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(04-12-2012, 14:47)Glaurung40 schrieb: religiöse Moral unterwandert in vielen Fällen mit sehr schlechten oder gar keinen Begründungen die Menschenwürde. Das ist m. E. unverständlich bzw. halte ich für unverstanden. Denn das Gebot von der Nächsten- und Feindesliebe ist nicht von Gott her abgeleitet, sondern geht auf die Bergpredigt, also auf eine theologische Lehrmeinung, zurück, die zu der Zeit von Jesus bereits jüdische Tradition war - also Ausfluss gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die "goldene Regel" steht dort, so, als wäre sie ohne Gott zu begreifen: Lukas 6, 31: Und so, wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch.
In der christlichen Ethik wird diese "goldene Regel" noch weiter spezifiziert. Aber all' das sind Folgerungen aus dem Grundsatz. Folglich frage ich: Wie soll da die Menschenwürde untergraben werden?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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(06-12-2012, 23:25)Ekkard schrieb: (04-12-2012, 14:47)Glaurung40 schrieb: religiöse Moral unterwandert in vielen Fällen mit sehr schlechten oder gar keinen Begründungen die Menschenwürde. Das ist m. E. unverständlich bzw. halte ich für unverstanden. Denn das Gebot von der Nächsten- und Feindesliebe ist nicht von Gott her abgeleitet, sondern geht auf die Bergpredigt, also auf eine theologische Lehrmeinung, zurück, die zu der Zeit von Jesus bereits jüdische Tradition war - also Ausfluss gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die "goldene Regel" steht dort, so, als wäre sie ohne Gott zu begreifen: Lukas 6, 31: Und so, wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch.
In der christlichen Ethik wird diese "goldene Regel" noch weiter spezifiziert. Aber all' das sind Folgerungen aus dem Grundsatz. Folglich frage ich: Wie soll da die Menschenwürde untergraben werden?
Glaurung hat explizit religiöse Moral (und nicht irgendwelche Lehrmeinungen) genannt, also den Glauben am Gut und Böse. Ein bestimmtes Verhalten ist gut (und zwar immer) und ein anderes Verhalten ist böse (auch immer). Nächstenliebe, die im Christentum ein wichtiges Gebot zu sein scheint, wird oft interpretiert als uneigennützige Hilfeleistung Fremden gegenüber. Gemeint war damit aber ursprünglich die eigene Gruppe (Familie, Clan, Stamm). In diesem ursprünglichen Sinne ist es sehr gut geeignet, die Menschenwürde zu untergraben, weil es mir nicht gestattet ist, den fiesen sadistischen Onkel zur Rechenschaft zu ziehen - ich muss ihn lieben und ehren.
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(06-12-2012, 23:25)Ekkard schrieb: Das ist m. E. unverständlich bzw. halte ich für unverstanden. Denn das Gebot von der Nächsten- und Feindesliebe ist nicht von Gott her abgeleitet, sondern geht auf die Bergpredigt, also auf eine theologische Lehrmeinung, zurück, die zu der Zeit von Jesus bereits jüdische Tradition war - also Ausfluss gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die "goldene Regel" steht dort, so, als wäre sie ohne Gott zu begreifen: Lukas 6, 31: Und so, wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch.
In der christlichen Ethik wird diese "goldene Regel" noch weiter spezifiziert. Aber all' das sind Folgerungen aus dem Grundsatz. Folglich frage ich: Wie soll da die Menschenwürde untergraben werden?
An diesem Beispiel wird die Menschenwürde natürlich nicht verletzt.
Der überwiegende Teil der theologischen Lehrmeinung, bzw. das Zusammenleben zu Jesu Zeiten ist aber sicher kein Beispiel wie wir heute miteinander umgehen sollen.
Das betrifft auch viele von Jesu Aussagen, besonders was die Toleranz gegenüber Andersgläubigen betrifft.
Die Stellen die du als erwähnenswert betrachtest muss man in der Bibel muss suchen. Die Bibel bzw. das Neue Testament ist aber die Grundlage des Christlichen Glaubens.
Wenn das gesellschaftliche Zusammenleben aus der Vernunft bzw. der Notwendigkeit Regeln ableitet (z.B. die Goldene Regel, die ja kein christliches Monopol ist). Wozu braucht man das übernatürliche Element ?
