaltensweise auch erklärbar. Mit Hilfe dieser Reaktionen können wir Situationen rasch beurteilen und entscheiden. Wichtig ist dies natürlich besonders für Gruppen von Menschen, die gemeinsam etwas tun müssen (z. B. Jagen, Essen zubereiten, Wohnplatz finden, Bauen, Fliehen).
(29-07-2009, 20:15)petronius schrieb: aus rationaler überlegung heraus, also: weil das und das so und so ist, muß es einen gott geben?Hier liegt ein Missverstehen des Glaubens vor, so wie ich ihn verstehe. Es muss überhaupt keinen Gott geben. Sondern ich frage danach, wie mein „innerster Kern“, mein „persönlicher Mythos“ funktionieren soll. Oder welche Prinzipien dort drinnen stecken und ob dies alles so sein soll, so wie es ist – oder war. Wie gesagt: Veränderbar ist der Kern, aber eben nur entsprechend der Wirkungsgeschichte, oder, wenn man sich dessen bewusst wird, durch eine vorweg genommene Wirkungsgeschichte. Und man muss das eigene Fühlen mitnehmen, sonst wird das nichts und bleibt aufgesetzt.
Jetzt könnte ich des Langen und Breiten über meine Prinzipien sprechen. Das kann ich aber sehr zusammenfassend tun, indem ich auf eine ganzheitliche Vorstellung des Guten und Wahren, der Liebe und Achtung, des Vernünftigen und Einsichtigen, kurz Gott, verweise. Ich betone: Dazu gibt es keine Herleitung sondern nur den persönlichen Mythos, der sich durch meine weitere Lebensgeschichte langsam ändert, so, wie ich (vielleicht) neue Einsichten gewinne.
Eine ist mir besonders in Erinnerung: Die Akzeptanz der ganzen Sexualität, solange sie sich nicht gegen die Liebe, Achtung und körperliche Unversehrtheit anderer richtet. Der Prozess war nicht so ganz einfach, weil es eben in der äußeren Tradition eine massive Ablehnung gab.
(29-07-2009, 20:15)petronius schrieb: nun - ich habe noch keine derartige logische herleitung (des Glaubens) erlebt, die mir ausreichend schlüssig oder gar zwingend erschienen wäreEs gibt auch keine solche Herleitung. Allein schon mit den Fragen nach Glaubensinhalten beginnt eine Beschneidung des Denkmöglichen.
(29-07-2009, 20:15)petronius schrieb: bleibt also der glaube aufgrund persönlichen erlebens. heißt: auf die eine oder andere weise ist jemandem etwas widerfahren, was für ihn nur einen schluß zuläßt: da hat gott zu mir gesprochen/gehandelt/sich bemerkbar gemacht.So etwas ist mir noch nie in einer „umwerfenden Weise“ passiert. Ich will nicht bestreiten, dass dies möglich ist. Viele kleinere Fügungen und mein persönlicher Mythos würden dazu passen. Aber „zwingend“? – Nein.
Auch eignet sich der persönliche Mythos nicht für andere. Dazu ist er auch nicht da. Sondern es geht darum, sich in einer komplexen, gesellschaftsbezogenen Welt durchzulavieren (etwas lax ausgedrückt) d. h. zu überleben.
Mein persönlicher Mythos bedarf eines tiefen, allgemeinen Grundes, der möglichst alle Prinzipien umfasst, dessen was gut ist (wahrscheinlich eher dessen, was wahrscheinlich gut ist – man weiß das ja nie genau). Und ich kann mir persönlich eine leere Uhrwerk-Welt nicht so gut vorstellen, weil schon jeder Mensch „Person“ ist. Warum also voraus setzen, dass in allen Lebenslagen das „große Gute“ hinter mir steht“.
Man beachte, dass jenes, das „hinter mir steht“ nichts Transzendentes ist, sondern aus den Jahrhunderttausenden der Menschheitsentwicklung, den Jahrtausenden mit Tradition des christlichen Glaubens und den Jahren meines persönlichen Lebens gespeist wird. Überschritten wird nur meine ganz persönliche Erfahrung, sonst nichts.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard