Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Christentum und Moral
(08-12-2012, 17:43)Lelinda schrieb: Wen nennst du fundamentalistisch? Laut Wikipedia (siehe Religionen, Statistiken) sind von ca. 7 Milliarden Menschen ca. 2 Milliarden Christen und ca. 1,5 Milliarden Moslems; also die Hälfte der Menschheit.
[/quote]

Ja, da habe ich ja bisher auch nicht so ganz falsch gelegen.

(08-12-2012, 17:43)Lelinda schrieb: Von den Christen lebt ein großer Teil in zivillisierten Ländern.

Wenn wir die U.S.A, Europa,Australien, Russland und Teile von Südamerika als zivilisiert bezeichnen und damit auf knapp 1 Mrd Menschen kommen, von denen sicher nicht alle Christen sind, stimmt diese Aussage schon mal nicht. Viele Christen findest du in Afrika. Dort ist die moderate Version des Christentums schon mal so gut wie gar nicht verbreitet.

(08-12-2012, 17:43)Lelinda schrieb: ...und für mich ist Fundamentalismus eine Form des Fanatismus...

Da liegt der Knackpunkt. Fundamentalismus ist keine Form des Fanatismus, wenn dann ist es eher umgekehrt. Somit stehe ich zu meiner Aussage, dass der Grossteil der Menschheit Fundamentalisten sind (übrigens nicht nur in armen Ländern, siehe U.S.A.). Wenn ich unbewiesene Doktrinen einfach nur glaube und angeblich göttliche Wahrheiten für unumstösslich halte, dann kann daraus natürlich auch leichter Fanatismus entstehen.

Hier muss ich mal ein Zitat bemühen, dass ich mal gehört habe (weiss leider nicht mehr den Urheber): "Böse Menschen machen böse Dinge und Gute gute, aber mit Religion bringt man gute Menschen dazu böse Dinge zu tun".
(05-12-2012, 15:34)schmalhans schrieb: Ich habe Werte, aber ich glaube nicht an sie - ich lebe sie. Ich stehle nicht, weil ich selber nicht bestohlen werden will. Wozu sollte ich eine Glaubenshaltung dazu entwickeln?
Es ist offensichtlich so, dass wir gleiche Verhaltensweisen ungleich beschreiben. "Werte zu haben" ist dasselbe wie "glauben". Der religiöse Glaube umfasst zwar viele weitere, insbesondere mythische Inhalte. Aber Wertvorstellungen zu "haben" ist ein Teil des Glaubens (= Grundüberzeugung).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(08-12-2012, 01:29)Lelinda schrieb: Nun ja, was den bösen Onkel betrifft, so ist man zumindest moralisch (und biblisch!) verpflichtet, ihm zu vergeben, wenn er sich entschuldigt - wofür auch immer und immer wieder.
Nicht, dass ich wüsste! Sündenvergebung ist eine Sache der Buße. Wer in Sünde verharrt, hat keine (menschliche oder göttliche) Gnade zu erwarten. Zeige mir eine Stelle im NT, die das Gegenteil beschreibt!

(08-12-2012, 01:29)Lelinda schrieb: Das Verständnis für den Täter wird nicht nur in der heutigen Gesellschaft, z.B. in der Justiz, sondern auch schon bei Jesus überstrapaziert, so dass es zu Lasten des Opfers geht. Vielleicht war das nicht Jesu Absicht, aber es ist die logische Folge und bringt denen, die nicht verzeihen können, auch noch unnötige Schuldgefühle.
Das tut mir für die Opfer Leid, ist aber nicht korrekt, weil das, soweit ich das NT kenne, nirgends in dieser Weise beschrieben wird. Erst die "tätige Reue" (= Buße, Wiedergutmachung) führt zur Vergebung, nichts sonst. Und es steht ausdrücklich im NT, dass demjenigen die Sünden von Gott nicht vergeben werden, dem die Mitmenschen die Sünde nicht vergeben (können). Damit ist doch nicht einfach "böser Wille" gemeint, sondern konkrete Hinderungsgründe, wie z. B. fortgesetztes Fehlverhalten, keine Entschuldigung, keine Reue, verweigerte Wiedergutmachung.

