25-11-2010, 11:13
Woher rührt die strenge christliche Position in dieser Frage?
Biblisch ist die von der (kath.) Kirche so eindeutig ausgesprochene Verurteilung des Selbstmords nicht auszumachen. Im AT wird er vielmehr als Ende eines gottgewollten tragischen Lebensschicksals gesehen, wie beispielsweise bei Simson (Ri 16, 28ff.) oder bei Saul (1Sam 31, 4f.). In 2Makk 14, 37-46 wird Selbstmord als vorbildlich-heldenhafte, nachahmenswerte Tat geschildert, in Mt 27, 5 als Selbstbestrafung für den begangenen Verrat.
Woher kommt also das überaus strenge Urteil, das die Kirche über den Selbstmörder spricht? Einige Kirchenväter (Chrysostomos, Eusebius, Ambrosius) haben Frauen, die sich umbrachten, um Verfolgungen (Schändung, etc.) zu entgehen, noch in die Gemeinschaft der Heiligen eingehen lassen!
Meiner Meinung nach beantwortet das Studium antiker griechischer Texte die Frage.
Sokrates war es, der behauptet hatte, der Mensch stünde in der Verfügung der Gottheit und dürfe dem ihm zugewiesenen Schicksal nicht entfliehen. Sich selbst zu töten, dazu fehle ihm die Berechtigung (Platon, Phaidon 62 c-d). Platon selbst bekräftigte dieses Gebot und erklärte den Selbstmord für ein strafwürdiges Vergehen (leg. IX, 873 c-d).
Aristoteles sah im Selbstmord ein tadelnswertes Verhalten der Gemeinschaft gegenüber, er bewertete ihn als eine Handlung moralischer Unbeherrschtheit (EN 1138a 4-14).
Epikureer und Stoiker hingegen vereidigten das Recht auf Selbstmord mit dem Hinweis auf die Freiheit des Menschen und sein Selbstbestimmungsrecht (zB Seneca, ep. 70).
Die epikureisch-stoische Position ablehnend und der platonisch-aristotelischen folgend fand Augustinus sein Argument gegen Selbstmord in (erweiterter) Auslegung des biblischen Tötungsverborts (civ. I, 17-27).
Die Synoden von Arles (452) und Braga (563) erklärten den Selbstmord schließlich zum Verbrechen.
Sich auf Th. V. Aquin berufend (S. th. II-II 64, 5), wonach Gott Herr über Leben und Tod, das Leben als Leihgabe Gottes zu betrachten und der Mensch für seine Lebensspanne Gott gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet sei, hat die moraltheologische Tradition mit den Hinweisen argumentiert, dass dem Menschen kein absolutes Verfügungsrecht über sich selbst zukomme, der Selbstmord über die gebotene Selbstliebe und den Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber, der er angehöre, verstoße. Der Mensch habe in Beachtung der Souveränität Gottes in prekären Lebenssituationen auszuharren und Mangelsituationen hinzunehmen.
Auf das letztverfügte dogmatische Dokument (der kath. Kirche) zum Selbstmord habe ich schon in #5 hingewiesen.
Übrigens:
Der Islam verurteilt den Selbstmord ebenso unerbittlich und eindeutig wie das Christentum. Es ist daher unsinnig, den im Westen verwendeten Ausdruck "Selbstmordattentäter" für Dschihadisten, die meinen, einen Heiligen Krieg zu führen (und sich somit als Märtyrer verstehen), zu gebrauchen.
Biblisch ist die von der (kath.) Kirche so eindeutig ausgesprochene Verurteilung des Selbstmords nicht auszumachen. Im AT wird er vielmehr als Ende eines gottgewollten tragischen Lebensschicksals gesehen, wie beispielsweise bei Simson (Ri 16, 28ff.) oder bei Saul (1Sam 31, 4f.). In 2Makk 14, 37-46 wird Selbstmord als vorbildlich-heldenhafte, nachahmenswerte Tat geschildert, in Mt 27, 5 als Selbstbestrafung für den begangenen Verrat.
Woher kommt also das überaus strenge Urteil, das die Kirche über den Selbstmörder spricht? Einige Kirchenväter (Chrysostomos, Eusebius, Ambrosius) haben Frauen, die sich umbrachten, um Verfolgungen (Schändung, etc.) zu entgehen, noch in die Gemeinschaft der Heiligen eingehen lassen!
Meiner Meinung nach beantwortet das Studium antiker griechischer Texte die Frage.
Sokrates war es, der behauptet hatte, der Mensch stünde in der Verfügung der Gottheit und dürfe dem ihm zugewiesenen Schicksal nicht entfliehen. Sich selbst zu töten, dazu fehle ihm die Berechtigung (Platon, Phaidon 62 c-d). Platon selbst bekräftigte dieses Gebot und erklärte den Selbstmord für ein strafwürdiges Vergehen (leg. IX, 873 c-d).
Aristoteles sah im Selbstmord ein tadelnswertes Verhalten der Gemeinschaft gegenüber, er bewertete ihn als eine Handlung moralischer Unbeherrschtheit (EN 1138a 4-14).
Epikureer und Stoiker hingegen vereidigten das Recht auf Selbstmord mit dem Hinweis auf die Freiheit des Menschen und sein Selbstbestimmungsrecht (zB Seneca, ep. 70).
Die epikureisch-stoische Position ablehnend und der platonisch-aristotelischen folgend fand Augustinus sein Argument gegen Selbstmord in (erweiterter) Auslegung des biblischen Tötungsverborts (civ. I, 17-27).
Die Synoden von Arles (452) und Braga (563) erklärten den Selbstmord schließlich zum Verbrechen.
Sich auf Th. V. Aquin berufend (S. th. II-II 64, 5), wonach Gott Herr über Leben und Tod, das Leben als Leihgabe Gottes zu betrachten und der Mensch für seine Lebensspanne Gott gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet sei, hat die moraltheologische Tradition mit den Hinweisen argumentiert, dass dem Menschen kein absolutes Verfügungsrecht über sich selbst zukomme, der Selbstmord über die gebotene Selbstliebe und den Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber, der er angehöre, verstoße. Der Mensch habe in Beachtung der Souveränität Gottes in prekären Lebenssituationen auszuharren und Mangelsituationen hinzunehmen.
Auf das letztverfügte dogmatische Dokument (der kath. Kirche) zum Selbstmord habe ich schon in #5 hingewiesen.
Übrigens:
Der Islam verurteilt den Selbstmord ebenso unerbittlich und eindeutig wie das Christentum. Es ist daher unsinnig, den im Westen verwendeten Ausdruck "Selbstmordattentäter" für Dschihadisten, die meinen, einen Heiligen Krieg zu führen (und sich somit als Märtyrer verstehen), zu gebrauchen.
MfG B.