Das wird meistens nur dann gebraucht, wenn es um Dinge geht die anders nicht begründbar sind. Beispiel: Gleich das erste der zehn Gebote: "Du sollst keinen anderen Gotte neben mir haben". Die Ansicht, das Homosexualität böse ist (das findest du auch im neuen Testament), etc.
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(06-12-2012, 23:25)Ekkard schrieb: Folglich frage ich: Wie soll da die Menschenwürde untergraben werden?
na, wie wohl?
genau so, wie es auch erfolgt ist. christliche moral, insbesondere in ihrer konkret ausformulierten form, beschränkt sich doch nicht auf die nächstenlieb oder die goldene regel...
müssen wir schon wieder mit religionskriegen, ketzerverbrennungen usw. anfangen?
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(07-12-2012, 01:27)schmalhans schrieb: Glaurung hat explizit religiöse Moral (und nicht irgendwelche Lehrmeinungen) genannt, also den Glauben am Gut und Böse. Ein bestimmtes Verhalten ist gut (und zwar immer) und ein anderes Verhalten ist böse (auch immer). Wo steht das? Es wird allenthalben von Sünde und Vergebung, von Welt und Erlösung, von Friede und Gerechtigkeit gesprochen. Aber wie das dazu erforderliche Verhalten aussehen soll, steht nirgends als absolut gesetzte Forderung (Gottes). (Wir können jetzt endlos über Bedeutung und Durchführung des Dekalogs reden. Wichtig: Auch dort gibt es keine Ausführungsbestimmungen. Also ein "immer gutes" Verhalten gibt es dort nicht. Ein "immer böses" Verhalten kann man nur bei sehr harter Haltung konstruieren. Aus "du sollst nicht ..." wird dann eine uneinhaltbare Forderung: "du darfst in keinem Fall ..."!)
Es werden Beispiele für Gräuel genannt, Unzucht unter Männern (Homosexalität) zum Beispiel. (Ich habe dazu eine andere Meinung, aber lassen wir das mal an dieser Stelle). Dass man über Gerechtigkeit streiten muss, ergibt sich allein durch die vielen Fälle. Nochmal: Die Bibel ist kein Ethikbuch. Mithin ist keines der Beispiele ein immer (absolut) gutes bzw. immer (absolut) schlechtes Verhalten. Im Grunde verlangt die Bibel als Ganzes ein anständiges Verhalten gegenüber dem Mitmenschen, ohne dazu konkrete Anweisungen zu geben. Dasselbe gilt übrigens für das 1. Gebot. Nur einen einzigen Gott zu "haben", hat nur dann Sinn, wenn man den Mitmenschen achtet. Ist das nicht der Fall, ist Gott eine vollkommen eigensüchtige und damit obsolete Vorstellung.
(07-12-2012, 01:27)schmalhans schrieb: Nächstenliebe, die im Christentum ein wichtiges Gebot zu sein scheint, wird oft interpretiert als uneigennützige Hilfeleistung Fremden gegenüber. Gemeint war damit aber ursprünglich die eigene Gruppe (Familie, Clan, Stamm). In diesem ursprünglichen Sinne ist es sehr gut geeignet, die Menschenwürde zu untergraben, weil es mir nicht gestattet ist, den fiesen sadistischen Onkel zur Rechenschaft zu ziehen - ich muss ihn lieben und ehren. Sorry, du gibst hier Interpretationen, die einfach den Sinn des Begriffes "Nächstenliebe" verdrehen. Schon die historische Entwicklung ist unrichtig. Richtig ist, dass es sich um das Volk Israel handelte, das die Nächsten stellte. Später, nach dem Auszug aus Ägypten, kamen die "Fremdlinge" hinzu, die man nicht bedrücken sollte.
Von einem "fiesen, sadistischen Onkel" ist nicht die Rede. Jemand, der sich bewusst außerhalb der Gesellschaft stellt, das ist Sache der Polizei (oder sonstige Organe der Rechtspflege) und weder der Nächsten- noch der Feindesliebe.
Was nach christlichem Selbstverständnis gilt, ist Folgendes: Auch der Feind verliert seine Gotteskindschaft nicht. M. a. W. Man darf nicht ungerecht richten oder sich rächen. Aber das geht alles konform mit den in D geltenden Rechtsnormen.
Ich sehe nach wie vor nicht, dass christliche Moral die Menschenwürde untergräbt. Dass Christen dies tun bzw. verbrochen haben, bestreite ich nicht. Diese Menschen dürfen sich aber nicht auf die Bibel oder das Neue Testament berufen, auch wenn sie das tun.