(08-12-2012, 01:29)Lelinda schrieb: Zum ersten Gebot, nach dem man keine Götter neben Gott haben soll: Wo ist da vom Mitmenschen die Rede? Auch wenn Jesus später praktisch nur von den Geboten spricht, die den Mitmenschen betreffen: die ersten der zehn Gebote beziehen sich eindeutig nur auf Gott. Denn wenn ich noch andere Götter anbete, ärgere ich wahrscheinlich den (jüdischen) Gott, aber meinen Mitmenschen schade ich damit doch nicht.
Auch das ist so eine simplifizierende Interpretation, die keiner genauen Analyse standhält. Zunächst ist richtig: Die Alten Israeliten konnten sich nicht vorstellen, dass es keinen Gott geben könnte. Der Mensch war nach ihrer Ansicht auf das angewiesen, was wir heute "Schicksal", "Natur", "Gesellschaft", "Recht", "gesellschaftliches Sein" oder "gesellschaftliches Bewusstsein" nennen, eine übermenschliche Macht, welche die Geschicke des Volkes (Israel) lenkt, sogar einfach bestimmt.
Du fragst: "Wo ist da vom Mitmenschen die Rede?" Offensichtlich ist der übrige Inhalt des Dekalogs ein Appell, das Lebensrecht und die Lebensmöglichkeiten der Mitmenschen nicht zu beeinträchtigen. Garant dafür ist die Schicksalsmacht "Gott", mit der man am Sinai einen Vertrag geschlossen hat. Modern gesprochen ist "Gott" das allgemeine Wohlwollen des Schicksals, soweit es von Menschen mitgestaltet werden kann.

Übrigens eine Macht wie Gott, kann man nicht ärgern, so wenig wie einen Staat - einen einzelnen Priester oder Politiker schon. Die Frage ist nur, was bewirkt mein Ärgern für mich selbst und meine Ziele. Im Falle "Gott" stelle ich mich nur selbst ins Abseits, weiter nichts.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(08-12-2012, 20:44)Ekkard schrieb:
(08-12-2012, 01:29)Lelinda schrieb: Zum ersten Gebot, nach dem man keine Götter neben Gott haben soll: Wo ist da vom Mitmenschen die Rede?
Offensichtlich ist der übrige Inhalt des Dekalogs ein Appell, das Lebensrecht und die Lebensmöglichkeiten der Mitmenschen nicht zu beeinträchtigen. Garant dafür ist die Schicksalsmacht "Gott", mit der man am Sinai einen Vertrag geschlossen hat.

Der übrige Inhalt vielleicht. Das erste Gebot ist aber eindeutig (nur) auf Gott bezogen. Es sei denn, damit sollte klargestellt werden, dass kein anderer (Gott) hinsichtlich der folgenden Gebote mitmischen und z.B. andere Sitten fordern können sollte.

(08-12-2012, 20:44)Ekkard schrieb: Modern gesprochen ist "Gott" das allgemeine Wohlwollen des Schicksals, soweit es von Menschen mitgestaltet werden kann.

Übrigens eine Macht wie Gott, kann man nicht ärgern,

Das ist deine moderne Interpretation. Im Alten Testament wird Gott als eigenständige Person angesehen (im Neuen Testament natürlich auch). Dort ist er andauernd wegen irgendwelcher Banalitäten beleidigt, die keinem Mitmenschen geschadet haben (wie Holzsammeln am Sabbat), und greift dann zur Brachialgewalt oder lässt seine Vertreter dazu greifen. Natürlich kann man das so sehen (wollen), dass kleine Gesetzesübertretungen dazu führen könnten, dass irgendwann nur noch Anarchie herrscht, und dass deswegen schon diese deswegen auf das Härtestes geahndet werden müssen. Das Volk glaubte aber anscheinend doch, dass man mit kleinen Sünden Gott selbst (und nicht nur den König, Vater, Priester oder einen anderen übergeordneten Menschen) verärgern konnte. Wie du an den Sprüchen mancher Gläubige zu Unglücken wie Naturkatastrophen oder Aids in der Zeitung lesen kannst, glauben viele das noch heute.

