(24-01-2020, 21:05)Ekkard schrieb: Exegese ist im wesentlichen Übertragung von Texten aus einem Kulturkreis in den unseren (oder einen anderen).
Exegese ist viel mehr als die "Übertragung" von Texten aus dem antiken biblischen Kulturkreis in den unseren.
Nimm etwa Ezechiel 1:4 mit dem Thronwagen Gottes oder die gesamte Offenbarung des Johannes (das letzte Buch des Neuen Testaments).
Da geht es nicht um die Erstellung eines Vokabelhefts, sondern um eine mühsame Exegese
es geht darum, aufzuspüren was die Schrift überhaupt sagen will
Dabei ist es aber völlig egal, ob der Leser ein Franzose ist oder ein Indianer oder ein Japaner
Die Texte sind völlig unverständlich und es ist egal, ob der "Drache" in Offb 20,3 ein chinesischer Drache ist, oder ob man sich einen Lindwurm aus dem Rheintal und dem Nibelungenlied vorstellt oder einen Tatzelwurm aus der alpinen Sagenwelt oder einen Leguan der Indianer
(24-01-2020, 21:05)Ekkard schrieb: Und selbstverständlich stimme ich der Grundthese zu, dass Bibelexegese ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht möglich sind
Zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist zu sagen, daß die Bibel sich nie an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Zeit anpassen wollte
Zwar war die Katholische Kirche immer sehr kompromißbereit - von Bibelpuristen wurde und wird ihr ständig vorgeworfen, daß sie allerlei antikes Brauchtum der europäischen Welt übernahm (der heilige Gambrinus soll angeblich bloß ein anderer Name für einen altgermanischen Biergott sein) und es werden ihr von den diversen Bibelpuristen der Weihnachtsbaum, die bunten Ostereier, der Osterhase, die Statuen, die Heiligen vorgeworfen
Die Bibelpuristen (diejenigen Leute, die ihre Religion sola scriptura begründen, von Luther bis zu den Zeugen Jehovas - aber auch an die Hussiten und die Puritaner und ihre vielen Derivate ist zu denken) empfinden die "Gesellschaft" als zu bekämpfendes Übel