Wenn hier bestimmte "harte Haltungen" (Fundamentalismus) gegeißelt werden sollen, bitte schön! Aber die sind nicht spezifisch christlich, sondern spezifisch extremistisch! Dass bei Extremisten die Menschenwürde "auf der Strecke" bleibt, ist bekannt. Dann sagt das aber bitte dazu!
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Nun ja, was den bösen Onkel betrifft, so ist man zumindest moralisch (und biblisch!) verpflichtet, ihm zu vergeben, wenn er sich entschuldigt - wofür auch immer und immer wieder. Und wenn er sich nicht entschuldigt, muss man ihm wenigstens die Möglichkeit dazu offen lassen.
Ich weiß ja nicht, was der Onkel in Schmalhans´ Beispiel getan hat. Aber immer alles verzeihen müssen, nur weil der Betreffende leichtes Bedauern zeigt, kann in manchen Fällen zu viel verlangt sein. Und wenn es einem nicht gelingt, ist nach dem Evangelium in Schmalhans´ Beispiel der Neffe (bzw. die Nichte) der Dumme und nicht etwa der Onkel, der Nichte oder Neffe vielleicht misshandelt oder missbraucht hat.
Das Verständnis für den Täter wird nicht nur in der heutigen Gesellschaft, z.B. in der Justiz, sondern auch schon bei Jesus überstrapaziert, so dass es zu Lasten des Opfers geht. Vielleicht war das nicht Jesu Absicht, aber es ist die logische Folge und bringt denen, die nicht verzeihen können, auch noch unnötige Schuldgefühle.
Zum ersten Gebot, nach dem man keine Götter neben Gott haben soll: Wo ist da vom Mitmenschen die Rede? Auch wenn Jesus später praktisch nur von den Geboten spricht, die den Mitmenschen betreffen: die ersten der zehn Gebote beziehen sich eindeutig nur auf Gott. Denn wenn ich noch andere Götter anbete, ärgere ich wahrscheinlich den (jüdischen) Gott, aber meinen Mitmenschen schade ich damit doch nicht.
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(08-12-2012, 00:14)Ekkard schrieb: Dass Christen dies tun bzw. verbrochen haben, bestreite ich nicht. Diese Menschen dürfen sich aber nicht auf die Bibel oder das Neue Testament berufen, auch wenn sie das tun.
Wenn hier bestimmte "harte Haltungen" (Fundamentalismus) gegeißelt werden sollen, bitte schön! Aber die sind nicht spezifisch christlich, sondern spezifisch extremistisch! Dass bei Extremisten die Menschenwürde "auf der Strecke" bleibt, ist bekannt. Dann sagt das aber bitte dazu!
Warum dürfen die Fundamentalisten sich nicht auf die Bibel beziehen ? Ich frage mich, ob wir vom gleichen Buch reden. Gott (und auch Jesus) ist, wenn man die Bibel liest, alles andere als moderat oder auf Ausgleich bedacht. Der Fundamentalist fragt sich, meiner Meinung nach zu recht, warum nur die Teile der Bibel gelten sollen, die mit unserer pluralen Gesellschaft in Einklang zu bringen sind.
Die Regeln des Rechtsstaates und auch unserer säkularen Gesellschaft wurzeln eben nicht in der christlichen Kultur. Diese sind eine Errungenschaft der Neuzeit, als man alte überholte Glaubens- und Aberglaubensinhalte mit der Vernunft über Bord geschmissen hat. Die christlichen Glaubensgemeinschaften waren und sind zum grossen Teil gegen Religionsfreiheit, Gleichberechtigung der Geschlechter, etc. etc. Diese Werte sind menschlicher und keiner göttlichen Natur. Fundamentalismus ist im Christentum wesentlich weiter verbreitet als so gemässigte Ansichten, wie du Sie vertrittst. Das ist kein Zufall, schliesslich findet sich zu deren Unterstützung alles in der "Heiligen Schrift". Das du den Frieden mit der modernen Welt gemacht hast ist lobenswert und mir schwer sympathisch. Es gehört natürlich einiges an Selbstüberredung dazu, dann noch seinen Glauben zu behalten, aber das ist deine persönliche Sache und wenn du damit glücklich bist, bitte schön. Leider sind "tief gläubige" Menschen oft nicht so tolerant und allem was der ihrem Buch der Bücher widerspricht spinnefeind.