(08-12-2012, 20:44)Ekkard schrieb:
(08-12-2012, 01:29)Lelinda schrieb: Nun ja, was den bösen Onkel betrifft, so ist man zumindest moralisch (und biblisch!) verpflichtet, ihm zu vergeben, wenn er sich entschuldigt - wofür auch immer und immer wieder.
Nicht, dass ich wüsste! Sündenvergebung ist eine Sache der Buße. Wer in Sünde verharrt, hat keine (menschliche oder göttliche) Gnade zu erwarten. Zeige mir eine Stelle im NT, die das Gegenteil beschreibt!
...
Erst die "tätige Reue" (= Buße, Wiedergutmachung) führt zur Vergebung, nichts sonst.

Gern. Matth. 18, 15-17 und 18, 21-22. Gut, der Täter soll Reue zeigen. Aber wo steht da etwas von Wiedergutmachung? Gar: tätiger Wiedergutmachung? Nach Matt. 18, 21-22 muss man außerdem immer wieder verzeihen.

(08-12-2012, 20:44)Ekkard schrieb: Und es steht ausdrücklich im NT, dass demjenigen die Sünden von Gott nicht vergeben werden, dem die Mitmenschen die Sünde nicht vergeben (können).

Da steht aber auch, dass derjenige, der nicht vergibt, dafür später (beim Jüngsten Gericht) den Schaden haben wird (Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger, Matth. 18, 23-34, noch mal zusammengefasst in Matth. 18, 35).

Den Spruch „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Matt. 18,18) verstehe ich (anders als anscheinend du) dagegen als spätere Erfindung, da er sich wohl vor allem an die Jünger richtet und damit Jesu Nachfolgern erlaubte, den Laien unter den Gläubigen nach Lust und Laune Sünden zu vergeben oder eben nicht.
(08-12-2012, 17:43)Lelinda schrieb: Dann gibt es noch ca. 900 Millionen Hindus und ca. 380 Millionen Buddhisten (ich nehme an, dass die modernen westlichen „Buddhisten“ da nicht mitgezählt werden, zusammen also auch über eine Milliarde Menschen. Diese glauben an Wiedergeburt und können (oder müssten) sich darum mehr Toleranz leisten als die monotheistischen Gläubigen, die sich ihrer Meinung nach nach einem einzigen Leben vor einem allmächtigen Gott rechtfertigen müssen. Denn wer wiedergeboren wird, hat ja spätestens im nächsten Leben eine neue Chance

hilft aber auch nix

in indien jagen hindus muslime, in sri lanka buddhisten hindus, in birma jagen die buddhisten muslime...

natürlich sind die jäger rein zufällig immer die mehrheit, die über eine minderheit herfällt
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(08-12-2012, 00:14)Ekkard schrieb: Dass bei Extremisten die Menschenwürde "auf der Strecke" bleibt, ist bekannt.
Ich schrieb mit Bedacht: "Extremisten" und nicht "Fundamentalisten". Der Extremist ist dadurch gekennzeichnet, dass sein Glaubenskanon ideologisch ausgerichtet ist, und sich im Zweifelsfall auch gegen den Mitmenschen richtet. Wunderbares Beispiel ist die Homophobie. Stimmt, sie findet sich im NT. Aber der Fundamentalist wird die Sache für sich selbst regeln, aber nicht gegen seine Mitmenschen richten z. B. durch Mobbing. Der Extremist verlangt dasselbe für alle.

(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Warum dürfen die Fundamentalisten sich nicht auf die Bibel beziehen? Ich frage mich, ob wir vom gleichen Buch reden. Gott (und auch Jesus) ist, wenn man die Bibel liest, alles andere als moderat oder auf Ausgleich bedacht.
Wir reden ganz sicher vom gleichen Buch. Nur ersetzt die verschriftlichte Tradition nicht den Verhaltenskodex der gegenwärtigen Gesellschaft. Bei Jesu Aussagen muss man schon sehr genau die Situation im Blick haben. Beispiel: Matthäus 10, 34: "Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf der Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert." Aber 10, 39: "Wer sein Leben findet, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden." Hier geht es um die Naherwartung des Weltendes. Da war es wichtiger, zu den Glaubenden zu gehören, als zur "Welt", zu familiären Bindungen und Ähnlichem. Es handelt sich also um einen sehr persönlichen Appell, sich zum Gottesreich zu halten und nicht irre machen zu lassen.