Ja ich "geißle" den Fundamentalismus, wenn du so willst und ich finde es natürlich gut, dass du das genau so siehst. Gemässigter Glaube ist aber für mich auch keine Option, da es meiner Meinung nach eine gehörige Portion an logischer Inkonsequenz dazu bedarf, die mir abgeht.
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Glarung40:
Das alles gilt nur, wenn man die Bibel wirklich wortwörtlich nimmt, so wie die meisten Fundamentalisten es tun. Dann muss man aber viele moderne Erkenntnisse, die beweisen, dass die Bibel als Geschichtsbuch fehlerhaft ist, beiseite schieben, wie z.B. die die Evolution.
Von diesen neuen Erkenntnissen abgesehen darf man nicht vergessen, dass Jesus und alle anderen Protagonisten der Bibel (so es sie überhaupt jemals gab) in einer ganz anderen Zeit lebten als wir heute. Ich bin zum Beispiel sicher, dass Jesus (und nicht nur er) heute in vieler Hinsicht anders reden und handeln würde als damals. In einem Gotteshaus um sich zu schlagen, weil einem das Verhalten anderer Besucher nicht passt, gilt heute zu Recht als ungehöriges Benehmen. Auch ein Mann, der wie Abraham bereit wäre, auf den Wunsch Gottes hin sein Kind zu töten, würde nicht mehr Bewunderung hervorrufen, sondern in Gefängnis oder Psychiatrie landen. Und bestimmt würde Jesus heute auch keine Dämonen mehr austreiben - einfach, weil der Glaube an Dämonen als Krankheitsursache heute überholt ist, damals aber wohl der medizinisch letzte Stand war.
Dass so viele Bibelstellen aus heutiger Sicht befremdend oder gar entsetzlich wirken, liegt vor allem an der Distanz von 2000 Jahren. Dass es andererseits trotzdem noch heute Leute (auch bei uns) gibt, die mit solchen Stellen keine Probleme haben, finde auch ich erschreckend. Ich glaube auch nicht, dass das Jesus gefallen würde. Man darf ruhig mit der Zeit gehen und die einzelnen Bibelstellen als Gedanken-Produkte einer vergangenen Epoche verstehen.
Und was den biblischen Gott betrifft: Der wird sowieso immer den aktuellen Vorstellungen angepasst. Vor 3000 Jahren mag es schick gewesen sein, einen Gott als Heerführer zu haben, mit dem man andere Völker besiegen konnte. Heute ist das zum Glück anders.
Nur, weil man die Denkweise der Leute von vor 2000 Jahren nicht mehr in jeder Hinsicht nachvollziehen kann, muss man noch lange nicht alles für Unsinn halten (genauso wenig, wie man alles kritiklos für wahr halten muss). Und wenn man daran denkt, wie es im Mittelalter bei uns zuging, war Jesus wahrscheinlich schon ziemlich fortschrittlich. Und (weil du von der Gleichberechtigung der Geschlechter sprichst) mit Sicherheit weniger frauen- und kinderfeindlich als seine Nachfolger.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08-12-2012, 02:32 von Mustafa.)
(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Warum dürfen die Fundamentalisten sich nicht auf die Bibel beziehen ? Ich frage mich, ob wir vom gleichen Buch reden. Gott (und auch Jesus) ist, wenn man die Bibel liest, alles andere als moderat oder auf Ausgleich bedacht. Der Fundamentalist fragt sich, meiner Meinung nach zu recht, warum nur die Teile der Bibel gelten sollen, die mit unserer pluralen Gesellschaft in Einklang zu bringen sind.
Der Fundamentalist mag aus solch einer Fragestellung heraus zu Recht auf der "Richtigkeit" seiner Auslegung beharren.
Nur liegt das Maß für "Richtigkeit" doch nicht einfach an Textpassagen eines Glaubensbuches.
Wem würdest du denn "Recht" geben, dem Fundamentalisten oder dem Offenen ?
(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Die Regeln des Rechtsstaates und auch unserer säkularen Gesellschaft wurzeln eben nicht in der christlichen Kultur. Diese sind eine Errungenschaft der Neuzeit, als man alte überholte Glaubens- und Aberglaubensinhalte mit der Vernunft über Bord geschmissen hat. Die christlichen Glaubensgemeinschaften waren und sind zum grossen Teil gegen Religionsfreiheit, Gleichberechtigung der Geschlechter, etc. etc.