(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Der Fundamentalist fragt sich, meiner Meinung nach zu recht, warum nur die Teile der Bibel gelten sollen, die mit unserer pluralen Gesellschaft in Einklang zu bringen sind.
Du müsstest mal konkret sagen, worauf du deine Meinung gründest, dass nur Teile der Bibel gelten sollen, und vor allem, was mit "gelten" gemeint ist. Und nochmal: Ich meine Extremisten (ideologisch einseitige Menschen), nicht Fundamentalisten, die für sich selbst die Bibel gelten lassen wollen.

(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Die Regeln des Rechtsstaates und auch unserer säkularen Gesellschaft wurzeln eben nicht in der christlichen Kultur. Diese sind eine Errungenschaft der Neuzeit, als man alte überholte Glaubens- und Aberglaubensinhalte mit der Vernunft über Bord geschmissen hat.
Durch Wiederholung wird diese in Teilen wahre Aussage nicht wahrer! (Fast jeder Atheist, der hier hereinschneit, behauptet dies erst einmal.) Richtig ist, dass die "Aufklärer" auf christlichem Fundament (dessen Wurzeln natürlich noch älter sind als das Christentum) gestritten haben - gegen eine hartnäckig die Realitäten verweigernde "allgemeine" Kirche. Dass nicht allein Christen die Aufklärung geschafft haben, ist natürlich auch richtig.

(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Die christlichen Glaubensgemeinschaften waren und sind zum grossen Teil ...
Wie groß? Mag sein, dass es intolerante Extremisten gibt. Wie groß, entzieht sich meiner Kenntnis.
Beispiel: Gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter ist keine der großen, christlichen Gemeinschaften. Im Gegenteil, wir finden sehr viel praktische Hemmnisse im säkularen Leben, wo das kirchliche Sprechen bereits wesentlich weiter ist.

(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Diese Werte sind menschlicher und keiner göttlichen Natur.
Ja, sind sie. Aber es gibt angesichts moderner medizinischer Möglichkeiten einen breiten, säkularen Widerstand gegen bestimmte ethische Implikationen. Dass da die Kirchen gerne "in das gleiche Horn tuten", sagt aber nur etwas über deren Interessenlage, dass den Menschen vielfach Heil gepredigt wird, wo nur Verdienstmöglichkeiten propagiert werden sollen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(08-12-2012, 22:59)Lelinda schrieb: Das erste Gebot ist aber eindeutig (nur) auf Gott bezogen. Es sei denn, damit sollte klargestellt werden, dass kein anderer (Gott) hinsichtlich der folgenden Gebote mitmischen und z.B. andere Sitten fordern können sollte.
Wohl eher war der Zusammenhalt des alt-israelitischen Volkes unter dem "Dach" des einen Gottes gemeint.

(08-12-2012, 22:59)Lelinda schrieb: Das Volk glaubte aber anscheinend doch, dass man mit kleinen Sünden Gott selbst (und nicht nur den König, Vater, Priester oder einen anderen übergeordneten Menschen) verärgern konnte. Wie du an den Sprüchen mancher Gläubige zu Unglücken wie Naturkatastrophen oder Aids in der Zeitung lesen kannst, glauben viele das noch heute.
Yep - das Volk glaubt vieles, und dieses Viele ist z. T. Zweck-gerichtet gestreuter Aberglaube. Die alttestamentlichen Kriegsberichte sind ein beredtes Beispiel. Der viel genannte "Zorn Gottes" ist hingegen nur die Folge von Sünde (z. B. der fiese Onkel).

(08-12-2012, 22:59)Lelinda schrieb: Gut, der Täter soll Reue zeigen. Aber wo steht da etwas von Wiedergutmachung?
Die war aber nach jüdischem Brauch selbstverständlich. Die von dir zitierten Verse Mt. 18, 15-17 haben damit gar nichts zu tun. Dort geht es darum, Friede in der Gemeinde zu halten, also Dinge wie Beleidigungen zu unterlassen und nicht gleich "juristisch dreinzuschlagen", wenn's nicht auf Anhieb geht. Entscheidend ist der Endvers Mt. 18, 35.
Richtig ist: Man soll vergeben, wenn man es kann, also wenn es keine Hinderungsgründe (z. B. fortbestehende Verbrechen) gibt. Natürlich, das Leben geht weiter, und es wird wieder und wieder Konflikte geben. Deshalb ruft Jesus hier dazu auf, den Versöhnungsprozess immer wieder anzuwenden. Auch das ist nichts Ungewöhnliches in unserer Zeit.

(08-12-2012, 22:59)Lelinda schrieb: Da steht aber auch, dass derjenige, der nicht vergibt, dafür später (beim Jüngsten Gericht) den Schaden haben wird (Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger, Matth. 18, 23-34, noch mal zusammengefasst in Matth. 18, 35).
Lies diese Geschichte bitte nochmal genau. Die Sünde besteht doch darin, den eigenen Schuld-Erlass als selbstverständlich hinzunehmen und gleich anschließend dem nächst-niederen durch Drohung mit Gewalt die Schuldsumme abzupressen. Im Erfolgsfall eine sehr ungerechte Bereicherung!

(08-12-2012, 22:59)Lelinda schrieb: Den Spruch „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Matt. 18,18) verstehe ich (anders als anscheinend du) dagegen als spätere Erfindung, da er sich wohl vor allem an die Jünger richtet und damit Jesu Nachfolgern erlaubte, den Laien unter den Gläubigen nach Lust und Laune Sünden zu vergeben oder eben nicht.
Mit der Annahme einer Gemeindebildung könntest du Recht haben. Aber, wie auch immer: Hier deutet sich eine juristische Aufarbeitung von "sich wiederholenden Sünden" oder gar schlimmen Verbrechen durch die Gemeinde oder deren Vertreter an. Diese können eben auch "lösen", d. h. im irdischen Sinne Urteile sprechen.

Allerdings ist hier mit "Himmel" das bevorstehende Gottesreich gemeint, das nach "Ende der Welt" aufgerichtet wird. D. h. hier soll fortgelten, was zuvor Gemeindebeschluss war. Klug gedacht!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(09-12-2012, 00:09)Ekkard schrieb: Allerdings ist hier mit "Himmel" das bevorstehende Gottesreich gemeint, das nach "Ende der Welt" aufgerichtet wird. D. h. hier soll fortgelten, was zuvor Gemeindebeschluss war. Klug gedacht!

Meinst du mit "Gemeindebeschluss" eine demokratische Abstimmung der Gemeindemitglieder? Es war doch eher zu vermuten, dass diese juristische Aufarbeitung in den Händen einiger weniger (Amts-)Personen liegen würde, wie es ja auch fast überall der Fall ist. Und je weniger es ist, desto eher besteht die Gefahr, dass einer nach Sympathie oder seiner aktuellen Laune entscheidet und nicht nach fairen Kriterien. In einem solchen Fall wäre es gerade nicht gut, wenn die Entscheidungen solcher Leute für alle Ewigkeit gültig blieben.

Oder sollte dieser Satz eine Mahnung sein, vor einer Entscheidung auch die (dann ewigen) Folgen zu denken? Das wäre zwar sehr ehrenwert, aber nicht jeder hat genug Verantwortungsgefühl oder Gewissensbisse, wenn ein anderer aufgrund seines Handelns (ewige) Nachteile hätte. Und die Gefahr eines bewussten Machtmissbrauchs ist auch nicht von der Hand zu weisen.
(08-12-2012, 23:24)Ekkard schrieb: Durch Wiederholung wird diese in Teilen wahre Aussage nicht wahrer! (Fast jeder Atheist, der hier hereinschneit, behauptet dies erst einmal.) Richtig ist, dass die "Aufklärer" auf christlichem Fundament (dessen Wurzeln natürlich noch älter sind als das Christentum) gestritten haben - gegen eine hartnäckig die Realitäten verweigernde "allgemeine" Kirche. Dass nicht allein Christen die Aufklärung geschafft haben, ist natürlich auch richtig.

Die Aufklärung beruft sich als oberste Urteilsinstanz auf die menschliche Vernunft. Dies steht im Widerspruch zur Religion, deren oberste Urteilsinstanz immer das oberste Wesen ist, auch beim Christentum. Diese Auffassung geht eben entgegen die christlichen Wurzeln. Aber darüber könnte man auch in einem anderen Thread diskutieren, der den Nutzen von Religionen, bzw. dem Christentum zum Thema haben könnte.

(08-12-2012, 23:24)Ekkard schrieb: Wie groß? Mag sein, dass es intolerante Extremisten gibt. Wie groß, entzieht sich meiner Kenntnis.
Beispiel: Gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter ist keine der großen, christlichen Gemeinschaften. Im Gegenteil, wir finden sehr viel praktische Hemmnisse im säkularen Leben, wo das kirchliche Sprechen bereits wesentlich weiter ist.