Da unterschätzt du die Vielfalt kultureller Zusammenhänge aber gewaltig.
Diese pauschalen Vorwürfe gegen das Christentum sind jedenfalls nicht haltbar.
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(08-12-2012, 02:15)Lelinda schrieb: Das alles gilt nur, wenn man die Bibel wirklich wortwörtlich nimmt, so wie die meisten Fundamentalisten es tun. Dann muss man aber viele moderne Erkenntnisse, die beweisen, dass die Bibel als Geschichtsbuch fehlerhaft ist, beiseite schieben, wie z.B. die die Evolution.
Die Bibel wurde von Leuten geschrieben, die das wortwörtlich geglaubt haben. Warum heute darin eine andere Wahrheit liegen soll, ist nicht nachzuvollziehen. Die Menschheit hat seither jede Menge dazu gelernt, das schreibst du ja selbst:
(08-12-2012, 02:15)Lelinda schrieb: Von diesen neuen Erkenntnissen abgesehen darf man nicht vergessen, dass Jesus und alle anderen Protagonisten der Bibel (so es sie überhaupt jemals gab) in einer ganz anderen Zeit lebten als wir heute. Ich bin zum Beispiel sicher, dass Jesus (und nicht nur er) heute in vieler Hinsicht anders reden und handeln würde als damals. In einem Gotteshaus um sich zu schlagen, weil einem das Verhalten anderer Besucher nicht passt, gilt heute zu Recht als ungehöriges Benehmen. Auch ein Mann, der wie Abraham bereit wäre, auf den Wunsch Gottes hin sein Kind zu töten, würde nicht mehr Bewunderung hervorrufen, sondern in Gefängnis oder Psychiatrie landen. Und bestimmt würde Jesus heute auch keine Dämonen mehr austreiben - einfach, weil der Glaube an Dämonen als Krankheitsursache heute überholt ist, damals aber wohl der medizinisch letzte Stand war.
Dass so viele Bibelstellen aus heutiger Sicht befremdend oder gar entsetzlich wirken, liegt vor allem an der Distanz von 2000 Jahren. Dass es andererseits trotzdem noch heute Leute (auch bei uns) gibt, die mit solchen Stellen keine Probleme haben, finde auch ich erschreckend. Ich glaube auch nicht, dass das Jesus gefallen würde. Man darf ruhig mit der Zeit gehen und die einzelnen Bibelstellen als Gedanken-Produkte einer vergangenen Epoche verstehen.
Und was den biblischen Gott betrifft: Der wird sowieso immer den aktuellen Vorstellungen angepasst. Vor 3000 Jahren mag es schick gewesen sein, einen Gott als Heerführer zu haben, mit dem man andere Völker besiegen konnte. Heute ist das zum Glück anders.
Alles richtig was du da schreibst. Und genau das ist es, warum ich meine, dass die Bibel eine schlechte Grundlage für moralisches/ethisches Handeln ist. Das Jesus, sofern es ihn gegeben hat, heute anders handeln könnte (wenn er denn wollte) ist dabei irrelevant. Alle Christen (auch die gemässigten) beziehen sich nun mal auf den biblischen Jesus. Ausserdem hätte er als Sohn Gottes ja seiner Zeit weit voraus sein können, da Gott ja allwissend, allmächtig etc. ist. Aber gebe zu das ist natürlich jetzt Spekulation von meiner Seite.
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(08-12-2012, 02:29)Mustafa schrieb: Der Fundamentalist mag aus solch einer Fragestellung heraus zu Recht auf der "Richtigkeit" seiner Auslegung beharren.
Nur liegt das Maß für "Richtigkeit" doch nicht einfach an Textpassagen eines Glaubensbuches.
Wem würdest du denn "Recht" geben, dem Fundamentalisten oder dem Offenen ?
Ich gebe da keinem Recht, da ich die Bibel als das ansehe, was sie nach heutigem Wissenstand ist. Ein von Menschen geschriebenes Buch. Menschen aus einer Kultur, deren Weltbild ein komplett anderes war als unseres (selbst die Fundamentalisten sind da noch fortschrittlicher, wenn man so will). Daher halte ich es für unsinnig, Exegese zu betreiben.
(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Da unterschätzt du die Vielfalt kultureller Zusammenhänge aber gewaltig.
Diese pauschalen Vorwürfe gegen das Christentum sind jedenfalls nicht haltbar.