Die letzte Aussage mag bezweifelt werden, ob sich z.B. die katholische Kirche mit der Gleichberechtigung der Geschlechter angefreundet hat, na ja.

Und ob kirchliche Lösungen tatsächlich besser sind, sei auch dahin gestellt. Nenn mal ein Beispiel, dann können wir da gerne drüber diskutieren.

Aber muss dir natürlich in Bezug auf Extremismus recht geben. Das ist sicher nicht das Gleiche wie Fundamentalismus. Allerdings macht mir das letzteren auch nicht sympathischer.
(08-12-2012, 18:15)Glaurung40 schrieb: Hier muss ich mal ein Zitat bemühen, dass ich mal gehört habe (weiss leider nicht mehr den Urheber): "Böse Menschen machen böse Dinge und Gute gute, aber mit Religion bringt man gute Menschen dazu böse Dinge zu tun".
Mit der Lehre Christi, werden "böse" Menschen gerufen um "gut" zu werden und "gute" Menschen angeleitet "gut" zu bleiben.
Mehr ist da nicht.
(09-12-2012, 10:36)indymaya schrieb: Mit der Lehre Christi, werden "böse" Menschen gerufen um "gut" zu werden und "gute" Menschen angeleitet "gut" zu bleiben.

Leider hat das bisher nicht so richtig geklappt. Liegt das an dem Zuckerbrot-und-Peitsche-System? Früher, als noch die meisten Menschen extrem gläubig und im wahrsten Sinne des Wortes gottesfürchtig waren, war unsere "Zivilisation" viel barbarischer als heute. Liegt es an der Konkurrenz der modernen Welt und anderer Religionen, die dem Menschen noch andere Möglichkeiten eröffnen? Die Wissenschaft hat zum Beispiel medizinische Fortschritte anzubieten. Sind Buddhisten moralisch besser, oder ist das nur eine westliche Idealisierung?
Oder liegt der Grund dafür, dass das Christentum die Menschen (noch) nicht verbessert hat, vielleicht darin, dass dem Menschen gewisse "böse" Neigungen angeboren sind und es überhaupt nicht möglich ist, negative Impulse immer zu unterdrücken - wie man es tun müsste, um Gottes Ansprüchen zu genügen?

Und wer ist nun gut, und wer böse? Wenn man das Beispiel vom Pharisäer und dem Zöllner in der Synagoge nimmt: Wer ist dann der Böse? Der Zöllner, der die Leute ausbeutet, sich aber bewusst ist, dass das eine Sünde ist, oder der Pharisäer, der meint, er wäre besser als andere Leute? Nach Jesu Behauptung ist der Zöllner vor Gott "gerechtfertigt", der Pharisäer aber nicht.
Muss der Mensch also ständig ein schlechtes Gewissen haben, um von Gott anerkannt zu werden?
(09-12-2012, 13:52)Lelinda schrieb: Leider hat das bisher nicht so richtig geklappt.
Was Du beklagst, ist nicht die Lehre Christi sondern was auch Jesus in (Mt.11,12) sagt: "Aber von den Tagen Johannes des Täufers an bis jetzt leidet das Himmelreich Gewalt, und die, welche Gewalt anwenden reißen es an sich!"
Demnach ist das Himmelreich seit Johannes dem Täufer in der Welt, es muß sich nur noch "ausdehnen" wie der, mit Hefe versetzte, Sauerteig.
Zitat: Nach Jesu Behauptung ist der Zöllner vor Gott "gerechtfertigt", der Pharisäer aber nicht.
Ein "Sünder" ist nur "gerechtfertigt" wenn er umkehrt
Das geschieht indem er Jesus glaubt, darin sein Unrecht erkennt, bereut und Buße tut. Buße ist aber nicht "Peitsche" sondern der Versuch der Wiedergutmachung und der Bitte um Vergebung bei den Menschen.
(08-12-2012, 23:24)Ekkard schrieb: Ich schrieb mit Bedacht: "Extremisten" und nicht "Fundamentalisten". Der Extremist ist dadurch gekennzeichnet, dass sein Glaubenskanon ideologisch ausgerichtet ist, und sich im Zweifelsfall auch gegen den Mitmenschen richtet. Wunderbares Beispiel ist die Homophobie. Stimmt, sie findet sich im NT. Aber der Fundamentalist wird die Sache für sich selbst regeln, aber nicht gegen seine Mitmenschen richten z. B. durch Mobbing

diesen ideal-fundamentalisten gibts aber real so gut wie nicht. z.b. wird er seinen fundamentalismus immer auch auf die eigene familie, vor allem seine kinder, richten.