Was unterschätze ich denn dabei ? Nehmen wir mal an, dass etwa 1 Mrd, das ist grob ein Siebtel, oder 14% der Weltbevölkerung in mehr oder weniger zivilisierten Ländern lebt. Selbst wenn 100% davon gemässigt religiös wären, was nicht stimmt, wenn man z.B. die U.S.A. anschaut, sind immer noch 6 Mrd Menschen weltweit das was man fundamentalistisch religiös nennen kann. Ich meine damit eine wörtliche Auslegung der jeweiligen heiligen Schrift, des jeweiligen Propheten. Bei den Christen ist der Anteil der aufgeklärten vielleicht etwas höher, aber wenn ich alleine die katholische Kirche anschaue, so ist dort die überwiegende weltweite Mehrheit konservativ bis ins Mark.
In all den Ländern, wo der Glauben eine überproportionale Rolle im öffentlichen Leben spielt, geht es dem Grossteil der Bevölkerung schlecht. Die Lebenserwartungen sind geringer, die Kindersterblichkeit höher etc.
Alle Fundamentalisten möchten nichts lieber, als zu diesen Zuständen zurück zu kehren.
Wie schon einiges mal hier erwähnt. Die gemässigte Religionsvariante ist mir natürlich ganz echt und 100%ig lieber. Aber nur, weil deren Angehörige ihre Moral/Ethik eben nicht aus heiligen Büchern zieht. Man bastelt sich hier seine eigene Religion einfach so zusammen, dass sie einem passt, was ja auch fein ist.
Aber ob die gemässigten es wollen oder nicht, man gründet sein Weltbild auf das gleiche Buch wie der Fundamentalist. Und solche Geschichten wie die mit Abraham und Isaak mit irgendwelchen Kunstgriffen für heute alltagstauglich machen zu wollen, hilft höchstens der Fundiseite.
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(08-12-2012, 00:14)Ekkard schrieb: Ich sehe nach wie vor nicht, dass christliche Moral die Menschenwürde untergräbt. Dass Christen dies tun bzw. verbrochen haben, bestreite ich nicht. Diese Menschen dürfen sich aber nicht auf die Bibel oder das Neue Testament berufen, auch wenn sie das tun
und warum?
weil sie sich generell nicht "auf die Bibel oder das Neue Testament berufen" können - auch nicht, wenns um die nächstenliebe geht. die bibel ist nun mal kein verhaltenskodex, wie du richtig sagst (sondern ein historisches dokument antiker glaubensvorstellungen) - dann aber auch nicht, indem man sich selektiv herauspickt, wo sie nun auf einmal doch normgebend wirkend soll. für dich ist das nächstenliebe, für den anderen halt der aufruf zum schwulenhaß
falsch liegt ihr damit beide
oder anders gesagt: ob einer ein anständiger mensch ist, hängt nicht davon ab, ob er sich dabei auf die bibel, den koran oder das kommunistische manifest beruft
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(08-12-2012, 02:29)Mustafa schrieb: Der Fundamentalist mag aus solch einer Fragestellung heraus zu Recht auf der "Richtigkeit" seiner Auslegung beharren.
Nur liegt das Maß für "Richtigkeit" doch nicht einfach an Textpassagen eines Glaubensbuches
wieso denn jetzt auf einmal nicht?
wenn das doch " seine wahrheit" ist, " seiner realität" entspricht?
die kulturelle wirkmächtigkeit solcher "wahrheiten" und "realitäten" wirst du ja wojl nicht bestreiten, umso mehr sie zumindest historisch evident sind...
(08-12-2012, 02:29)Mustafa schrieb: Wem würdest du denn "Recht" geben, dem Fundamentalisten oder dem Offenen ?
deiner ansicht nach beiden, ist doch beides gleich "wahr" und real", nicht wahr?
(08-12-2012, 02:29)Mustafa schrieb: (08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Die Regeln des Rechtsstaates und auch unserer säkularen Gesellschaft wurzeln eben nicht in der christlichen Kultur. Diese sind eine Errungenschaft der Neuzeit, als man alte überholte Glaubens- und Aberglaubensinhalte mit der Vernunft über Bord geschmissen hat. Die christlichen Glaubensgemeinschaften waren und sind zum grossen Teil gegen Religionsfreiheit, Gleichberechtigung der Geschlechter, etc. etc.
Da unterschätzt du die Vielfalt kultureller Zusammenhänge aber gewaltig.
Diese pauschalen Vorwürfe gegen das Christentum sind jedenfalls nicht haltbar.
du verstehst die bedeutung des imperfekts und was "zum grossen Teil" bedeutet?
selbstverständlich ist glaurungs aussage korrekt
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(08-12-2012, 01:39)Glaurung40 schrieb: Die Regeln des Rechtsstaates und auch unserer säkularen Gesellschaft wurzeln eben nicht in der christlichen Kultur. Diese sind eine Errungenschaft der Neuzeit, als man alte überholte Glaubens- und Aberglaubensinhalte mit der Vernunft über Bord geschmissen hat.
Dem muss ich zustimmen. Interessant wäre es jedoch zu wissen, ob die christliche Religion, der die Erneuerer angehörten, diese Entiwickung (nach über 1000 Jahren Stillstand) angekurbelt hat, oder ob es ohne Christentum noch viel eher dazu gekommen wäre. Diese Frage wird sich wohl nie wirklich klären lassen.
Bevor die Germanen zum Christentum übertraten, lebten sie (zumindest einige Stämme) jedenfalls in einer Gesellschaft, wo der (finanzielle, also wörtlich zu nehmende) Wert eines Menschen sich danach richtete, welche gesellschaftliche Stellung er hatte. Danach richtete sich nämlich die Geldstrafe, die zu zahlen war, wenn er getötet wurde. Es wurde dabei nicht zwischen Mord und Totschlag entschieden, allein der Todesfall war ausschlaggebend; handelte es sich bei dem Toten um einen Knecht, dann auch der materielle Schaden für seinen Herrn.
Das wurde alles um 510 n.Chr. in der Lex Salica (siehe: Wikipedia: Lex Salica) niedergeschrieben, unter einem germanischen König (Chlodwig I.), der gerade erst zum Christentum übergetreten war. Mit der unterschiedlichen Bewertung von Menschenleben hatte man damals (in Germanien) anscheinend kein Problem.
So gesehen war man nicht nur in Griechenland, sondern auch in Israel in ethischer Hinsicht weiter.
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(08-12-2012, 04:04)Glaurung40 schrieb: Nehmen wir mal an, dass etwa 1 Mrd, das ist grob ein Siebtel, oder 14% der Weltbevölkerung in mehr oder weniger zivilisierten Ländern lebt. Selbst wenn 100% davon gemässigt religiös wären, was nicht stimmt, wenn man z.B. die U.S.A. anschaut, sind immer noch 6 Mrd Menschen weltweit das was man fundamentalistisch religiös nennen kann. Ich meine damit eine wörtliche Auslegung der jeweiligen heiligen Schrift, des jeweiligen Propheten.
Wen nennst du fundamentalistisch? Laut Wikipedia (siehe Religionen, Statistiken) sind von ca. 7 Milliarden Menschen ca. 2 Milliarden Christen und ca. 1,5 Milliarden Moslems; also die Hälfte der Menschheit. Von den Christen lebt ein großer Teil in zivillisierten Ländern. Die Zahl der Juden beläuft sich auf magere 14-15 Millionen. Das sind die wichtigsten monotheistischen Religionen, die schon allein aufgrund der Fixierung auf einen einzelnen Gott zum Fanatismus neigen (und für mich ist Fundamentalismus eine Form des Fanatismus).
Dann gibt es noch ca. 900 Millionen Hindus und ca. 380 Millionen Buddhisten (ich nehme an, dass die modernen westlichen „Buddhisten“ da nicht mitgezählt werden, zusammen also auch über eine Milliarde Menschen. Diese glauben an Wiedergeburt und können (oder müssten) sich darum mehr Toleranz leisten als die monotheistischen Gläubigen, die sich ihrer Meinung nach nach einem einzigen Leben vor einem allmächtigen Gott rechtfertigen müssen. Denn wer wiedergeboren wird, hat ja spätestens im nächsten Leben eine neue Chance. Wobei ich den Hinduismus nicht als vorbildhaft ansehe, wenn man das Elend und Kastensystem in Indien bedenkt.
Dann gibt es noch zwischen 260 und 400 Millionen Anhänger von Stammesreligionen (je nachdem, ob man Statistik A oder B als Grundlage nimmt). Gerade diese sind in armen Ländern sehr verbreitet.
Du hältst alle diese Menschen für Fundamentalisten?
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