(08-12-2012, 23:24)Ekkard schrieb: Durch Wiederholung wird diese in Teilen wahre Aussage nicht wahrer! (Fast jeder Atheist, der hier hereinschneit, behauptet dies erst einmal.) Richtig ist, dass die "Aufklärer" auf christlichem Fundament (dessen Wurzeln natürlich noch älter sind als das Christentum) gestritten haben

jetzt müßtest doch aber erst mal du "konkret sagen, worauf du deine Meinung gründest, ... und vor allem, was mit "Fundament" gemeint ist". denn "Durch Wiederholung wird deine in Teilen wahre Aussage nicht wahrer!"

klar stammen die aufklärer aus einer christlich geprägten kultur - schon weil sie eben europäer waren. aber sie gründeteten ihre anschuungen eben nicht aufs christentum oder kirchliche vorgaben

ich sags noch mal: nach christlichem (vielleicht nicht unbedingt nach deinem atheistisch-"christlichen") verständnis ist der mensch in allem auf gott angewiesen und diesem untertan, dieser gott hat immer das letzte wort und ohne diesen gott ist der mensch gar nichts - das widerspricht dem konzept einer dem menschen aus sich heraus immanenten würde mit entsprechenden rechten diametral

(08-12-2012, 23:24)Ekkard schrieb: Beispiel: Gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter ist keine der großen, christlichen Gemeinschaften

*pruust*

erzähl das mal den römisch katholischen priesterinnen oder anglikanischen bischöfinnen...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(09-12-2012, 10:36)indymaya schrieb:
(08-12-2012, 18:15)Glaurung40 schrieb: Hier muss ich mal ein Zitat bemühen, dass ich mal gehört habe (weiss leider nicht mehr den Urheber): "Böse Menschen machen böse Dinge und Gute gute, aber mit Religion bringt man gute Menschen dazu böse Dinge zu tun".
Mit der Lehre Christi, werden "böse" Menschen gerufen um "gut" zu werden und "gute" Menschen angeleitet "gut" zu bleiben.
Mehr ist da nicht.

nur gibt es keine entweder "guten" oder "bösen" menschen, sondern nur menschen, deren verhaltensweisen je nach kontext und betrachter als "gut" oder "böse" angesehen werden
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(09-12-2012, 15:03)indymaya schrieb:
(09-12-2012, 13:52)Lelinda schrieb: Leider hat das bisher nicht so richtig geklappt.
Was Du beklagst, ist nicht die Lehre Christi sondern was auch Jesus in (Mt.11,12) sagt: "Aber von den Tagen Johannes des Täufers an bis jetzt leidet das Himmelreich Gewalt, und die, welche Gewalt anwenden reißen es an sich!"
Demnach ist das Himmelreich seit Johannes dem Täufer in der Welt, es muß sich nur noch "ausdehnen" wie der, mit Hefe versetzte, Sauerteig.
Zitat: Nach Jesu Behauptung ist der Zöllner vor Gott "gerechtfertigt", der Pharisäer aber nicht.
Ein "Sünder" ist nur "gerechtfertigt" wenn er umkehrt
Das geschieht indem er Jesus glaubt, darin sein Unrecht erkennt, bereut und Buße tut. Buße ist aber nicht "Peitsche" sondern der Versuch der Wiedergutmachung und der Bitte um Vergebung bei den Menschen.

ausreden über frömmlerische hohlfloskeln- aber kein konkretes eingehen auf die gestellten fragen

darin - und in der selbstgerecht-arroganten vortragsweise - besteht die ganze weisheit der glöäubischen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Christentum und Wiedergeburt Farius 306 21905 09-09-2025, 21:34
Letzter Beitrag: Ulan
  Gütergemeinschaft im Christentum heute ? Sinai 0 177 08-08-2025, 00:35
Letzter Beitrag: Sinai
  Christentum versus Karrierismus Sinai 35 3451 26-05-2025, 19:57
Letzter Beitrag: Ulan

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste